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Webwelt & Technik Profi-Gamer

Durch Daddeln zum Millionär werden – oder zum Wrack

Computerspielen ist der Wettkampf der Zukunft

Zocken gegen Geld - der Traum vieler Pubertierender, der immer öfter Wirklichkeit wird. „Die Welt“ erklärt das Phänomen, und N24 sendet dazu eine große Reportage am 6. Oktober um 16:05 Uhr.

Quelle: Die Welt

Autoplay
Computerspieler sind die Gladiatoren unserer Zeit: Die digitalen Wettkämpfe im E-Sport locken Zehntausende Fans in die Arenen, Millionen schauen im Netz zu. E-Sport kann reich machen, aber auch krank.

Jeden Monat spielen mehr als 67 Millionen Gamer „League of Legends“, eins der derzeit beliebtesten Computerspiele - das sind mehr Menschen als die Einwohner Frankreichs. Den Gewinnern einer E-Sport-Weltmeisterschaft winken Millionengewinne.

Alle E-Sportler haben eins gemeinsam: eine exzellente Koordination zwischen Gehirn, Augen und Hand. Doch bevor es in die 11.000-Mann-Arena zur WM gehen kann, müssen sich Spieler in einer „europäischen Liga“ durchsetzen. Die „Unicorns of Love“ sind eins der vielversprechenden Teams im „League of Legends“-Wettkampf. Die Leute arbeiten sechs Tage pro Woche und sind sehr fokussiert. Sie sind von der Heimat weg, und eigentlich arbeiten sie genauso hart wie jeder andere Sportler“, sagt der Trainer der „Unicorns“, Fabian Mallant. „E-Sport ist wie Schach, nur dynamischer“ – ein Vergleich, den Fabian gerne zieht.

Weil der Spielehersteller seinen Sitz in Berlin hat, leben auch die Teams hier. Eine Trennung zwischen Beruf und Privatleben gibt es nicht mehr – sie leben alle gemeinsam in einem „Gaming House“. Der Keller ist der Trainingsraum, hier trainieren die Spieler bis zu 12 Stunden am Tag. Privatsphäre gehört zur Vergangenheit: Es wird zusammen gekocht, geschlafen und gezockt. Die Truppe ist international, so wie alle anderen Profi-Teams im Echtzeit-Strategiespiel „League of Legends“. Trainer Fabian, selbst Ex-Profi-Gamer, ist das Bindeglied in der Mitte, das die fünf Spieler in die richtige Richtung lenkt.

So hart die Pro-Gamer auch arbeiten, der E-Sport wird gesellschaftlich wenig anerkannt. „Ich glaube, unser Job wird für Menschen erst dann greifbar, wenn es ums Geld geht“, meint Romain Bigeard, der Manager des Teams. „Ich kann stundenlang über unsere Arbeit sprechen, doch die Leute vertrauen mir nicht“. Bei der letzten „Dota 2“-Weltmeisterschaft gingen die fünf Gewinner mit über sechs Millionen Euro nach Hause. Spätestens angesichts dieser Summen würden die Menschen merken, dass E-Sport ein richtiges Geschäft ist, erklärt Romain.

Im Freestyle-Samurai stecken 200 Stunden Handarbeit

Eine Parallelwelt zum E-Sport ist der japanische Exportschlager „Cosplay“, der inzwischen auch wettbewerbsmäßig betrieben wird. Der Verkleidungstrend ist in den 1990-er Jahren aus Asien nach Europa und Nordamerika übergeschwappt. Dabei geht es darum, so präzise wie möglich Charaktere aus Filmen, Comics oder Computerspielen nachzustellen. Cosplayer treten nach monatelanger Vorbereitung auf Messen und bei E-Sport-Turnieren auf. Die deutsche Cosplay-Szene umfasst laut Schätzung der Plattform „Jugendszenen“ bis zu mehrere Tausend aktive Verkleidungskünstler.

