Liegt eine gültige Schweigepflichtentbindung des Patienten vor, können Ärzte einem Betreuer oder der Polizei Auskunft erteilen. Ohne diese Entbindung ist die Rechtmäßigkeit sorgfältig im Einzelfall zu prüfen.

Foto: mauritius images
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Im ärztlichen Alltag fallen viele hochsensible Daten an. Ein diskreter Umgang mit diesen Daten ist daher notwendig, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu gewährleisten. Dies hat einen derart hohen Stellenwert, dass es durch § 203 des Strafgesetzbuchs und das medizinische Standesrecht geschützt wird. Bereits das Gelöbnis, das zu Beginn der Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte abgedruckt ist, greift die ärztliche Schweigepflicht auf. Jeder Arzt hat die ihm „anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus“ zu wahren. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit ist jedoch nicht immer so einfach einzuhalten. Es gibt durchaus rechtlich legitimierte Ausnahmen, die ein Durchbrechen der ärztlichen Schweigepflicht erfordern.

Anfrage des Vormundes oder Betreuers

Immer wieder erreichen Ärzte Anfragen mit der Bitte um Auskunft oder gar Akteneinsicht. Verlangt der Patient selbst Einsicht in seine Krankenakte, muss ihm dies in der Regel ohne Einschränkung gewährt werden, wenngleich er idealerweise in einem Arzt-Patienten-Gespräch Einsicht nehmen sollte. Auch wenn ein gesetzlich bestellter Vormund oder Betreuer mit diesem Anliegen an den Arzt herantritt, hat er ein Recht auf Akteneinsicht. Ist beispielsweise ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise zu erledigen, kann das Betreuungsgericht einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter bestellen.

Die Betreuung ist immer auf jene Aufgaben beschränkt, in denen sie erforderlich ist. Mögliche Aufgaben sind Vermögensfürsorge, Postkontrolle, Aufenthaltsbestimmungsrecht oder Gesundheitsfürsorge. Ein Betreuer hat nur Recht auf Auskunft oder Akteneinsicht gegenüber dem Arzt, wenn die Auskunft für die Wahrnehmung seiner konkreten Aufgabe erforderlich ist und zwar nur im erforderlichen Umfang. So benötigt ein Betreuer im Aufgabenkreis Vermögensfürsorge beispielsweise keine vollumfängliche Einsicht in die Patientenakte. Das Recht auf Auskunft eines Betreuers kann zusätzlich durch den Willen des Patienten eingeschränkt werden, sofern er einsichtsfähig ist. Eine Offenbarung von Patientengeheimnissen gegen den Willen eines einsichtsfähigen betreuten Patienten ist nicht zulässig. Daher sollte jede Anfrage eines Betreuers vorab sorgfältig geprüft werden.

Anfrage von Ermittlungsbehörden und Gerichten

Anfragen von Ermittlungsbehörden oder Gerichten erzeugen meist eine besonders hohe Unsicherheit. Man möchte einerseits keine personenbezogenen Daten unbefugt offenbaren, gleichzeitig jedoch die Ermittlungsarbeit der Behörden, wie die Suche nach vermissten Personen oder Unfallopfern, nicht behindern. Grundsätzlich folgt aus der strafrechtlich fixierten ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB) ein Zeugnisverweigerungsrecht für Ärzte sowie deren Berufshelfer (§ 53 Abs. 1 Nr. und § 53 a StPO) gegenüber den Ermittlungsbehörden und vor Gericht.

Das im November 2015 in Kraft getretene Bundesmeldegesetz berechtigt Krankenhäuser jedoch dazu, gegenüber den zuständigen Behörden Auskunft in bestimmtem Umfang zu erteilen. Dieser umfasst Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und -ort (bei Geburten im Ausland auch den Staat), Staatsangehörigkeit, Anschrift sowie das Datum der Aufnahme und der Entlassung. Die Krankenhäuser dürfen Auskünfte jedoch nur erteilen, wenn dies zur Abwehr einer erheblichen und gegenwärtigen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten oder zur Aufklärung des Schicksals von Vermissten und Unfallopfern erforderlich ist. Den konkreten Grund für das Auskunftsersuchen muss die anfragende Behörde im Einzelfall darlegen. Eine vom Patienten verfügte Auskunftssperre greift in diesem Fall nicht. Jedoch dürfen Ärzte darüber hinaus auch gegenüber der Polizei, Staatsanwaltschaft oder den Gerichten keinerlei Auskünfte über Patienten erteilen.

Anders verhält es sich, wenn der Patient den Arzt von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft entbunden hat. Dann müssen Ärzte Auskunft erteilen. Sie ist jedoch auf den in der Entbindungserklärung festgelegten Umfang zu beschränken. Schweigepflichtentbindungen von Angehörigen sind grundsätzlich unwirksam, selbst wenn der Patient bereits verstorben ist. Dennoch können Angehörige und Erben nach § 630 g Abs. 3 BGB ein Recht auf Einsicht in die Patientenakten haben.

Wenn Gefahr im Verzug ist

Das Zeugnisverweigerungsrecht wird durch das Beschlagnahmeverbot (§ 97 StPO) auf alle Aufzeichnungen, Mitteilungen und Gegenstände der ärztlichen Untersuchungsbefunde erweitert, die sich im Gewahrsam des Krankenhauses befinden. Dazu zählt auch die Patientenakte. Als Folge darf das Krankenhaus Unterlagen nur herausgeben, wenn entweder der Patient eine Entbindung von der Schweigepflicht vorgenommen hat oder die Ermittlungsbehörden einen Beschlagnahmebeschluss vorweisen, den in der Regel nur ein Richter ausstellen kann. Ausnahme: Wenn durch den Zeitverlust beim Einholen einer richterlichen Genehmigung Beweismittel verloren gehen können, ist „Gefahr im Verzug“. Dann sind auch Polizei oder Staatsanwaltschaft berechtigt, eine Beschlagnahme anzuordnen.

Liegt ein gültiger Beschlagnahmebeschluss vor, müssen die Unterlagen im Original herausgegeben werden. Dabei gilt, unbedingt den genauen Umfang der Anordnung zu beachten, also auf welche Unterlagen sich diese konkret bezieht. Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, sollten von allen Dokumenten Kopien angefertigt werden, bevor die Unterlagen herausgegeben werden. Zusätzlich sollten im Beschlagnahmeverzeichnis alle herausgegebenen Dokumente vollständig aufgeführt sein.

Widerspruch gegen die Beschlagnahme

Wenn die Ermittlungsbehörden keinen Beschlagnahmebeschluss vorlegen können, sollten Krankenhausmitarbeiter der Herausgabe ausdrücklich widersprechen und auf eine Dokumentation des Widerspruchs im Beschlagnahmeprotokoll bestehen. Fordern die Behörden dennoch die Herausgabe der Unterlagen, muss das Krankenhaus die Beschlagnahme dulden. Die Mitarbeiter sollten den Beamten dann jedoch lediglich zeigen, wo die Unterlagen lagern, diese jedoch nicht aktiv herausgeben.

Dr. Henning Kropp, Seniorberater

Dr. Uwe Günther, Geschäftsführer

Sanovis GmbH

81679 München