Positionen und Empfehlungen zum Thema "Wald im Klimawandel"

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Aufforstung Treuenbrietzen
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Göttinger Wald
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Treuenbrietzen: Aufforstung vs. natürliche Verjüngung
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Göttinger Wald
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Bestürzt haben wir das Programm des Waldgipfels zur Kenntnis genommen.

  • Nur ein einziger geladener Hauptredner spricht für die Perspektive des Waldnaturschutzes (Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring).
  • Mit Herrn Spellmann, dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik, räumt das BMLE einer Person eine wirkmächtige Position zum Auftakt des Gipfels ein, die unseren standortheimischen Buchen keine großen Chancen im Klimawandel einräumt.
  • Der große nationale Waldgipfel plant für Diskussionen im großen Plenum nur eine einzige Stunde ein. Das ist, milde ausgedrückt, niederschmetternd vor dem Hintergrund eines rapide voranschreitenden Klimawandels.
  • Die Überschriften der drei angebotenen parallelen Panels zeugen von einer ausschließlich ökonomisch geprägten Perspektive der Veranstalter*innen. Panel 1 möchte sich über die richtigen Baumarten austauschen, anstatt der Sukzession oder der natürlichen Verjüngung Raum zu gewähren. Panel 2 propagiert in seiner Überschrift die Finanzierung von Fördermaßnahmen, anstatt Ausgleichszahlungen für eine reduzierte Holzwirtschaft oder andere Maßnahmen, die Ruhe in den Wald bringen, zu erwägen. Panel 3 schreit nach Holz, anstatt auf eine Zügelung unseres Holzhungers, auf Recycling oder auf Kaskadennutzung einzustimmen.
  • Und das wars auch schon. Der Abschluss-"Diskussion" werden 20 Minuten gegeben.

Schlimmer kann es nicht kommen. Dieser Wipfelgipfel ist nicht einmal eine Beruhigungspille. Es ist ein offenes Statement, das eindeutig unter dem wirtschaftlichen Druck der Holzlobby entstanden ist. Der ökologischer Waldumbau und andere Klimaschutzmaßnahmen haben das Nachsehen.
 

Statt eines Katalogs von Forderungen greift ROBIN WOOD in diesem Beitrag ein paar exemplarische Praxisfragen auf und verdeutlicht die polaren Positionen zwischen Gewinnstreben und Waldnaturschutz. Der Beitrag soll Wissen um ökologische Prozesse vermitteln und den Weg bereiten hin zu altersdurchmischten, struktur- und artenreichen Wäldern, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind.
 

1. Die Mär vom schädlichen "Schadholz" und warum es liegen gelassen werden muss

"Ich kann nicht pflanzen, wenn noch Schadholz auf der Fläche ist", äußerte Frau Klöckner bei der Pressekonferenz nach dem Verbändegespräch am 28.08.2019 zum Thema Wald. Doch! Das können Sie und sollten Sie - unabhängig davon, ob es sich um Sturm, Borkenkäfer oder Feuerschaden handelt.

Warum die Märt existiert:

  • Das sogenannte "Schadholz" wirft weniger Profit ab, als frisch geschlagenes Holz ohne Schäden. Dennoch wirft es Profit ab. Und was Profit abwirft, soll verkauft werden um den Verlust abzudämpfen.
  • Wenn die Flächen leer sind, haben Waldbesitzende eine bessere Chance, die Auswahl der Baumarten über Setzlinge zu steuern.
  • Beides ist aus ökonomischen Gesichtspunkten verständlich, kann aber in Zeiten des Klimawandels kein Kriterium mehr sein.

Wissenschaftlich fundierte Gründe für den Verbleib des sogenannten "Schadholzes" auf den Flächen:

Die Bäume, die sich durch Windflug und durch den Transport von Samen durch Vögel und andere Tiere auf "unaufgeräumten" Flächen ansiedeln, sind ungleich stabiler, risikoärmer und resilienter, als die von Menschen gepflanzten Setzlinge.

  • Da sie aus einem nahen Umkreis stammen, sind sie standortangepasst.
  • Da sie vor Ort gekeimt sind, wachsen sie ohne die Störung des Um- und Einpflanzens heran und haben ein unbeschädigtes, gesünderes Wurzelwerk.

"Schadholz" bietet den Jungbäume aus natürlichen Verjüngung weitaus bessere Bedingungen.