Romain Bigeard ist als Einhorn verkleidet: Er managt das Esports-Team der Unicorns
Romain Bigeard ist als Einhorn verkleidet: Er managt das Esports-Team der Unicorns
Quelle: E-Sports

Simone Nauendorf bereitet sich wie jedes Jahr auf die Gamescom in Köln vor, die größte Spielemesse der Welt. Ihr Kostüm ist dieses Jahr frei erfunden. In ihrem knallroten, gummi-artigen Mini-Kleid mit Overknee-Stiefel und Maske posiert sie für die Fans: der typische Alltag eines Cosplayers. „Du willst gesehen werden und du willst auch andere sehen, es ist natürlich schon ein bisschen Schauspielern“, sagt Simone. Ihre Kostüme bastelt sie selbst, meist aus Moosgummi und Worbla, einem thermoplastischen Material, das man durch Erhitzen formen kann. In ihrem diesjährigen Freestyle-Samurai stecken 200 Stunden Arbeit.

Während Cosplayer und Gamer auf den Bühnen der E-Sportturniere zu Hause sind, sind die Spielehersteller die Stars backstage. „Für die Entwickler ist E-Sport in erster Linie ein Marketingtool, das heißt, die Entwickler machen damit kein Geld, das gehört nicht zu ihrem Kerngeschäft“, erklärt Thiemo Bräutigam, Chefredakteur des „Esports Observer“. Indem man die besten Spieler des eigenen Spiels zeigt, biete man dem Nachwuchs etwas zum Nacheifern, so Bräutigam, der natürlich auch Gamer ist: „Die sehen einen total spektakulären Angriff von ihrem Lieblingsspieler und wollen das auch können, so wie der kleine Junge davon träumt, der nächste Lionel Messi zu werden“.

Als Teenie über Nacht zum Millionär

Die derzeit größten Titel im E-Sport sind die amerikanischen Spiele „League of Legends“, „Dota 2“ und „Counter Strike“. Bei Counter-Strike geht es um Kills aus der Egoperspektive. Bei „League of Legends“ und „Dota 2“ wird in Echtzeit auf Strategie gespielt, eine feindliche Festung soll erobert werden. Für die Meisterschaften sind die Spiele im Multispieler-Modus angelegt, man kann sie aber auch alleine zu Hause spielen. Sehr beliebt im E-Sport sind auch Simulationen wie das Fußball-Videospiel „Fifa“.

Doch nicht nur die Spielehersteller locken mit ihren Turnieren Millionen Menschen vor die Bildschirme. Die „Electronic Sports League“, kurz ESL, ist die älteste E-Sport-Liga der Welt und fungiert auch als Ausrichter von digitalen Wettkämpfen. ESL-Manager Ulrich Schulze trifft man oft auf den großen E-Sport-Veranstaltungen, wie der „ESL One“ in Köln. Hinter ihm tobt die Menge, an diesem Tag sind mehr als 10.000 E-Sport-Fans in die Lanxess Arena gekommen, um das Counter-Strike-Turnier zu sehen: „Also alles, was im Bereich E-Sport läuft, das versuchen wir abzubilden, mit der ganzen Ligenstruktur von kleinen Turnieren für Amateure und Einsteiger bis hin zu den großen Profi-Turnieren, wo es dann eben um sehr hohe Preisgeldsummen geht.“

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Bei den großen Turnieren fangen die Preisgelder bei mehreren Hundert Tausend Euro an. Das bisher höchste Preisgeld waren sechs Millionen Dollar für ein Fünf-Mann-Team: eine Branche also, in der ein 20-Jähriger über Nacht zum Millionär werden kann.

Die Preisgelder finanzieren sich hauptsächlich durch den Verkauf der Spiele und durch Sponsoren. Trotz immenser Teilnehmer- und Zuschauerzahlen machen die Spieleentwickler nicht mit den Turnieren das große Geld. Der Spielehersteller „Riot Games“ konnte Ende 2015 Spieleeinnahmen von mehr als 1,4 Milliarden Euro verbuchen. Hauptgrund dafür sind die sogenannten „skins“, eine rein kosmetische Spielerei. Wer das Aussehen seines Lieblingscharakters personalisieren möchte, wird zur Kasse gebeten. Die besonderen „Looks“ für die Champions starten bei 1 bis 2 Euro und gehen hoch bis etwa zehn Euro. Bei 67 Millionen Spielern allein im Monat kommt Einiges zusammen. An der Kampfkraft des Charakters ändern die Skins allerdings nichts.

