IEP-Mittagsgespräch mit S.E. Botschafter Peter Burian
Das IEP-Mittagsgespräch „Perspektiven der EU-Zentralasien-Beziehungen“ mit S.E. Botschafter Peter Burian, EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien, fand am 4. Juli 2017 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin statt.
Nach einer kurzen Einführung von Patrick Lobis, Referent für auswärtige und wirtschaftliche Angelegenheiten der Europäischen Kommission in Deutschland und Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik, begann Herr Burian mit seinem Vortrag. Im Allgemeinen bezog sich Herr Burian auf drei wesentliche Aspekte der EU-zentralasiatischen Beziehungen: die strategische Relevanz Zentralasiens für die EU, die jüngsten Entwicklungen und Herausforderungen der Region sowie den Beitrag der EU.
Die von der EU entwickelte Strategie für Zentralasien biete daher eine hervorragende Möglichkeit für eine Reflexion über die Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien, denn die zentralasiatische Region gestalte sich für die Union von entscheidender strategischer Wichtigkeit. Die EU sei dabei nicht nur ihrer Verpflichtung zu Sicherheit, Stabilität und nachhaltigen Wachstum sondern darüber hinaus um das bedeutende Potential des wachsenden Marktes für Handel und Investitionen bewusst. Dieses Verständnis über die spezifischen regionalen Herausforderungen stelle daher einen Wendepunkt für mehr Engagement der EU dar. Allerdings werde die gegenwärtige Entwicklung Zentralasiens durch verschiedene Probleme wie schwächelnde Konjunkturen, wachsenden Ungleichheiten aufgrund globaler Preisanstiege im Öl- und Erdgassektor, der Abwanderung von Arbeitskräften, der zunehmenden Präsenz des IS mit spezifischen Auswirkungen auf die Sicherheitslage der gesamten Region sowie den Folgen des Klimawandels und eine mangelnde Demokratisierung zunehmend beeinträchtigt. Die Machtwechsel in Usbekistan oder Kasachstan seien jedoch als positive Beispiele für eine vertiefte Kooperation mit der EU anzuführen, welche die Stabilität der Region nachhaltig beeinflussen könnten.
Von besonderer Relevanz sei es daher die zentralasiatischen Regierungen von einem verstärkten Dialog mit der Zivilgesellschaft zu überzeugen, um auf diese Weise mehr Raum für freie Meinungsäußerungen zu entwickeln, offenere Gesellschaften und Volkswirtschaften zu errichten sowie bereits initiierte Reformen umzusetzen. Aus diesem Grund habe die EU in den vergangenen zehn Jahren eine gut strukturierte Architektur für einen bilateralen und regionalen Dialog geschaffen. Darüber hinaus bestehe in der EU gleichermaßen das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft. Die zentralasiatischen Partner betrachten die EU daher als sog. „balancing power“ sowie als Quelle für Technologien und Investitionen. Im Gegensatz dazu sei es der EU durch ihre Präsenz in der Region möglich, Transformationsprozesse in Bereichen der Rechtsstaatlichkeit, „Good Governance“ und Menschenrechte zu formen.
Des Weiteren betonte Herr Burian ausdrücklich, dass die EU in Zentralasien weiterhin die Rolle eines bedeutenden Akteurs anstrebe. Zur Bewahrung ihres Einflusses müsse sich die EU daher auf Kooperationsmechanismen fokussieren sowie auf neue Tendenzen und veränderte Bedingungen in der Region wie des wachsenden politischen Einflusses Russlands, der wirtschaftlichen Vorherrschaft Chinas oder anderen Akteuren wie Iran oder Türkei, reagieren. Tatsächlich sei es notwendig die Stärken und Bedürfnisse der Akteure in einer Agenda der nachgiebigen Politik (soft policy) zu definieren. Optimismus für die Zukunft bereite dabei das Programm von 2014 bis 2020. Eine steigende Nachfrage nach Investitionen, nach fortschrittlichen Technologien sowie nach Kooperationen in Handel und Wirtschaft sollten daher keineswegs abgelehnt werden. Diesbezüglich bestünden bereits zur Unterstützung der Entwicklung des privaten Sektors Vorbereitungen zu einem neuen Programm. Herr Burian befürwortete darüber hinaus, speziell zur Unterstützung einer grünen Ökonomie sowie zur Verbesserung der Geschäftsbedingungen und des Investitionsklimas, eine stärkere Einbeziehung der europäischen Investitionsbank. Als ein weiterer entscheidender Faktor für die Entwicklung der zentralasiatischen Region gelte die Vernetzung aller relevanten Akteure. Auf diese Weise könnten sog. „Win-Win“-Kooperationen angestrebt werden. Im Allgemeinen sei die EU aufgrund einer eigenen Entwicklung von Visionen und Mechanismen zur Vernetzung, zwar für Kooperationen mit allen Akteuren der Region aufgeschlossen, jedoch nicht bereit als Unterauftragnehmer eines entsprechenden Projekts zu fungieren.
Des Weiteren kritisierte Herr Burian die aktuelle Kommunikationsstrategie der EU in der Region Zentralasiens. Zwar gelte die EU als größter Geldgeber der Region, Regierungen oder einzelne BürgerInnen würden jedoch keine oder nur begrenzte Kenntnisse über die verschiedenen Handlungen oder Investitionen der EU verfügen. Um die eigenen Ziele und Botschaften besser vermarkten zu können, müsse die EU eine neue effizientere Kommunikationsstrategie entwickeln. Eine Integrations-Konkurrenz bestehe zwar dennoch, allerdings beteilige sich die EU an keiner Rivalität um politischen Einfluss.
In der anschließenden lebhaften Diskussion mit dem Publikum wurde gleichermaßen über die demographische sowie infrastrukturelle Entwicklung sowie dem chinesischen Einfluss in der Region debattiert. Herr Burian wies zudem darauf hin, dass er keinen bedeutenden Zustrom von Migranten in die EU erkennen könne. Der Fokus liege ausschließlich auf der Errichtung von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie des Ausbaus der digitalen Vernetzung. Für die Entwicklung der Region sehe man darüber hinaus in China und Indien bedeutende Kooperationspartner.
Autor: Paul Leon Wagner