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Niedersachsen Ringelschwanzprämie auf dem Prüfstand

Eine neue Studie des Bundesforschungsinstituts bestätigt den Erfolg der Ringelschwanzprämie in Niedersachsen. Die Förderung unterstützt Schweinemäster, die auf das schmerzhafte Kupieren verzichten.
18.06.2018, 14:15 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Ringelschwanzprämie auf dem Prüfstand
Von Silke Looden

Hannover. „Die Studie zeigt, dass es geht“, sagt der frühere niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne). Die Studie, das ist eine Evaluation des Thünen-Instituts in Braunschweig, die dem Weser-Kurier als Zusammenfassung vorliegt. Das Bundesforschungsinstitut hatte knapp einhundert landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen zu ihren Erfahrungen mit der Ringelschwanzprämie befragt. Im Kern kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Prämie tatsächlich zu besseren Haltungsbedingungen für Mastschweine führt. Meyers Nachfolgerin im Amt, Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), hat die Studie bislang nur intern kommuniziert. Zur Begründung erklärt ihre Sprecherin auf Nachfrage, dass die Ergebnisse noch nicht offiziell vorlägen.

Otte-Kinast hatte zu Beginn ihrer Amtszeit erklärt, dass sie die Ringelschwanzprämie der Vorgängerregierung auf den Prüfstand stellen will und eine Fortführung unter anderem von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig machen will. Schweinehalter in Niedersachsen erhalten die Prämie von 16,50 Euro pro Mastschwein im Jahr, wenn sie den Ringelschwanz nicht kupieren. Der schmerzhafte Eingriff beim Ferkel ist eigentlich bereits seit 2001 in der Europäischen Union verboten, Deutschland erlaubt jedoch Ausnahmen. Das Kupieren soll gegenseitige Verletzungen der Tiere durch Schwanzbeißen verhindern. Der intakte Ringelschwanz gilt als Indikator für mehr Tierwohl, denn das Schwanzbeißen lasse sich durch mehr Platz und mehr Beschäftigung verhindern, so die Studie. Die Prämie ist ein Ausgleich für diesen Mehraufwand.

Von den befragten Betrieben wirtschaften 20 Prozent ökologisch und 80 Prozent konventionell. Der hohe Anteil konventioneller Betriebe zeige, dass das Interesse an der Haltung unversehrter Schweine gegeben sei, so die Autorin der Studie, Angela Bergschmidt, in ihren Schlussfolgerungen. Für Betriebe mit konventionellen Systemen wie Voll- oder Teilspaltenbuchten ohne Einstreu sei es jedoch deutlich schwieriger, unkupierte Tiere mit intakten Schwänzen zu halten. Für die Hälfte der teilnehmenden Betriebe hätte die Maßnahme denn auch Veränderungen im Haltungsverfahren ausgelöst.

Doch die Zukunft der Prämie ist ungewiss. In diesem Jahr hat das Landwirtschaftsministerium die Schweinehalter noch aufgefordert, Förderanträge für das kommende Jahr zu stellen. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Aktuell wird die Prämie für 216 000 Mastschweine an 161 Betriebe gezahlt, also für gerade einmal fünf Prozent der hierzulande gehaltenen 4,2 Millionen Mastschweine. Gefördert werden auch Ferkel mit fünf Euro, wenn sie nicht kastriert werden, und Sauen mit 120 Euro, wenn sie nicht im Kastenstand gehalten werden. Aktuell sind landesweit 183 000 Ferkel in 80 Betrieben und 3740 Sauen in 26 Betrieben im Tierwohl-Programm des Landes.

Studien-Autorin Bergschmidt schlägt eine Förderung aller Mastschweine mit intakten Schwänzen vor. Professor Achim Spiller von der Universität Göttingen ist ein ausgewiesener Experte für Tierwohl-Maßnahmen. Er meint: „Der Ringelschwanz ist ein guter Indikator für das Wohlfühlen der intelligenten Tiere, die sich schnell langweilen oder gestresst sind und dann auf ,dumme Gedanken` kommen.“ Die Prämie trage zur Verbesserung der Haltungsbedingungen bei und sei im Hinblick auf das geplante staatliche Tierschutzlabel unverzichtbar. Spiller: „Man kann ja schlecht Fleisch aus einer Haltung ausloben, die noch nicht einmal das EU-Recht einhält.“ Wenn Deutschland und insbesondere Niedersachsen beim Tierschutz nicht in Rückstand geraten wollten, müssten Testbetriebe und Umstellungen auch weiterhin gefördert werden. Der Deutsche Tierschutzbund hält die Prämie für einen „guten Ansatz“. Die Voraussetzungen für die Auszahlung seien jedoch zu lasch. Es könne nicht sein, dass nur 70 Prozent der Schweine in einem geförderten Betrieb einen intakten Schwanz aufweisen müssen, also 30 Prozent verletzte Tiere toleriert werden. Präsident Thomas Schröder fordert ein „grundlegendes Umdenken in der Schweinehaltung“. Dazu zähle ein Bauverbot für konventionelle Ställe und eine Förderung von tiergerechten Ställen.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium erklärt auf Nachfrage, dass es gerade die baulichen Voraussetzungen sind, die die Haltung von Schweinen mit intakten Ringelschwänzen schwierig machten. Es brauche Zeit, um diese zu verändern. Niedersachsen engagiere sich auch im Bund für bessere Haltungsbedingungen. So seien Fortbildungen für Schweinemäster, die auf das Schwänzekupieren verzichten, inzwischen Teil der nationalen Nutztierstrategie. Die Braunschweiger Studie belegt, dass neun von zehn Tierhaltern mit der Beratung zufrieden sind.

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