Computerspielsucht als anerkannte psychische Störung

Doch was für manche Reichtum und Karrieresprungbrett bedeutet, treibt andere in die blanke Verzweiflung. Manche Spieler kommen von ihren Bildschirmen einfach nicht mehr los. Computerspielsucht ist seit 2013 eine anerkannte psychische Störung. „Irgendwann in letzter Zeit war es so, dass ich tagsüber angefangen habe zu spielen, also irgendwie um 12 oder 14 Uhr aufgestanden bin, mich direkt vor den Computer gehockt und dann den ganzen Tag und die ganze Nacht gespielt habe, also schon 15 Stunden am Tag oder so“, gesteht Denis. Seine Stimme bricht fast weg, er möchte vor der Kamera nicht erkannt werden.

Es ist wie eine Alkohol- oder Drogensucht: Ähnlich wie man unkontrolliert trinkt, spielt man hier exzessiv und verspürt dabei eine Belohnung. Vor allem junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren fallen dieser Sucht zum Opfer. Die Symptome: Sozialer Rückzug, Kontrollverlust, Leistungseinbruch in der Schule oder im Beruf, Schlafstörungen.

Oft nutzen Süchtige das Spielen, um sich in eine Parallelwelt zu flüchten und dadurch innere Konflikte oder traumatische Erlebnisse zu verdrängen. „Außerhalb vom Computerspiel hat man wenig Freunde, während man aber Computer spielt, hat man viele Freunde“, sagt Patrick, ebenfalls Computerspielsüchtiger. „Außerhalb des Computers war ich jetzt kein Loser – aber ich war jetzt auch nicht der Beste in irgendetwas, man steigert dadurch auch sein eigenes Selbstvertrauen.“

Die Uniklinik Mainz bietet eine ambulante Therapie gegen Computerspielsucht an. Mit einer speziellen Methode kann die Sucht sogar im Gehirn festgestellt werden. Eine Elektrodenkappe auf dem Kopf des Patienten misst die Gehirnströme. Zeigt man ihm Bilder aus einem Computerspiel, so reagiert das Gehirn eines Süchtigen viel stärker als das eines gemäßigten Spielers. In schweren Suchtfällen muss sogar stationär therapiert werden. Dazu gehören eine Kreativ- und Tanztherapie, die Patienten unter anderem ermöglicht, körperliche Nähe wieder zuzulassen. Bei der ambulanten Therapie kommen die Patienten zweimal wöchentlich zu Gesprächen in die Klinik. Und sie verpflichten sich zur Abstinenz.

Riskanter Spielerwechsel in der Qualifikationsphase

Zurück in Berlin, im Gaming-House der „Unicorns of Love“ plagt die Spieler ein ganz anderes Problem. Ihr russischer Spieler musste sie verlassen – sein Visum wurde nicht verlängert. Mitten in der Qualifikationsrunde für die WM. Ein Ersatzspieler aus Schweden ist gerade angekommen: Rudy wird der Einzige im Team sein, der „League of Legends“ noch nie auf Profi-Ebene gespielt hat. Mit 21 Jahren hat er sich gegen ein Studium und mit dem Umzug nach Deutschland für eine Pro-Gamer-Karriere entschieden. Er wird das Team heute Abend retten oder ins Unglück stürzen.

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Manager Romain weiß, dass auf der Bühne immenser Stress und Druck herrschen: „Es ist wie im Fußball: Es macht einen Unterschied, ob du Sonntagabend mit deinen Freunden spielst oder bei einem richtig großen Turnier.“ Dazu kommt noch die Einarbeitung mit den neuen „Arbeitsutensilien“. Denn das, was dem Profi-Tennisspieler sein Schläger ist, ist dem Pro-Gamer sein Equipment. Maus, Tastatur, Stuhl und Kopfhörer müssen perfekt auf den Spieler zugeschnitten sein. Nur so kann er seine außergewöhnliche Leistung im Spiel auch abrufen. Stühle müssen ergonomisch sein, Mäuse perfekt in die Hand passen, Kopfhörer einen klaren Sound wiedergeben und Tastaturen schnell reagieren.

