Landwirte: Mercosur-Deal ist „verheerend“ und zeigt Europas „Doppelstandards“

Pekka Pesonen, Generalsekretär des EU-Landwirtschaftsverbandes Copa-Cogeca. [Sarantis Michalopoulos]

Das kürzlich zwischen der EU und den Mercosur-Ländern abgeschlossene Handelsabkommen könnte „verheerend „für die europäischen Landwirte sein und offenbart gleichzeitig die „doppelten Standards“ der EU bei technologischen Fragen, kritisiert Pekka Pesonen, Generalsekretär des EU-Landwirtschaftsverbandes Copa-Cogeca, im Gespräch mit EURACTIV.com.

„Zunächst einmal ist dies eine politische Vereinbarung; es bedarf noch einiger Feinabstimmungen. Aber man kann bereits mit Fug und Recht sagen, dass die Auswirkungen des Mercosur-Abkommens verheerend für das europäische Bauernfamilienmodell sein werden,“ glaubt Pesonen.

Die EU und die Mercosur-Länder (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) hatten am 28. Juni eine politische Einigung über ein umfassendes neues Handelsabkommen erzielt.

Die Verhandlungen hatten sich als zäh erwiesen und gut zwei Jahrzehnte gedauert. Dabei waren sie immer wieder ins Stocken geraten – auch wegen der Ängste und Befindlichkeiten der europäischen Landwirte.

EU-Bauern warnen vor "verheerenden Auswirkungen" von Freihandelsabkommen

Mehr Importe aus dem Mercosur-Block könnten „verheerende Auswirkungen“ auf Arbeitsplätze, Preise und auf EU-Lebensmittelstandards haben, warnen Landwirte.

Die Vereinbarung zwischen der EU und dem Mercosur-Block kommt auch zu einem Zeitpunkt, an dem US-Präsident Donald Trump wiederholt mit Strafzöllen droht, die Handelsspannungen mit China verschärft und auch in Europa größtenteils Unverständnis erntet.

Aus Pesonens Sicht ist der EU-Mercosur-Deal daher auch Europas Art, Trump mitzuteilen: „Wir gehen unseren eigenen Weg; mit anderen Handelspartnern.“ Dies bedeute aber auch: „Wie es aussieht, werden die Landwirte die Rechnung dafür begleichen. Einmal mehr ist es die Landwirtschaft, die für schlechte internationale Beziehungen bezahlen muss.“

Der Agrarchef moniert außerdem, den Mercosur-Ländern sei Marktzugang zu einer großen Anzahl von europäischen Sektoren gewährt wurde, ohne dass Europa im Gegenzug ähnliche substantielle Zusagen erhalten habe: „Der Nettosaldo dieser Vereinbarung ist [für Europa] enorm negativ. Wir wären dann mit mehreren Milliarden Euro im Negativ, in den roten Zahlen. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass der nächste mehrjährige Finanzrahmen für die Landwirte auch negativ sein wird, denn es soll weitere Kürzungen für die Landwirtschaft geben.“

Die vom Abkommen mit den südamerikanischen Staaten besonders betroffenen Sektoren dürften Rind-, Geflügel- und Schweinefleisch sowie Zucker, Bioethanol, Orangen und Reis sein.

Doppelstandards?

Darüber hinaus verdeutlicht das Mercosur-Handelsabkommen aus Pesonens Sicht auch die „Doppelstandards“ Europas in Bezug auf neue Technologien und Innovationen.

Wichtig seien dabei die Produktionsstandards in den einzelnen Ländern sowie die unterschiedlichen Produktionsoptionen, die die Mercosur-Landwirte im Vergleich zu EU-Produzenten haben können. „Ihre Methoden und Möglichkeiten sind breiter als unsere… Sie sind sehr viel umfangreicher als das, was die europäische Gesellschaft ihren EU-Landwirten erlaubt und ermöglicht.“

EU-Freihandelsabkommen mit Brasilien: 600 Wissenschaftler drängen auf Nachhaltigkeit

Die Verhandlungen über einen Freihandelsdeal mit den Mercosur-Staaten sollen dazu genutzt werden, um auf die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu drängen. Das fordern 600 Wissenschaftler und 300 indigene Gruppen in einem offenen Brief.

Dabei bezieht sich Pesonen vor allem auf gewisse Pflanzenzuchttechniken und gentechnisch veränderte Organismen, die in diesen Ländern eingesetzt werden dürfen, in Europa aber nicht erlaubt sind.

„Natürlich gehen wir davon aus, dass die Zollbeamten und die nationalen Behörden ihr Bestes für die Lebensmittelsicherheit tun werden, damit alle Lebensmittel sicher verzehrt werden können. Aber was bedeutet es für die Landwirte in der EU, wenn ihre Wettbewerber Technologien und Strukturen nutzen können, von denen wir nur träumen können?,“ fragt Pesonen.

Der Chef des EU-Landwirtschaftsverbandes kritisiert außerdem, die EU-Politikerinnen und Politiker würden weiterhin Druck auf die EU-Produzenten ausüben, nachhaltiger zu sein und Chemikalien zu reduzieren – gleichzeitig aber Vereinbarungen mit Ländern (wie dem Mercosur) treffen, in denen insbesondere groß angelegte, industrielle und von multinationalen Konzernen dominierte Landwirtschaft vorherrscht.

„Es ist absoluter Unsinn, wenn sie den EU-Landwirten vorwerfen, sie würden industrielle Landwirtschaft betreiben. Wir haben immer noch ein überwiegend familiär getragenes Bauernmodell – in der gesamten EU. Wir haben nur sehr wenige Großunternehmen.“

Technologie für die Umwelt

In Bezug auf Umweltfragen sagt Pesonen, die Einführung neuer Technologien sei eine Notwendigkeit, um den Klimawandel zu bekämpfen. Es müsse in Europa nun eine ehrliche Debatte über derartige Technologien geben.

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„Wir können das Problem [des Klimawandels] nicht ohne Technologien lösen. Das ist ein Muss. Es ist nicht die Frage „Wollen wir das oder wollen wir das nicht“…Es ist allein schon ein Muss, weil jeder da draußen es tun wird,“ prophezeiht er.

„Wir sollten diese Diskussion endlich eröffnen und deutlich machen, wie wir uns in der EU positionieren […], ob wir nicht wirklich einige der Technologien übernehmen sollten, die es uns ermöglichen würden, einen besseren Beitrag zu leisten,“ fügt er hinzu.

*Unter Mitarbeit von Hannah Archambault.

[Bearbeitet von Frédéric Simon]

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