  • Sie finden Schatten, einen besseren Feuchtigkeitshaushalt des Bodens und niedrigere Temperaturen. Außerdem sind sie nicht nur geschützter vor starker Sonneneinstrahlung sondern auch vor anderen Extremwetterlagen wie Hagel, Starkregen, Stürmen und Frostperioden. Alle Funktionen des "Schadholzes" für die Naturverjüngung sind insbesondere in den Zeiten des Klimawandels von außerordentlichem Wert.
  • Das "Schadholz" dient gleichzeitig als Nährstoffspeicher, auf den die Pflanzen im fortschreitenden Zersetzungsprozess zugreifen können.
  • Bei den derzeitigen Populationen von Wild ist das "Schadholz" eine der besten Schutzmaßnahmen vor Wildverbiss.

Weitere wichtige Funktionen des "Schadholzes":

  • Das "Schadholz" bedeutet einen Erosionsschutz für die Böden.
  • Bis zur vollständigen Zersetzung dient das Holz als zusätzlicher Wasserspeicher.
  • Das Holz dient bis zu seiner vollständigen Zersetzung als Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Die Artenvielfalt wird damit erhalten und gefördert. Dies ist insbesondere in Zeiten eines rasanten Artensterbens von enormer Wichtigkeit für stabile Ökosysteme.

Vom Borkenkäfer befallene Flächen befallen in Folge die Nachbarflächen?

  • Wenn es sich auf den Nachbarflächen um ähnlich strukturierte eher monokulturelle Flächen handelt, ist das durchaus so. Das bedeutet eine immense Umsatzeinbuße. Doch der Waldumbau wird dadurch ungleich schneller vorangetrieben als beim weitaus langsamerem Umbau von einer gleichaltriger Kultur hin zu strukturreichem Mischwald. Hierfür könnte es Ausgleichszahlungen geben.
  • Auch die "chaotische" Optik darf vor dem Hintergrund des Klimawandels nun wirklich kein Kriterium mehr sein.
  • Ist auf den Nachbarflächen ohnehin schon strukturreicher Mischwald zu finden, betrifft die Gefahr, wenn überhaupt, die wenigen Bäumen von der Art der Schadfläche. Dieses Risiko ist monetär verkraftbar und könnte subventioniert werden, wenn dadurch der Waldumbau nebenan so unvergleichlich schnell und kostenlos beschleunigt werden kann.

Anschauliches Beispiel Treuenbrietzen:

Ein Jahr nach den Bränden in Treuenbrietzen finden wir dort vor allem zwei verschiedene Bilder. Große leergeräumte Flächen, auf denen kleine Setzlinge ohne Schutz inzwischen zu ungefähr 50% vertrocknet und nicht zu retten sind. Das ist eine ökonomische und ökologische Katastrophe. Wenig entfernt finden wir die Flächen, die nach dem Feuer unverändert stehen gelassen wurden. Dort finden wir Bäume in der gleichen Größe wie die Setzlinge. Eichen, Buchen, Weiden, Birken, Fichten gar Ahorn und vieles mehr sind zu finden. Sie alle sehen äußerst gesund und stabil aus und haben sich kostenlos eingesät.

Beide Versuchsvarianten standen in der medialen Öffentlichkeit und stellen dualistische Waldvisionen dar. Hier wird das Scheitern der konventionellen Waldwirtschaft  offenbar, während der Erfolg eines naturnahen (Nicht-)Handelns sichtbar wird. Damit ist aus unserer Sicht offensichtlich, welchen Weg sollten wir in Zukunft präferieren sollten?

Auch stellt dieses Beispiel im Kontext der Aufforstung ein gutes Beispiel dar, warum der natürlichen Verjüngung auch im intakten Wirtschaftswald der Vorzug gegeben werden muss.
 

2. Die Mär von den "Gastbaumarten"

Die diskutierten "Gastbaumarten" haben alle etwas gemeinsam. Sie wachsen in der Regel schnell. Das bedeutet, sie versprechen ein profitables Geschäft.

Nachteile dieser Baumarten:

Bei Dürre und Hitze mögen sie evtl. überleben, aber der ökonomische Vorteil fällt weg - bei langanhaltenden Hitzeperioden wachsen auch die diskutierten "Gastbaumarten" nicht schneller als unsere heimischen Arten.

Die Waldbesitzenden wählen die jeweiligen Baumarten meist nicht auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern eher aus ökonomischen Gründen und können die Risiken meist nicht ausreichend abwägen.