Wenn Computernerds zu Stars werden

„Du bist ein Spinner“: So urteilte ein Familienmitglied über Maurice Stückenschneider. Doch der beweist: Man kann vom Computerspielen gut leben. Er verdient pro Jahr einen hohen fünfstelligen Betrag.

Quelle: Die Welt

In Europa kämpfen E-Sportler noch um gesellschaftliche Akzeptanz - in Südkorea genießen sie den Status von Popstars, und das schon seit Jahren. Es ist aber nicht nur die gute Netzinfrastruktur des hypermodernen Landes, die das möglich gemacht hat. „Der E-Sport ist nicht so verpönt, es gibt weniger diese Stereotypen vom pickligen Kellerkind, das mit Mitte 20 oder Mitte 30 noch im Keller seiner Eltern wohnt“, erklärt Thiemo Bräutigam, Chefredakteur des „Esports Observer“.

Zudem gehe die kulturelle Akzeptanz mit einer breiten gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz einher. Die KESPA, die „Korean Esports Association“, fungiert wie eine Art Fifa oder Olympischer Sportbund. Als Behörde vermittelt sie zwischen der Politik, der Wirtschaft und dem E-Sport und sorgt für breite Anerkennung.

Südkoreaner sind in Sachen Technologie Early-Adopter: Sie sind immer unter den ersten, die neue technische Errungenschaften übernehmen. Wenn ein neues IT-Produkt in Südkorea Erfolg hat, ist zu erwarten, dass es sich auch im Rest der Welt durchsetzt. Südkoreaner richten nicht nur gigantische Events aus, sie haben auch extrem erfolgreiche Spieler. Die Kombination macht das Land zu einem Mekka für E-Sport-Fans aus aller Welt. Ein Mekka, das aber auch seine Schattenseiten hat. Die Industrie ist voll ausgewachsen, die gehandelten Summen immens hoch, der Konkurrenzdruck für E-Sportler kaum auszuhalten. Es kam schon so weit, dass ein Spieler nach einem Wettskandal versuchte, sich das Leben zu nehmen.

Komplexe Strukturen

Wie ernst und komplex das Geschäft mit den elektronischen Wettkämpfen ist, wird bei der Strategiebesprechung der „Unicorns of Love“ noch deutlicher. Dafür nehmen sie sich jeden Tag mindestens zwei Stunden Zeit. Strategisches Denken, ein gutes Gedächtnis, Teamplay und Disziplin sind hier enorm wichtig.

Das strategisch Wichtigste ist zu entscheiden, welcher Spieler mit welchem Charakter von „League of Legends“ spielen soll – ähnlich wie ein Golfspieler für jeden Schlag den richtigen Schläger braucht. Bei knapp 130 sogenannten „Champions“ gibt es Tausende Kombinationsmöglichkeiten. Es geht auch darum, das gegnerische Team zu verstehen und dessen Schritte vorauszusehen. Dazu haben Profi-Teams ihre eigenen Analysten, die die Spielweise der Gegner für sie untersuchen, zusammenfassen und interpretieren.

Nachdem die wahrscheinlichsten Szenarien für den Wettkampf durchgespielt sind, geht es noch einmal an die PCs. Während des eigentlichen Spiels wird Coach Fabian mit seinen Spielern nicht kommunizieren dürfen. Deshalb wird der Schlachtplan vorher entwickelt. Bei einem Trainingsmatch beobachtet der Coach die Spielweise des Teams, besonders die des neuen Mitglieds Rudy. In der Feedback-Runde steht fest: Rudy muss an seinem Team-Play noch arbeiten. Dann wird es auf einmal hektisch. Denn gleich kommt der Shuttlebus, der sie zur Wettkampf-Arena bringt. Gewinnen sie heute, rücken die „Unicorns“ dem Traum vom Weltfinale näher. Die sechs besten Teams qualifizieren sich für die Playoffs. Sonst droht die Relegation.

