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Vorgetäuschter Eigenbedarf: Anspruch auf Schadenersatz?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Leer stehende Wohnungen lassen sich zumeist leichter verkaufen als vermietete. Das gilt vor allem, wenn der neue Eigentümer die Immobilie nicht als Kapitalanlage nutzen, sondern selbst einziehen möchte. Vermieter versuchen daher alles Mögliche, um ihre Mieter aus der Wohnung zu bekommen. So wird manchmal auch Eigenbedarf vorgeschoben – angeblich benötigt der Vermieter die Räumlichkeiten für sich oder etwa einen Angehörigen. Kann der „rausgeschmissene“ Mieter dann Schadenersatz verlangen?

Eigenbedarf – ja oder nein?

Ein Vermieter hatte ein Mietverhältnis gekündigt – angeblich benötigte sein Neffe die betreffenden Räumlichkeiten. Die Mietvertragsparteien stritten daraufhin vor Gericht über die Wirksamkeit der Kündigung und schlossen letztlich einen Räumungsvergleich. Noch vor Ablauf der darin gewährten Räumungsfrist zogen die Mieter allerdings aus der Wohnung aus – und der Neffe des Vermieters ein. Wenige Monate später verkaufte der Vermieter die Immobilie.

Nun verlangten die Mieter gerichtlich Schadenersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs. Sie seien schließlich nur gekündigt worden, damit der Vermieter das Objekt möglichst gewinnbringend verkaufen kann. Sie – die Mieter – hätten das Haus auch gerne gekauft, waren aber nicht bereit, den veranschlagten Preis zu zahlen. Danach habe der Vermieter einen Makler mit dem Verkauf der Wohnung beauftragt – und zwar auch noch zu einem Zeitpunkt, als der Neffe längst darin lebte.

Das bestritt der Vermieter. Er habe nicht gewusst, dass der Makler die Wohnung nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung weiterhin zum Verkauf angeboten habe. Der Streit zog sich durch mehrere Instanzen und landete letztlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Langjährige Verkaufsabsicht des Vermieters?

Der BGH war der Ansicht, dass ehemalige Mieter einen Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn ihr früherer Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigt – die Wohnung aber nur so lange an einen Angehörigen vermietet, bis er sie gewinnbringend verkauft hat. Dann nämlich hat der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht.

Folgen des vorgeschobenen Eigenbedarfs

Grundsätzlich können Vermieter einen Mietvertrag nach § 573 II Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigen, wenn sie die Räumlichkeiten für sich oder einen Familien- oder Haushaltsangehörigen benötigen. Das hat oft dazu geführt, dass Vermieter, die ihre Mieter loswerden wollten, Eigenbedarf nur vorgeschoben haben. Doch Vorsicht: Vermieter machen sich dann nach den §§ 573 II Nr. 2, 280 I BGB schadenersatzpflichtig. Sie müssen ihren ehemaligen Mietern den Schaden ersetzen, der ihnen aufgrund des unfreiwilligen Umzugs entstanden ist. Dazu gehören z. B. Umzugs- und Maklerkosten sowie der Differenzmietschaden, falls der nunmehr zu zahlende Mietzins höher ist als der alte.

Vorgetäuschter Eigenbedarf trotz Einzugs eines Verwandten?

So mancher Vermieter, der seine Wohnung unvermietet veräußern und einer Schadenersatzpflicht wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs entgehen möchte, wird sich nun denken, dass man die Räumlichkeiten für die Dauer der Käufersuche einfach an einen Angehörigen vermieten könnte. Den kann man schließlich schnell zum Auszug bewegen, wenn man einen Käufer gefunden hat. Aber: Der BGH hält auch dieses Vorgehen für unzulässig – denn hier wird der Eigenbedarf ebenfalls nur vorgeschoben.

Vorliegend konnte der BGH jedoch nicht klären, ob der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hatte. Dafür sprachen unter anderem die langjährige Verkaufsabsicht und die Beauftragung eines Maklers, obwohl den damaligen Mietern bereits wegen Eigenbedarfs gekündigt worden war. Andererseits hatte der Neffe ausgesagt, fast ein Jahr in der betreffenden Wohnung gelebt zu haben, was eine Eigenbedarfskündigung unter Umständen rechtfertigen könnte. Die Richter wiesen den Rechtstreit daher zurück an die Vorinstanz, die sich nun noch einmal mit der Frage befassen muss, ob der Vermieter die Wohnung verkaufen oder tatsächlich an seinen Neffen vermieten wollte.

Kein Schadenersatz wegen Räumungsvergleichs?

Der Anspruch auf Schadenersatz war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Vermieter und sein damaliger Noch-Mieter einen Räumungsvergleich geschlossen hatten. Schließlich war nicht davon auszugehen, dass die Parteien mit dem Räumungsvergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines etwaig vorgeschobenen Eigenbedarfs abgelten wollten. So hatten die Parteien Entsprechendes weder explizit angesprochen noch stillschweigend angenommen. Ein stillschweigender Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche ist überdies nur im Ausnahmefall möglich – und dann auch nur, sofern es hierfür klare Anhaltspunkte gibt. Das wäre z. B. der Fall, wenn sich der Vermieter im Räumungsvergleich zur Zahlung eines Betrags – als Gegenleistung für den Verzicht – verpflichtet. Derartige Umstände waren vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

(BGH, Beschluss v. 10.05.2016, VIII ZR 214/15)

Fazit: Täuscht der Vermieter Eigenbedarf nur vor, um seinen Mieter aus der Wohnung werfen zu können, macht er sich schadenersatzpflichtig.

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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