100 Jahre wachse die Douglasie nun schon in Deutschland. Ja das stimmt. Das bedeutet nicht, dass ihr Passungsverhältnis zu unseren Ökosystemen schon hinreichend erforscht wurde. In der Regel ist die Douglasie aus Nordamerika gemeint. Frau Klöckner, wenn selbst Ihr wichtigster Wissenschaftsberater Herr Bolte vom Thünen Institut bei der Pressekonferenz nach dem Verbändegespräch zum Wald lapidar formuliert, man könne doch gut die Douglasie aus New Mexico pflanzen, die sei doch hitzeresistent, ist die Frage, wie weit die wissenschaftliche Begleitung empirisch gesichert, oder eher aus dem Bauch heraus verläuft. Zumal eine adäquate Beratung für jeden Winkel unserer Wälder und jede Bodenbeschaffenheit personell überhaupt nicht zu leisten ist.

Zum Risiko: Nicht nur hohe Temperaturen und Trockenheit sind die Bedingungen, die den Bedingungen am Herkunftsort gleichen sollten. Die Böden sind anders zusammengesetzt, das Ökosystem besteht aus anderen Arten, die ganz eigene spezifische Interaktionen untereinander vollziehen. "Schadinsekten" am Herkunftsort entpuppen sich hier eventuell als Katastropheninsekten. Ebenso verhält es sich mit den Pilzen und Viren. Welches Risiko gehen wir ein, wenn wir nun inflationär Bäume aus anderen Regionen der Erde anpflanzen? Da geht die Klimastabilität dahin.

Statt dieses risikoreichen Unterfangens müssen wir auf standortheimische Arten, vornehmlich durch die natürliche Verjüngung setzen. Wenn wir von standortheimischen Baumarten sprechen, dann meinen wir damit nicht nur die vier in der Bundeswaldagentur hauptsächlich veranschlagten Arten (in Deutschland existieren an die 50 Arten).

Wir sprechen uns nicht aus ideologischen Gründen, sondern aufgrund einer vielzahl an Forschungslücken und unachtsamen, aktionistischen Aufforstungen gegen die Anpflanzung von "Gastbaumarten" aus.

Wir drängen massiv auf die transparente Dokumentation und Zusammenfassung von allen bisherigen Forschungen zu allen diskutierten "Gastbaumarten", so dass ausnahmslos alle Waldbesitzenden und Interessierten darauf Zugriff haben. Welche Baumarten wurden auf welchen Böden und welchen Hanglagen in welcher Baum- und Artengesellschaft über welche Zeiträume getestet und welche Ergebnisse wurden erzielt? Ohne dieses Wissen ist jegliches Anpflanzen ein russisches Roulette.

 

3. Lokale Reformen neben nationalen Waldbildern

Alle nationalen Waldbilder werden uns nicht helfen, wenn auf lokaler Ebene in renommierten Forstämtern massive ökologische Frevel stattfinden. Da jahrzehntelange Anrufungen aus den Kreisen der Umweltverbände hier keine Wirkung erzielen, muss über eine staatliche Regulation und juristische Konsequenzen nachgedacht werden.

Nur zwei anschauliche Beispiele von hunderten:

  • Beispiel Nürnberger Reichswald: Der Nürnberger Reichswald verfügt über einen sehr ansehnlichen Teil an EU Vogelschutzgebieten. Jahr für Jahr findet dort zur Brutzeit Holzernte mit schwerem Gerät statt. Die EU-Vogelschutzrichtlinie verbietet das Zerstören bzw. Beschädigen von Nestern sowie gravierende Störungen der Vogelwelt, vor allem zur Brutzeit. Und auch der normale Menschenverstand verbietet die jährliche Zerstörung von Nestern und Nachwuchs geschützter Arten, in einem explizit als Schutzgebiet für diese Arten ausgeschriebenen Bereich.
  • Der Leipziger Auwald: "Mehr als 11 Tausend Festmeter Holz sollen nach diesem Plan in der kommenden „Einschlag“saison geerntet werden. Die beeindruckende Schutzgebietskulisse des Leipziger Auwaldes mit Natura 2000-Gebieten, Landschafts- und Naturschutzgebieten blieb dabei völlig unberücksichtigt. Die geplanten Einschläge machen auch vor den besonders wertvollen Hartholzauwäldern und Eichen-Hainbuchenwäldern nicht Halt und führen zu gravierenden Zerstörungen intakter Waldstrukturen und damit zu Verlusten wichtiger Lebensräume zahlreicher gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Tierarten wie Mopsfledermaus oder Eremit. In sogenannten Femellöchern – das sind kleinere Kahlschläge – sollen fast alle Bäume gefällt werden und in Intensivforstwirtschaftsmanier naturferne Monokulturen angebaut werden. Ähnlich rabiat ist die geplante Mittelwaldumnutzung inmitten eines Naturschutzgebietes, durch die intakter Hartholzauwald, der seit vielen Jahrzehnten vor forstlichen Eingriffen geschützt war, unwiederbringlich verloren geht. Durch sogenannte Sanitärhiebe sollen uralte Eschen gefällt werden, angeblich um Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Doch diese besteht im Wald so gut wie gar nicht und die geplante Erntemenge von mehr als 1.200 Festmetern zeigt, dass es hier um blanke wirtschaftliche Interessen geht." Ich zitiere hier den Vorsitzenden des Vereins Naturschutz & Kunst des Leipziger Auwald e.V., Wolfgang Stoiber, der in den letzten Jahren die juristischen Schritte gegen den Frevel vorangetrieben hat und bisher kein positives Ergebnis erzielte.