Die Alternative zum Doping sind „Cheats“

Wettkämpfe, die inzwischen vor Millionen Menschen ausgetragen werden, üben einen enormen Druck aus. Auf die Profi-Spieler, ihre Teams und die Organisationen. Doping wird auch hier zum Thema. Es kursieren Gerüchte über die Einnahme von Amphetaminen zur Leistungssteigerung. „Du könntest zwar Substanzen benutzen, um deine körperliche Leistung zu verbessern, aber am Ende ist ein Computerspiel ein Stück Software, ein Programm, also könntest du einen ,Cheat‘ benutzen“, meint Manager Romain Bigeard, der im E-Sport sowohl auf Spieler- als auch auf Entwicklerseite tätig war. „Es ist ein Videospiel, kein Fußballspiel, es besteht praktisch aus einem Code, aus einer Reihe von null, eins, null, eins, null eins.“

So mächtig sind Cheats in Computerspielen

Ein paar Zeilen Code können E-Sportlern zum Sieg verhelfen. Manche Cheats übernehmen fast jede Aktion für den Spieler. Wie geschickt die Hacker sind, verrät Kommentator Timo Prestin.

Quelle: Die Welt

Ein Cheat ist die technische Möglichkeit, im E-Sport zu betrügen. Über eine eingeschleuste Software verbessert man seine Spielleistung - zum Beispiel das sogenannte Aiming, also die Genauigkeit, mit der man auf einen Gegner zielt und schießt. Nach Betrügereien bei „Counter-Strike“-Turnieren beschlossen die Hersteller, dagegen vorzugehen. Es begann ein Wettrüsten mit Anti-Cheat-Programmen. Diese sollen, ähnlich wie Antivirenprogramme, die unerlaubte Software „aufspüren“. Wer erwischt wird, kriegt im Regelfall eine lebenslange Sperre – die Karriere ist vorbei.

Die Cheating-Software wird von sogenannten Codern programmiert. Dass sie diese an Spieler verkaufen, ist nicht illegal, dass man sie anwendet, schon. Wer auffliegt, schadet der Glaubwürdigkeit der gesamten E-Sport-Branche. Es sind nicht nur die Anti-Cheat-Programme, die die Betrüger überführen sollen. Bei den Profi-Turnieren gelten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Auf den großen Turnieren werden die Rechner gestellt, alles ist vorinstalliert, die Spieler dürfen nur das Spiel starten und ihre Einstellungen vornehmen. Eigene USB-Sticks, Maus und Headset mitzubringen, ist ein absolutes Tabu. „Ein Cheat auf der Maus, die über USB angeschlossen wird und sich dann selbst in das Spiel einfügt, wäre durchaus denkbar gewesen“, erklärt Counter-Strike-Spezialist Timo Prestin.

Dopen für den digitalen Sieg

400 mal pro Minute hacken Spitzen-E-Sportler auf Tastatur und Maus ein - und das stundenlang. Doch wie halten sie diese Leistung? Nun gibt es einen ersten Doping-Verdacht im E-Sport.

Quelle: Die Welt

Auf den Turnieren gelten Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Die Spieler werden gefilzt, bevor sie auf die Bühne dürfen: Hier wird nicht nach Messern oder Sprengstoff gesucht, sondern nach „elektronischen Waffen“, also jeder Art von Gerät, die eine Betrug-Software transportieren könnte. Die hohen Gewinne treiben so manchen Jugendlichen in die Illegalität. Doping, Betrug-Software und Wettskandale stellen die junge Branche auf eine harte Probe.

"Wer glaubt, das sei nur ein Computerspiel, schadet sich massiv"

Doch die Gefahren im elektronischen Sport lauern auch woanders. Zwar sitzen die Spieler vor dem PC – das, was sie tun, ist dennoch eine körperliche Höchstleistung. Frank Thomas ist Handchirurg, zu ihm kommen die Pro-Gamer, wenn sie Angst um ihre Karriere haben: „Man muss wissen, dass professionelle Spieler bis zu 400 Aktionen an Maus und Tastatur pro Minute durchführen. Durch diese sich wiederholenden monotonen Bewegungsabläufe von Arm und Hand kann es dann zum RSI-Syndrom kommen.“ Das RSI-Syndrom kennt man auch als Mausarm: Schultern, Rücken, Arme und Hände schmerzen. Anfangs nur während man den Arm belastet, später dann auch in den Ruhephasen.

