Die Unterbrechung des S-Bahnverkehrs wegen S 21 stößt auf heftige Kritik. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In dieser Woche hat der Plan der S-21-Macher Schlagzeilen gemacht, die S-Bahn nicht mehr zum flughafen fahren zu lassen. Dagegen muss sich politischer Widerstand formieren, meint Redakteur Thomas Durchdenwald. Noch wichtiger aber ist: die S-21-Verantwortlichen müssen endlich umdenken.

Stuttgart - - Es gibt das schöne Bild vom Elefanten im Porzellanladen, das den grauen Dickhäutern eine gewisse Tolpatschigkeit unterstellt. Tierkundler erklären aber, dass Elefanten sehr sensibel und vorsichtig auf ihre Umgebung reagieren. Zu behaupten, die Bahn habe sich mit ihren Plänen zur Unterbrechung des S-Bahnverkehrs am Flughafen in dieser Woche wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten, tut also den Elefanten Unrecht. Das, was die Bahn tut, trifft es ziemlich genau.

Nahverkehr auf dem Abstellgleis

Ungläubigkeit, Entsetzen, Ärger, Empörung: Die Reaktionen auf die Nachricht, dass die S-21-Projektgesellschaft Flughafen, Messe und das 45 000 Einwohner zählende Filderstadt ein Jahr lang vom S-Bahn-Verkehr abhängen will, sind allzu verständlich. Und wenn die Manager der Bahn, die die Bedeutung des öfffentlichen Nahverkehrs kennen sollten, eine derartige Fehlplanung ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Schienen setzen, dann kann es von der Politik nur eine Antwort geben: die Kelle mit dem roten Stopp-Signal. Landesverkehrsminister Winfried Hermann macht sich bereits für einen Interimshalt im Westen des Flughafens stark. Aber vor allem die Region als Verantwortliche für die unter S 21 schon über Gebühr leidende S-Bahn ist gefordert, diese Lösung durchzusetzen, wie ihr Verkehrsausschuss bereits gefordert hat. In einem Jahr, in dem für eine notwendige VVS-Tarifreform 42 Millionen Euro in die Hand genommen werden, kann das nicht ernsthaft an einem einstelligen Millionenbetrag scheitern. Wer anders handelt, schiebt den Nahverkehr aufs Abstellgleis.

Abgehobene Pläne

Wie abgehoben die S-21-Macher agieren, macht auch der Umstand deutlich, dass die SSB den Alternativplänen, die Kapazitäten der S-Bahnen durch die neuen, bis zum Flughafen verlängerten Stadtbahnlinien U 6 oder U 17 zu decken, skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Offiziell angefragt hat offenbar niemand vorher. Auch der Esslinger Landrat Heinz Eininger und der Oberbürgermeister von Filderstadt, Christoph Traub, fühlen sich von den Plänen überfahren, Gleiches gilt für die Regionalräte. Transparenz steht bei den S-21-Verantwortlichen auf dem Abstellgleis.

Fundamentalkritik von Kretschmann

Das Desaster am Flughafen, wo die Bahn auch acht Jahre nach dem offiziellen Baubeginn von Stuttgart 21 noch kein Baurecht hat, ist nur ein Beispiel dafür, wie weit sich Anspruch und Wirklichkeit voneinander entfernt haben. Ein Projekt als Ausweis der Zukunftsfähigkeit Deutschlands, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel einst sagte? Das bestgeplante Vorhaben, wie ein Landesverkehrsminister und Sprecher der Bahn vor Jahren meinten? Die Fundamentalkritik von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in dieser Woche kommt der Realität näher: Vieles, aber beileibe nicht alles, was die viel geschmähten S-21-Gegner befürchteten, erweist sich als zutreffend. Doch noch immer köpfen die S-21-Macher lieber den Schampus, um ihre unbestreitbaren Erfolge auf der Neubaustrecke, beim Bau der Tunnels und der Kelchstützen zu feiern, als der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken, wo es klemmt und zwackt. Doch darauf hat die Bevölkerung, die sich bei der Volksabstimmung mehrheitlich hinter das Projekt stellte, einen Anspruch. Bis die ersten Züge fahren, wird es so weitergehen: höhere Kosten, längere Bauzeit, viel Ärger.

Pardon gibt es nur für den Elefanten.

thomas.durchdenwald@stzn.de