Passen diese Beispiele in ihr "weiterentwickeltes Leitbild zum Thema Wald" Frau Klöckner? Möchten Sie von weiteren hunderten anderen solcher Beispiele erfahren?

 

4. Massive Reduktion der Tierproduktion

In den Kanon der Maßnahmen des BMLE sowie ressortübergreifend muss die massive Reduktion der Tierproduktion aufgenommen werden. Von den Rodungen für Sojafuttermittelplantagen, Glyphosat und Landgrabbing im Amazonas abgesehen, resultiert unsere jährlich mit der Waldzustandserhebung gemessene Kronenverlichtung zu zwei Dritteln aus den Stickstoffemissionen der Landwirtschaft. Schauen Sie sich die Skalen des Zuwachses der Kronenverlichtung der letzten Jahrzehnte an. Dem Wald geht es inzwischen schlechter als in den 80ern. Ein Klimawandel, der auf einen derart geschwächten Wald trifft, hat ein leichtes Spiel, ihn umzublasen. Hinzu kommt der Flächenzuwachs für zukünftige Wälder durch weniger Viehhaltung.
 

5. Schonung der Wälder!

Wir müssen Holz sparen und den Holzkonsum reduzieren. Die Wohlstandsmaximierung braucht eine Umkehr.

Das gilt für die Waldbesitzenden aus unternehmerischer Sicht ebenso wie für alle Konsument*innen und die Produzent*inne von Konsumgütern. Hier sind neben freiwilligen Konsument*innenverhalten und Leistungen des Bildungssektors auch harte Regularien für die Unternehmen gefragt.

Der Druck vom Wald muss weg. Plastiktüten durch Papiertüten zu ersetzen, ist schlimmer als die Pest gegen die Cholera einzutauschen. Den lokalen Pelletofen als klimaneutralen Ersatz für das nationale Kohlekraftwerk zu verhandeln, kommt einem Todesurteil für die Wälder weit über Deutschlands Grenzen hinaus gleich. Der Einschlag in unseren Wäldern muss reduziert werden; vor allem muss er unabhängig von ökonomischen Gesichtspunkten verhandelt werden.

 

Epilog

Wenn nun die Wünsche der Akteure zusammengebracht werden sollen, wie es Frau Klöckner in der Pressekonferenz ankündigte, steht es schlecht um unsere Wälder. Denn der Wald wird nicht von etwaigen Wünschen oder Ideologien und rhetorischer Finesse profitieren, sondern von bedingungslosen Umweltschutzmaßnahmen.

Wir müssen doch jetzt das tun, was dem Wald gut tut!
Nach Zahlen des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2016 beträgt das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland im Jahr 2016 3478 Milliarden €. Der Anteil der Waldwirtschaft daran sind 3,6 Milliarden €. Das macht eine Wirtschaftskraft von 0,1 % für Deutschland. Das sind demaskierende Zahlen. Wenn wir dann noch gegenrechnen, was die Aufforstung kostet, insbesondere wenn fatale Verluste durch falsche Handhabe passieren, dann können wir uns Ruhe im Wald wahrlich leisten!

Wenn der Wipfelgipfel etwas bringen soll, dann müssen alle ihre Masken ablegen und kundtun, wofür sie eigentlich stehen. Akteure, für die der Profit, und zwar der kurzfristige maximale Profiterhalt, an erster Stelle steht, haben nichts zu suchen in dem Prozess auf der Suche nach einer zukünftigen Waldstrategie! Es geht hier um nichts weniger als um unser Überleben und dieser Lobbyismusfirlefanz ist in diesem Fall einfach nicht mehr angebracht!