Zocken bis der Arzt kommt - Das Karpaltunnelsyndrom

Professionelle Computerspieler leiden durch ihre regelmäßige und einseitige Belastung ohne Pausen an ähnlichen Symptomen wie Leistungssportler. Handchirurg Frank Thomas erklärt das berüchtigte Karpaltunnelsyndrom.

Quelle: Die Welt

Und es kann noch schlimmer kommen: Sobald der Karpaltunnel im Handgelenk anschwillt, muss er operiert werden. Thomas räumt Betroffenen nach diesem Eingriff keine Chance mehr ein, 400 Aktionen pro Minute zu tätigen. Daher essenziell zur Prävention: ein ergonomischer Arbeitsplatz und regelmäßige Pausen. „Einige der besten ,Starcraft‘-Spieler mussten ihre Karrieren beenden, weil sie ihre Hände nicht mehr belasten konnten. Wer nicht gut auf sich aufpasst, weil er denkt, es sei ja nur ein Computerspiel, der schadet sich massiv“, warnt Unicorns-Manager Romain, der seine Spieler jeden Tag ins Fitnessstudio begleitet.

Auf die Arbeitsunfähigkeit mit 20 sind die Profi-Spieler nicht gefasst. Viele von ihnen haben nicht studiert, manche zugunsten der Pro-Gamer-Karriere nicht einmal einen Schulabschluss gemacht.

460.000 Jahre Gaming-Videos im Livestream

Dass aus E-Sport riesige Gewinne geschöpft werden können, merkte auch Amazon und kaufte die Plattform „Twitch.TV“. Das ließ sich der Versandriese 970 Millionen Dollar kosten: Ein Gamer-Portal, das nicht nur Amazon reich macht, sondern auch die Spieler. Romain Bigeard erklärt den E-Sport gern mit Fußballvergleichen: „Ronaldinho bekommt sein Gehalt von seinem Fußballclub, aber er hat auch Werbeeinnahmen. Er muss nur einen guten Werbeauftrag bekommen und kriegt Millionen. Ähnlich ist das bei E-Sportlern, nur dass sie noch eine weitere Einnahmequelle haben, durch Streaming“. Das bedeutet, dass sie von zu Hause aus spielen - je besser sie sind, desto mehr User schauen ihnen online zu, zum Beispiel auf der Plattform „Twitch“.

Mehr als 100 Millionen Gamer nutzen Twitch monatlich. 1,7 Millionen streamen ihre eigenen Videos. Die Gesamtdauer der im Jahr 2015 angeschauten Videos beträgt knapp 460.000 Jahre. Und das Ganze ist ein einträgliches Geschäft, wie auch Thiemo Bräutigam vom „Esports Observer“ über die Jahre festgestellt hat. „Das ist sehr lukrativ, das führt beispielsweise dazu, dass einige Profispieler innerhalb kürzester Zeit, wenn die sich eine große Marke aufgebaut haben, einfach aufhören, als Profis zu spielen.“

Auf beliebten Kanälen gehört es zum normalen Tagesgeschäft, dass mehr als sechs Millionen Menschen in einen Live-Stream einschalten.  „Die ganz erfolgreichen Streamer aus China oder den USA verdienen damit unglaubliche Summen, bis zu einer Million Dollar im Jahr“, sagt League-of-Legends-Manager Romain. Einkommengenerieren funktioniert auf drei verschiedenen Wegen: Neben dem klassischen Sponsoring-Modell durch vorgeschalteter Werbung verdienen Streamer Geld mit „donations“, den freiwilligen Spenden ihrer Fans. Nicht zuletzt nutzt die extrem erfolgreiche Plattform auch Gamification-Elemente. Streamer verdienen auf spielerische Weise Geld, indem sie Grüße ihrer Fans gegen Bares im Streaming-Chat einblenden.

