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Nie hatten Neuwagen so viele PS wie heute

Die Industrie freut es: Viele Kunden sehen in einer höheren PS-Zahl einen Mehrwert, für den sie auch mehr zahlen wollen Die Industrie freut es: Viele Kunden sehen in einer höheren PS-Zahl einen Mehrwert, für den sie auch mehr zahlen wollen
Die Industrie freut es: Viele Kunden sehen in einer höheren PS-Zahl einen Mehrwert, für den sie auch mehr zahlen wollen
Quelle: Infografik Die Welt
Im Auto lieben die Deutschen Leistung: Die PS-Zahl bleibt das schlagende Verkaufsargument. Neuwagen haben jetzt im Durchschnitt 140 PS unter der Haube, und die Industrie heizt die Gier weiter an.

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Das Szenario hat gewisse Schrecken: Seit Jahren warnt die Autoindustrie vor harten Klimaschutzbestimmungen, indem sie eine Zukunft heraufbeschwört, in der auf den Straßen nur noch kleine Einheitsfahrzeuge unterwegs sein könnten. Doch bislang scheint die Welt davon noch weit entfernt zu sein. Auf Automessen präsentieren die Hersteller immer leistungsstärkere Fahrzeuge.

Für die Hersteller – hier der Q7 von Audi – können Neuwagen gar nicht leistungsstark genug sein
Für die Hersteller – hier der Q7 von Audi – können Neuwagen gar nicht leistungsstark genug sein
Quelle: dpa-tmn

So wird das auch auf der Autoshow in Detroit sein, die im Januar traditionell des Autojahr eröffnet. Die Hersteller werden in der mittlerweile etwas heruntergekommenen Autostadt Sportgeländewagen präsentieren, die nicht groß und mächtig genug sein können. Audi präsentiert den neuen Q7, Volvo wirbt für das Schlachtschiff XC90. Mercedes wird den GLE Coupé über den Atlantik bringen. Und BMW dürfte vor dem amerikanischen Publikum noch einmal dafür werben, dass die Marke 2017 mit dem X7 in eine neue SUV-Größenklasse vorstoßen wird.

Schlagendes Verkaufsargument

PS sind trotz aller Klimadebatten nach wie vor das schlagende Verkaufsargument in der Autoindustrie. Das belegt ein Blick auf die Neuzulassungen im Jahr 2014. Die durchschnittliche Motorleistung der verkauften Neuwagen in den ersten elf Monaten des Jahres war höher als je zuvor, hat Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen in einer Studie ermittelt, die der „Welt“ exklusiv vorliegt.

Für die deutsche Autoindustrie sind das zunächst einmal gute Nachrichten. Denn während nur wenige Kunden bereit sind, für umweltfreundliche Hybridantriebe einen Aufpreis zu akzeptieren, der die Mehrkosten der Hersteller abdeckt, sehen sie in mehr PS durchaus einen Mehrwert, der auch einen höheren Preis rechtfertigt.

Mehr Leistung, das bedeutet damit auch mehr Geld in den Kassen der Autokonzerne. „Die Autokäufer sind offensichtlich bereit, gerne Geld für PS und größere und leistungsstarke Autos auszugeben“, schreibt Dudenhöffer.

Porsche an der Spitze

Auch deswegen hat es eine gute Tradition, dass die Autoindustrie die Motorleistung Jahr für Jahr steigert. Vor 19 Jahren noch hatten Neuwagen im Durchschnitt 95 PS, die Schwelle von 100 PS wurde im Jahr 1997 durchbrochen. 2004 dann hatte der durchschnittliche Neuwagen erstmals mehr als 120 PS.

Unterbrochen wurde der Aufwärtstrend allein in den Jahren 2009 und 2010, als die Bundesregierung die Abwrackprämie zahlte.

2014 wurde erneut ein Spitzenwert erreicht. Schon in den ersten elf Monaten des Jahres hatten Neuwagen eine durchschnittliche Motorleistung von 140,1 PS. Unter den etablierten deutschen Automarken liegt Porsche auf der Spitzenposition mit einer Durchschnittsleistung von 360 PS. Es folgen BMW mit 189 PS und Audi mit 181 PS. Fahrzeuge der Marke Mercedes hatten 164 PS.

