Die Türkei kündigt die Entsendung eines vierten Erkundungsschiffes in zypriotische Gewässer an

Auf die Strafmassnahmen der EU reagiert Ankara mit Gegendruck. Der Streit um die Bohrrechte vor Zypern spitzt sich zu.

Volker Pabst, Istanbul
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Gemäss einer regierungsnahen türkischen Zeitung soll das Erkundungsschiff «Orus Reis» in zypriotisches Hoheitsgewässer entsendet werden. (Bild: Yoruk Isik / Reuters)

Gemäss einer regierungsnahen türkischen Zeitung soll das Erkundungsschiff «Orus Reis» in zypriotisches Hoheitsgewässer entsendet werden. (Bild: Yoruk Isik / Reuters)

Die türkische Regierung hat sich am Dienstag demonstrativ unbeeindruckt vom Sanktionsentscheid der EU gegeben. In einer Medienmitteilung erklärte das Aussenministerium in Ankara, dass der Beschluss keinerlei Auswirkungen habe auf die Entschlossenheit der Türkei, ihre Bohrungen im östlichen Mittelmeer fortzusetzen. An einer Medienkonferenz anlässlich eines Besuchs in Nordmazedonien doppelte Aussenminister Mevlüt Cavusoglu nach und stellte in Aussicht, ein viertes Schiff in die Region um Zypern zu entsenden.

Die regierungsnahe Zeitung «Sabah» nannte in diesem Zusammenhang das Erkundungsschiff «Oruc Reis». Die Regierungen in Ankara und Nikosia, die keine diplomatischen Beziehungen miteinander unterhalten, beanspruchen sich teilweise überschneidende Hoheitsgewässer. In der Region um die Mittelmeerinsel werden ergiebige Gasvorkommen vermutet.

Türkische Schiffe vor Zypern

Die EU hat am Montag ihren Mitgliedsländern Zypern und Griechenland, das als Garantiemacht für die Griechischzyprioten ebenfalls in den Streit verwickelt ist, den Rücken gestärkt. Die Strafmassnahmen gegen die Türkei umfassen unter anderem die Kürzung von EU-Geldern sowie die Aussetzung von Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen. Zwei türkische Bohrschiffe befinden sich, teilweise unter Schutz der türkischen Marine, zurzeit in der Nähe Zyperns, die «Fatih» im Westen der Mittelmeerinsel und die «Yavuz» im Nordosten. Zudem hält sich das auf seismologische Erkundungen ausgerichtete Schiff «Barbaros Hayrettin Pasa» im Süden Zyperns auf.

Gasfelder vor Zypern

Gasfelder vor Zypern

Die international anerkannte griechischzypriotische Regierung hat für ihre ausschliessliche Wirtschaftszone mehrere Bohrlizenzen an westliche Energiefirmen vergeben. Vergangenes Jahr kam es zu einer Eskalation, als die türkische Marine versuchte, die Anfahrt eines Schiffes des italienischen Unternehmens Eni zu verhindern. Auch bei der Entsendung eigener Bohrschiffe geht es der Türkei vor allem um eine Machtdemonstration. Zumindest in jenem Gebiet, in dem die «Fatih» zurzeit tätig ist, gibt es laut den meisten Experten kaum Hinweise auf Gasvorkommen.

Folge des Zypernkonflikts

Der Streit ist letztlich eine Konsequenz des ungelösten Konflikts auf der seit 1974 in ein griechisches und ein türkisches Territorium geteilten Insel. Ankara ist die Garantiemacht für die Türkischzyprioten und stellt sich auf den Standpunkt, dass ohne einen abschliessenden Friedensvertrag, der die Rechte der beiden Bevölkerungsgruppen regelt, keine Lizenzen für die suche nach Bodenschätzen vergeben werden können.

Ebenso ist es in den Augen Ankaras vor der Beilegung des Konflikts unmöglich, sich mit Zypern auf eine Festlegung der jeweiligen Wirtschaftszonen zu einigen. In den Augen Nikosias und der EU stellen die Aktivitäten der türkischen Bohrschiffe allerdings einen klaren Rechtsbruch dar. Die zypriotische Staatsanwaltschaft soll laut Medienberichten Haftbefehle gegen die Besatzung der «Fatih» ausgestellt haben.

Auf Konfrontationskurs

Kurz nach der Ankunft des russischen Raketenabwehrsystems S-400 am Freitag, allen Warnungen und Drohungen aus Washington zum Trotz, befinden sich auch die Türkei und die EU auf Konfrontationskurs. Eine weitere Eskalation, die nicht im Interesse der beiden Seiten sein kann, ist nicht unvermeidbar. Dass Ankara den Konflikt innenpolitisch nutzen möchte, wird aber aus der Stellungnahme deutlich.

Nicht nur wird betont, dass die EU durch die – durchaus diskutable – Aufnahme Zyperns unter einer rein griechischzypriotischen Regierung die Türkischzyprioten verraten habe. Es wird auch explizit darauf hingewiesen, dass die Sanktionen am Jahrestag des gescheiterten Putschversuchs vor drei Jahren verhängt wurden.