So bereichern sich Tickethaie an den E-Sport-Fans

Die E-Sport-Fans strömen zu Tausenden in die Stadien und jubeln ihren Stars zu. Doch dafür müssen viele von ihnen hohe Preise zahlen: Tickets gibt es oft nur noch auf dem Schwarzmarkt.

Quelle: Die Welt

Zurück in der Hauptstadt geht die Reise vom Kinderzimmer ins Millionengeschäft weiter. Jede Woche tragen die „Unicorns of Love“ in einem Studio in Berlin-Adlershof zwei Wettkämpfe aus. Die 10 besten europäischen Teams treten gegeneinander an: Wer sich durchsetzt, darf zum Weltfinale. Die letzten Minuten vor dem Spiel laufen, die Unicorns beobachten ihre Gegner. Jeden Abend werden mehrere Partien gespielt. Ein Spiel dauert bis zu 40 Minuten. Die „Unicorns of Love“ warten auf ihren Einsatz, dazu gibt es ein Abendbüffet vom Spielehersteller.

Trainer Fabian macht letzte Notizen, Manager Romain motiviert heute als Team-Maskottchen in einem Ganzkörper-Einhorn-Kostüm. Durch die Maske müssen die Spieler jedes Mal, denn zum Profi-Geschäft gehört auch ein makelloses Aussehen vor den Kameras. Letzte Anweisungen vom Coach, bevor er die Bühne verlässt. Doch genau zum Anpfiff fehlt der neue Spieler Rudy, er muss noch einmal auf die Toilette - die Bühnenerfahrung ist für manchen Anfänger einfach zu viel. Die Showcaster - das Äquivalent der Fußballkommentatoren - schreien sich bei Rudys Rückkehr schon einmal warm, das Publikum tobt, als wäre ein Superstar auf die Bühne zurückgekehrt. Jetzt liegt das Schicksal des Teams nur noch in den Händen und Fingern der Spieler.

Der niederschmetternde Endkampf in Berlin

Bisher haben die „Einhörner“ eine gute Saison gespielt. Gefürchtet bei ihren Gegnern: Der dramatische Spielstil und ihre notorische Unberechenbarkeit. Sie sind ein junges Team, das schnell aufgestiegen ist: Umso größer ist der Druck auf Neuzugang Rudy. Trainer Fabian ist zufrieden, sein Blick klebt am Spielbildschirm. Rudy holt für sein erstes Spiel wohl das Maximum heraus.

Die Unicorns wollen die Gegner von Team Roccat heute mit einer „Spätspiel“-Strategie besiegen. Sie haben sich also Spielcharaktere ausgesucht, die erst in der zweiten Hälfte des Spiels ihre wahre Größe zeigen. Mit ihnen setzen sie zu einem niederschmetternden Endkampf an. Und dann geht alles ganz schnell: Die Festung der Gegner ist gefallen, das Team der Unicorns ihrem Traum einen Schritt näher.

Ein weiterer erfolgreicher Abend für die Jungs. Es hat sich wieder gelohnt, den hohen Preis für die Pro-Gamer-Karriere zu zahlen: Heimat und Familie zu verlassen, Studium oder Schule abzubrechen, Gesundheit zu riskieren, die gewohnte Umgebung gegen ein Leben im Rampenlicht einzutauschen. Ihr Traum vom Weltfinale vor Millionenpublikum in Los Angeles ist nun zum Greifen nahe.

E-Sportler sind die Gladiatoren unserer Zeit. Sie sitzen vor ihren Computern und Zehntausenden Zuschauern und können über Nacht zu Millionären werden. Doch die junge und schnell wachsende Branche zeigt auch ihre Schattenseiten: Von Sucht über Doping bis hin zu Software, die Spiele manipuliert. Ein Ende ist für den elektronischen Wettkampf nicht in Sicht: Die Zukunft wird neue Rekorde bei Zuschauerzahlen, internationale Megakonzerne als Investoren und horrend steigende Preisgelder bringen.

Sehen Sie eine große N24-Reportage zum Thema E-Sport in Erstaustrahlung am Donnerstag, 6. Oktober um 16.05 Uhr auf N24.

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