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Ryanair: Das ist kein Liebesbrief

24. Februar 2017

Billigflieger sind längst etabliert, aber immer noch oft umstritten. "Schäbige" Geschäftspraktiken wirft jetzt eine Unternehmerin Michael O'Leary, Chef der Fluggesellschaft Ryanair, vor. Die Airline schießt zurück.

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Federhalter - Füller
Bild: Fotolia/matttilda

Rund 116 Millionen Fluggäste hat Ryanair im vergangenen Jahr befördert. Damit ist der irische Billigflieger nun die größte Fluggesellschaft Europas - vor der Lufthansa-Gruppe und der IAG mit British Airways, Iberia und anderen Airlines.

Die deutsche Unternehmerin Eve Büchner hat Ryanair-Chef Michael O'Leary zu diesem Erfolg gratuliert - in einem offenen Brief, den sie zuerst auf Huffingtonpost.de veröffentlichte. Doch kurz nach den einleitenden freundlichen Worten kommt heftige Kritik: "Es ist auffallend, wie unpünktlich Deine Flugzeuge sind. Und ich ahne, warum", schreibt sie an den "lieben Michael".

Dann listet Büchner Vorwürfe auf, die seit Jahren gegen Ryanair erhoben werden: "Viele Deiner Piloten sollen keinen Lohn erhalten, wenn sie wegen Krankheit ausfallen. Angeblich verdienen einzelne nicht mal 1.000 Euro im Monat. Außerdem gibt es da noch den Vorwurf, dass Du die Mehrzahl der Piloten in die Scheinselbstständigkeit zwingst."

Michael OLeary Ryanair
Ryanair-Chef Michael OLearyBild: AP

"Wenn die Ausbeutung von Mitarbeitern so klar zum Geschäftsmodell gehört", so Büchner weiter, "und die häufigen Verspätungen ganz augenscheinlich miteinkalkuliert werden, ist das schäbig."

Am Ende fordert sie den Ryanair-Chef auf, sich gegenüber seinen Kunden und Mitarbeitern so zu verhalten, "wie es sich für einen Marktführer gehört": "Erst wenn Deine guten Geschäfte auch anständige Geschäfte sind, wirst Du unschlagbar sein."

PR in eigener Sache?

Dass es ausgerechnet Eve Büchner ist, die diesen Brief schreibt, ist nicht ohne Brisanz. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von refund.me - einem Entschädigungsportal, das Ansprüche von Kunden gegenüber Airlines vertritt, wenn Flüge Verspätung haben, ausfallen oder überbucht sind. In solchen Fällen haben Reisende das Recht auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro, schreibt die EU-Verordnung 261/2004 vor.

Airline-Kunden können ihre Forderungen entweder selbst durchsetzen, notfalls mit Anwalt, oder Entschädigungsportale wie refund.me, flightright.de und andere damit beauftragen. Die Portale werben damit, den Kunden Ärger und Mühen abzunehmen. Dafür verlangen sie eine Gebühr. Bei refund.me betrage sie 25 Prozent der Entschädigungszahlung und falle nur bei erfolgreicher Durchsetzung der Ansprüche an, so das Unternehmen.

Es ist also durchaus möglich, dass PR in eigener Sache eine Motivation war für den offenen Brief. Gleichzeitig hat Eve Büchner als Betreiberin eines Entschädigungsportals aber zumindest eine Datengrundlage für ihren Vorwurf, Ryanair sei besonders unpünktlich. "Die allermeisten Beschwerden erhalten wir wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge von Ryanair", schreibt sie.

Auch nach Daten von flightright.de, einem Wettbewerber von Büchners Portal, gehört Ryanair zu den unpünktlichsten Airlines, auch wenn der "Spitzenplatz" hier vom spanischen Billigflieger Vueling gehalten wird.

Dass Beschwerden über Unpünktlichkeit verstärkt gegen Billig-Airlines erhoben werden, findet Markus Föderl, Pressesprecher von refund.me, nicht überraschend. "Diese Fluglinien halten weniger Ersatzmaschinen und Ersatzpersonal bereit", sagt er im Gespräch mit der DW. "Irgendwo müssen die günstigen Preise ja herkommen."

Ryanair schlägt zurück

Ryanair hat auf den offenen Brief nun reagiert, und zwar ebenfalls mit einem offenen Brief. Den schrieb jedoch nicht Michael O'Leary selbst, sondern sein Kommunikationschef Robin Kiely. "Dear Eve", beginnt er, und weist sämtliche Vorwürfe als "unwahr" zurück. Ryanair sei auch deshalb so erfolgreich, weil das Unternehmen seinen Kunden "die meisten pünktlichen Flüge" aller großen Airlines in der EU biete.