PS-Gier hält an

Vor allem die starke Nachfrage nach Sportgeländewagen treibt die PS-Gier an. Die mächtigen Fahrzeuge sind nicht nur in den USA beliebt, sondern zunehmend auch in Deutschland. Waren 2006 noch 6,5 Prozent aller Neuwagen SUV, liegt der Anteil heute bei 18 Prozent.

Weil Sportgeländewagen so beliebt sind, wird in Deutschland auch künftig mit steigenden PS-Zahlen gerechnet
Weil Sportgeländewagen so beliebt sind, wird in Deutschland auch künftig mit steigenden PS-Zahlen gerechnet
Quelle: Infografik Die Welt
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„Der steigende SUV-Trend wird dazu führen, dass auch in den nächsten Jahren in Deutschland mit steigenden PS-Zahlen gerechnet werden kann“, prognostiziert Dudenhöffer in der Studie. Das heißt allerdings nicht, dass die Wagen deswegen auch der Umwelt stärker zusetzen. Autobauer investieren viel Energie, um große Autos effizienter zu machen. In den vergangenen Jahren senkten sie die Emissionen etwa mit moderner Dieseltechnologie sowie mit konsequentem Leichtbau der Karosserien. Weitere Einsparungen werden durch die Verwendung von Plug-in-Hybridantrieben kommen.

Spritverbrauch ist gesunken

So sanken die CO2-Emissionen trotz der Aufrüstung unter der Motorhaube zuletzt deutlich. Die Emissionen der in Deutschland zugelassenen Neuwagen nahmen in den vergangenen elf Jahren um rund ein Viertel ab – von durchschnittlich 175,8 Gramm pro Kilometer auf 133 Gramm in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres.

„Da der Anteil der alternativen Antriebe an den Neuzulassungen derzeit noch gering ist, ist diese Effizienzsteigerung nahezu ausschließlich auf die Optimierung der klassischen Antriebe Benziner und Clean Diesel zurückzuführen“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann in einer Mitteilung. Weitere Steigerungen könnten demnach künftig vor allem elektrische Antriebe bringen.

Auch der durchschnittliche Spritverbrauch der Fahrzeuge sank. Der Durchschnitts-Ottomotor neu zugelassener Pkw verbrauchte vor elf Jahren noch 7,8 Liter für 100 Kilometer. Im vergangenen Jahr hingegen lag der Verbrauch bei 5,6 Litern. Dudenhöffer weist darauf hin, dass dieser Wert nur auf dem Prüfstand gelte, die realen Werte im Straßenverkehr höher lägen. Der VDA hingegen sieht die Entwicklung als Beweis dafür, dass die alte Gleichung „mehr Leistung durch mehr Hubraum“ nicht mehr gelte.

„Keine rollende Verzichtserklärung“

Die deutschen Konzernmarken bieten dem VDA zufolge 739 Modelle mit weniger als fünf Liter Verbrauch an – dreimal mehr als noch vor drei Jahren. „Die Menschen wollen keine rollende Verzichtserklärung“, sagte Wissmann in der Mitteilung. Ein Auto müsse auch sexy sein.

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Deutschen im Vergleich zu Autofahrern aus anderen europäischen Ländern gerne Autos mit besonders hohem CO2-Verbrauch fahren. Während ein in Deutschland verkaufter Neuwagen im vergangenen Jahr noch 136,4 Gramm CO2 pro Kilometer emittierte, stieß ein in den Niederlanden zugelassener Neuwagen nur 109,1 Gramm aus.

Gut möglich, dass der niedrige Spritpreis dazu beiträgt, dass die Deutschen sich noch größere Fahrzeuge leisten – und damit am Ende auch noch mehr Schadstoffe ausstoßen. „Benzin und Diesel sind preisgünstig für Autofahrer“, sagt Dudenhöffer. „Da werden ein paar PS mehr gerne gekauft.“

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