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IEP-Mittagsgespräch mit Joachim Bertele, Bundeskanzleramt: „Europäische Ostpolitik aus deutscher Sicht“

Das IEP-Mittags­ge­spräch zum Thema „Europäische Ostpo­litik aus deutscher Sicht“ mit Dr. Joachim Bertele, Gruppen­leiter Außen­po­litik, Sicher­heits­po­litik und Globale Fragen im Bundes­kanz­leramt, fand am 14. Dezember 2016 im Europäi­schen Haus statt. Das Grußwort hielt Richard Kühnel, Vertreter der Europäi­schen Kommission in Deutschland. Moderiert wurde die Veran­staltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).

Im Vorder­grund standen die Östliche Partner­schaft (ÖP) und die Bezie­hungen zu Russland. Die östlichen Nachbarn seien für die Europäische Union aufgrund der engen politi­schen, wirtschaft­lichen und kultu­rellen Verbin­dungen von beson­derer Bedeutung, die Östliche Partner­schaft mit ihren Angeboten von Assozi­ierung, umfas­sendem Freihandel und Visali­be­ra­li­sierung Instru­mente von Annäherung und Reform. Hinsichtlich der Bezie­hungen zu Russland wurde einer­seits die Notwen­digkeit unter­strichen, die EU in der Sankti­ons­frage geeint zu halten (Zielsetzung: Verur­teilung der völker­rechts­wid­rigen Annexion der Krim, Umsetzung der Minsker Verein­ba­rungen), anderer­seits aber auch auf das Ausloten von Chancen künftiger Koope­ration mit diesem Land verwiesen.

Die Zusam­men­arbeit mit Russland sei zwar schwierig, aber möglich. Als Ausgangs­punkt wurden die Jahre 2010/2011 genannt, als es Versuche gab, nicht nur im Rahmen der politi­schen Foren, wie OSZE, NATORussland Grundakte etc., zusammen zu arbeiten, sondern auch gemeinsam mit der russi­schen Seite zur Moder­ni­sierung und Refor­mierung der Russi­schen Föderation beizu­tragen. Nach dem Beginn der 3. Amtszeit Putins ab Mai 2012 habe sich die Situation in Russland so geändert, dass sich das Land innen­po­li­tisch mehr und mehr in eine autoritäre Richtung entwi­ckelte. Es sei auch festzu­stellen, dass der Kreml außen­po­li­tisch aktiver in Nachbar­ländern und der EU eingreife. So wurden gezielt anti-liberale Parteien unter­stützt (u.a. Front National) oder es wurde mit Falsch­mel­dungen Einfluss auf innen­po­li­tische Debatten gesucht (Bsp: Fall Lisa). Die russische Außen­po­litik basiere auf geopo­li­ti­schen Prinzipien. Die Vorstel­lungen von der Existenz eines geopo­li­ti­schen Macht­zen­trums, von abgeschwächter Souve­rä­nität in den umlie­genden Staaten dieses Poles sowie die Nicht­ak­zeptanz der Tatsache, dass Nachbar­staaten trotz histo­ri­scher Verbin­dungen mit Moskau selbst über ihren politi­schen Kurs entscheiden dürfen, stünden im Gegensatz zur gemeinsam verein­barten europäi­schen Sicher­heits­ordnung (Charta von Paris, Budapester Memorandum, Nato-Russland Grundakte), die von Russland zunehmend in Frage gestellt werde.

Des Weiteren konzen­trierte sich die Diskussion auf die Östliche Partner­schaft und die Assozi­ie­rungs­ver­träge mit der EU. Es wurde gefragt, ob Europa die Länder der ÖP vor eine „Entweder-oder-Situation“ gestellt hätte. Solch eine „Entweder-oder-Situation“ habe nach der Auffassung des Gastre­fe­renten nicht Europa, sondern Russland geschaffen, indem es die Eurasische Wirtschafts­union entwi­ckeln wollte. Diese beinhalte eine Zollunion mit erhöhten Zollhürden und sei so mit dem Gedanken des Freihandels der voran­ge­gan­genen Angebote (bilaterale Freihan­dels­ab­kommen der ÖP-Staaten mit Russland und EU-Assozi­ie­rungs­ab­kommen) nicht kompatibel.

Im Anschluss daran wurde disku­tiert, wie der Westen auf die russische Politik reagieren solle. Im Fall der russi­schen Einmi­schung in der Ukraine habe die EU einen gemischten Ansatz benutzt – Dialog, Sanktionen und Stärkung der eigenen Vertei­di­gungs­fä­hig­keiten im Rahmen der NATO. Sanktionen seien dabei kein Selbst­zweck. Das Ziel bestünde vielmehr darin, die Souve­rä­nität der Ukraine zu unter­streichen und eine weitere völker­rechts­widrige Expansion russi­scher Inter­es­sen­po­litik zu verhindern. Parallel dazu dürfe aber auch der Dialog­faden mit Russland nicht abreißen. Für die nähere Zukunft sei keine  Verän­derung dieses Ansatzes in der Politik der EU gegenüber Russland zu erwarten.

Wichtig sei für die Ostpo­litik, dass die EU attraktiv und erfolg­reich bleibe, die aktuellen Heraus­for­de­rungen wie den Brexit, die Migration und die Finanz­krise bewältige und auch gegenüber Russland bei einer gemein­samen Sprache bleibe.

Die struk­tu­rellen Probleme in der Ukraine, die Zukunft der Sankti­ons­po­litik sowie die Frage der Betei­ligung von Polen und den USA am Normandie-Format wurden ebenfalls angesprochen, konnten aber wegen des begrenzten zeitlichen Rahmens nicht vollständig ausdis­ku­tiert werden.

Von: Mariam Kheladze


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