Ryanair - Brief
Bild: ryanair

Auf welchen Daten diese Behauptung basiert, sagt Kiely nicht. Weil er sich aber auf absolute Zahlen bezieht, könnte sie durchaus zutreffen. Schließlich ist Ryanair die mit Abstand größte Airline in der EU. Schon der Zweitplatzierte, die Lufthansa Group, besteht aus mehreren Einzelgesellschaften, darunter Lufthansa, Austrian, Swiss und Eurowings.

Gegenüber DW teilte Ryanair mit, seine eigenen Erhebungen zur Pünktlichkeit regelmäßig zu veröffentlichen. Als Beleg für die Behauptung von Ryanair, "alle anderen Airlines in Europa" bei der Pünktlichkeit "zu schlagen", taugen die Angaben dagegen nicht.

Die Vorwürfe, seine Mitarbeiter schlecht zu bezahlen oder scheinselbständig zu beschäftigen, kontert Kiely so: "Wir bieten unseren Piloten gut bezahlte, sichere Jobs. Deshalb gibt es eine Warteliste von mehr als 3000 qualifizierten Piloten, die bei Ryanair arbeiten wollen."

Es folgt ein Seitenhieb auf die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa, die von ihren Piloten in den vergangenen Jahren häufig bestreikt wurde. "Vielleicht fühlen sich ja die Lufthansa-Piloten 'ausgebeutet'", schreibt Kiely, "bei Ryanair hatten wir solche Streiks nicht."

Kritik der Gewerkschaften

Das ist richtig - liegt aber daran, dass es bei Ryanair keine Gewerkschaften gibt. Mitarbeitern sei in den vergangenen Jahren sogar mit Jobverlust gedroht worden, sollten sie Kontakte zu Gewerkschaften aufnehmen, so die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), ein Dachverband von Gewerkschaften.

Ryanair wies diese Vorwürfe gegenüber DW zurück: "Dies ist in der 31-jährigen Geschichte von Ryanair noch nie vorgekommen", so Kiely.

Ein großer Teil der Piloten und Flugbegleiter bei Ryanair wird von Zeitarbeitsfirmen gestellt. Im Sommer 2016 nahm die deutsche Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen rund 100 selbständige Ryanair-Piloten auf. Der Verdacht lautet auf Steuerhinterziehung und Sozialbetrung, weil die Piloten 

nur scheinbar selbständig tätig sein könnten.

Deutschland | Ryanair startet bald auch von Frankfurt am Main
Gewerkschaften kritisieren Ryanair seit JahrenBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Die deutsche Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit kritisiert schon lange, dass etwa die Hälfte der in Deutschland eingesetzen Ryanair-Piloten scheinselbständig sind und zu deutlich schlechteren Bedingungen arbeiten als ihre angestellten Kollegen.

In seinem Antwortschreiben an Eve Büchner geht Ryanair-Kommunikationschef Kiely auf diese Vorwürfe nicht weiter an. Dafür attackiert er Entschädigungsportale wie Büchners refund.me als "wertlose und unnötige Dienstleistung".

Ryanair akzeptiere deshalb "von Entschädigungsjägern wie 'refund.me'" keine Anträge mehr. "Passagiere müssen ihre Entschädigung direkt bei uns beantragen", schreibt Kiely. So könne Ryanair sicherstellen, dass Entschädigungen "zu 100 Prozent direkt an sie" gezahlt wird, ohne Abzug der "überhöhten und unnötigen Gebühren" durch Entschädigungsportale. Auf Nachfrage der DW teilt Kiely mit, Ryanair habe die Zusammenarbeit mit solchen Portalen bereits Ende 2015 eingestellt.

"Rechtlich unzulässig"

"Wir halten das für rechtlich unzulässig", so refund.me-Pressesprecher Markus Föderl zur DW. "Hier wird versucht, geltendes Recht auszuhebeln." Laut Föderl laufen in dieser Sache bereits Klagen gegen Ryanair. "Unterdessen stellen wir aber weiter Anträge auf Entschädigungen für unsere Kunden."

Denn das von Ryanair geforderte Vorgehen, die Ansprüche selbst geltend zu machen, ist für betroffene Kunden oft mühselig. "Am häufigsten drücken sich Billig-Fluggesellschaften wie Ryanair, Vueling, Easyjet und TAP davor, ihre Passagiere zu entschädigen", heißt es in einem Bericht von Focus.de. "Diese Airlines reagierten häufig erst, wenn Passagiere einen Anwalt zur Hilfe riefen."

Laut Handelsblatt kommt die britische Luftfahrtaufsicht CAA in einem neuen Bericht sogar zu dem Schluss, dass sich nicht nur Billigflieger vor den Zahlungen drücken. Die CAA kritisierte die Fluggesellschaften Emirates, Etihad, Turkish Airlines, Singapore Airlines und American Airlines dafür, gar nicht zu zahlen. Bis auf bei Turkish Airlines gebe es bei den genannten Firmen nicht einmal eine Anlaufstelle für solche Beschwerden, so der Bericht.

 

Der Bericht wurde am 28.02.2017 aktualisiert (Anm. d. Red.).

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.