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Zweifel an der Solvenz, Kommentar zu den Lebensversicherern von Antje Kullrich

Frankfurt (ots)

Seit 2017 müssen die deutschen Versicherer jährlich offenlegen, inwieweit sie die Kapitalanforderungen nach dem Aufsichtsregime Solvency II erfüllen. Und seit 2017 wird über die Interpretation dieser Solvenzquoten gestritten. Was sagen sie über den Zustand der Unternehmen aus?

Die Debatte um die Quoten wird schärfer, je weiter sie sinken. Der Bund der Versicherten schlägt jetzt Alarm und sieht mindestens ein Viertel der Branche in ernsten Schwierigkeiten. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hält vehement dagegen und wirft der Methodik der Verbraucherschützer Willkür vor. Denn die rechnen in ihrem Ansatz verschiedene Puffer heraus, die von den Unternehmen teilweise befristet angewendet werden dürfen.

Doch damit macht es sich der GDV zu einfach. Die Zahl der Lebensversicherer, die ohne die Übergangsmaßnahmen die Ka­pitalanforderungen nicht vollständig erfüllen könnten, war Ende 2020 so hoch wie nie zuvor. Das lag zwar vor allem an dem rekordverdächtig niedrigen Zinsniveau zum Stichtag, das sich mittlerweile wieder leicht entspannt hat. Doch der Druck auf die Quoten bleibt bestehen. Durch die anstehende Reform von Solvency II könnten die Solvenzquoten marktweit nochmals sinken, wenn die Änderungsvorschläge der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA so umgesetzt würden, wie sie bislang vorliegen.

Den deutschen Lebensversicherern bleiben noch elf Jahre, bis sie ohne die heute rettenden Übergangsmaßnahmen ihre aufsichtsrechtlichen Kapitalsäckel voll gefüllt haben müssen. Auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin fürchtet mittlerweile, dass es bis dahin nicht alle schaffen. Diese Anbieter dürften dann wohl kein Neugeschäft mehr schreiben.

Doch schon heute sollten alle, die auf der Suche nach einer privaten Altersvorsorge sind, ein Recht haben zu erfahren, wie es um ihren ausgewählten Anbieter bestellt ist. Unternehmen, die heute ohne Übergangsmaßnahmen unter 100 Prozent Solvenzquote liegen, sollten offen und nicht nur gegenüber der BaFin kommunizieren, wie sie ihre potenzielle Kapitallücke schließen wollen. Pauschale Beschwichtigungen, die Branche sei stabil, sind nicht geeignet, das Vertrauen in die Lebensversicherer zu stärken. Die Realität ist komplexer und bedarf genauer Analysen. Beruhigungspillen von Lobbyisten sind genauso überflüssig wie alarmistische Übertreibungen. Auch wenn differenzierte Kommunikation in einer gerne schnappatmenden Öffentlichkeit ein mühsames Geschäft ist.

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