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Nach Vorschlag von Habeck Bundesregierung lehnt Alleingang bei Aufnahme von Flüchtlingskindern ab

Grünenchef Habeck, Kirchen und Sozialverbände fordern die Aufnahme von Flüchtlingskindern aus überfüllten Lagern in Griechenland. Doch die Bundesregierung setzt auf eine europäische Lösung für das Problem.
Migranten im Lager auf Lesbos

Migranten im Lager auf Lesbos

Foto: Giorgos Moutafis / REUTERS

Die Bundesregierung hält nichts von einem Alleingang bei der Aufnahme von Kindern aus überfüllten griechischen Camps für Flüchtlinge und andere Migranten. "Wir suchen für die Zukunft nach einer europäischen Lösung", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. "Deutschland kann das nicht im Alleingang."

Der Bundesregierung sei es "natürlich ein Anliegen, die Lebenssituation aller Menschen vor Ort, auch der Kinder, zu verbessern", sagte Demmer. Nun gehe es aber "insbesondere darum, eine europäische Lösung zu finden". Ein Sprecher des Innenministeriums gab zu, dass die Lage der Flüchtlinge in Griechenland "nicht tragbar" sei. Aber auch er forderte eine europäische Entscheidung. Das Bundesinnenministerium verwies darauf, dass für die Kinder - anders als etwa bei der Seenotrettung - "keine unmittelbare Lebensgefahr" bestehe.

Grünenchef Robert Habeck hatte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" die Bundesregierung aufgefordert, bis zu 4000 Kinder von den griechischen Inseln zu holen - auch ohne europäischen Konsens. "Wir könnten doch wenigstens für die Kinder in der größten Not unmittelbare Hilfe leisten", sagte er.

In den Flüchtlingslagern auf den Inseln im Osten der Ägäis sind nach Angaben aus Athen um die 40.000 Menschen untergebracht, obwohl nur Platz für rund 7500 Menschen ist. Die Lage gerät zunehmend außer Kontrolle, die Zustände sind nach Berichten humanitärer Organisationen dramatisch. Griechenland rechnet im kommenden Jahr mit weiteren 100.000 Migranten, die aus der Türkei übersetzen.

Thüringen erwägt Alleingang

Auch der Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, forderte ein "humanitäres Zeichen". Im Radioprogramm Bayern 2 sagte er mit Blick auf Flüchtlinge in Griechenland und der Türkei: "Wenn die Regierungen dort es nicht schaffen, Zustände herzustellen, in denen die Menschen in Würde leben können, dann sollten alle zusammen helfen."

Bundesinnenminister Horst Seehofer warf Habeck "unredliche Politik" vor. Er selbst warne seit Monaten vor einer neuen Flüchtlingswelle, sei dabei aber "von zu vielen nicht ernst genommen worden", sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung".

Thüringen will minderjährige Flüchtlinge ohne Angehörige aus überfüllten griechischen Aufnahmelagern notfalls auch im Alleingang aufnehmen. Die von Thüringen bevorzugte Lösung sei zwar eine Hilfsaktion in der Regie des Bundesinnenministeriums, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums in Erfurt der Deutschen Presse-Agentur. Wenn es dazu aber nicht komme, wolle Thüringen selbst helfen. Derzeit liefen Absprachen zwischen dem Bildungs- und Migrationsministerium, hieß es.

Mit Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) sprach sich auch ein Vertreter der Bundesregierung für die Aufnahme von Flüchtlingskindern aus. "Zeigen wir endlich mehr Humanität und Solidarität, nicht nur zur Weihnachtszeit", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. SPD-Chefin Saskia Esken sagte der "Rheinischen Post": "Wir müssen die Situation vor Ort verbessern, aber auch die Aufnahme von geflüchteten Menschen in anderen Mitgliedsstaaten ermöglichen."

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete die Aufnahme der Flüchtlingskinder als machbar: "Die Aufnahme von 4000 Kindern und Jugendlichen würde weder die deutschen und erst recht nicht die europäischen Möglichkeiten überfordern."

Politiker von CDU und CSU sprachen sich allerdings gegen eine Aufnahme aus. Den Kindern "kann und muss am wirksamsten vor Ort geholfen werden", sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) der "Passauer Neuen Presse". CDU-Vizechef Thomas Strobl sagte den Funke-Zeitungen: "Das ist eine europäische Herausforderung, die wir mit der großen Kraft Europas lösen möchten." Ein "unabgestimmter deutscher Sonderweg" sei keine Lösung.

als/dpa/AFP