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Keine Helmpflicht für Radfahrer, aber Mitverschulden bei einem Unfall?

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Anders als für Motorradfahrer gilt für Radler keine allgemeine gesetzliche Pflicht, einen Sturzhelm zu tragen. Wie sich unterlassenes Helmtragen bei einem Unfall auf die Haftung auswirkt, beurteilten die Gerichte zuletzt unterschiedlich. Heute nun verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) einen entsprechenden Fall.

Schwere Folgen eines Fahrradunfalles im Straßenverkehr

Die Klägerin war am 07.04.2011 mit ihrem Fahrrad unterwegs gewesen – ohne Helm. Am Straßenrand hatte ein Autofahrer geparkt und sie wohl übersehen. Jedenfalls öffnete er direkt vor ihr seine Fahrertür. Die Betroffene konnte nicht mehr ausweichen und stürzte nach der Kollision. Dabei zog sie sich schwere Schädel-Hirn-Verletzungen zu und wurde mehr als 2 Monate stationär im Krankenhaus behandelt.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Unfall von dem Autofahrer verursacht wurde. Der hatte beim Aussteigen gegen seine Sorgfaltspflicht aus § 14 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen, indem er vor Öffnen der Tür den hinter sich liegenden Verkehrsraum nicht ausreichend beobachtet hatte. Gestritten wird aber darüber, welche Rolle das Nichttragen eines Fahrradhelmes spielt. Hätten damit die schweren Verletzungen vermieden werden können?

Alleinschuld des Autofahrers wegen Öffnens der Fahrertür?

Die Haftpflichtversicherung des Autohalters hatte außergerichtlich bereits zugesagt, zumindest die Hälfte des Schadens zu übernehmen. Damit allerdings wollte sich die Fahrradfahrerin nicht zufriedengeben und forderte vor Gericht den Ersatz ihrer sämtlichen materiellen und immateriellen Schäden, soweit die nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Richter vom Landgericht (LG) Flensburg entschieden ohne Beweisaufnahme zugunsten der Radfahrerin, dass sie kein Mitverschulden treffe. Schließlich gibt es keine allgemeine Helmpflicht für Fahrradfahrer, gegen die sie verstoßen haben könnte. Auch habe sie ihr Fahrrad als allgemeines Fortbewegungsmittel benutzt und nicht etwa zum sportlichen Rennradfahren. Entsprechend sollte die Kfz-Haftpflichtversicherung die Schäden auch vollständig tragen (LG Flensburg, Urteil v. 12.01.2012, Az.: 4 O 265/11).

Mitverschulden der Radfahrerin wegen fehlenden Helms?

In der Berufung wurde das Urteil vom Oberlandesgericht (OLG) Schleswig teilweise abgeändert. Lediglich 80 Prozent sollte die Versicherung des Autofahrers übernehmen müssen. Bei dieser Entscheidung wurde auch ein vom OLG in Auftrag gegebenes medizinisches Gutachten berücksichtigt. Das bestätigt für diesen konkreten Fall die allgemeine Vermutung, dass ein Helm zwar nicht alle Verletzungen verhindern, sie aber zumindest deutlich verringern kann.

Einerseits gilt nach § 21 a Abs. 2 StVO die gesetzliche Helmpflicht nur für Krafträder, die schneller als 20 km/h fahren können. Fahrräder haben aber keinen Motor und sind damit keine Krafträder. Andererseits kann ein Mitverschulden auch ohne Missachtung konkreter gesetzlicher Vorschriften vorliegen. Nicht alles muss ausdrücklich vorgeschrieben und mit einem Bußgeld belegt sein, es gibt auch andere Wege. Bei sogenannten Obliegenheiten kann dem Betroffenen niemand vorschreiben, wie er zu handeln hat – nur muss er eben auch die Konsequenzen tragen.

So ist ein Mitverschulden für unterlassenes Helmtragen beim Sport wie beispielsweise Reiten oder Skifahren von der Rechtsprechung seit Langem anerkannt. Eine Unterscheidung zwischen sportlich ambitionierten Radfahrern und solchen, die ihr Zweirad nur als Fortbewegungsmittel nutzen, hielt das OLG für unzutreffend. Auch für Motorradfahrer ohne Helm gab es eine Mithaftung, bevor 1976 schließlich deren Helmpflicht eingeführt wurde (OLG Schleswig, Urteil v. 05.06.2013, Az.: 22 U 67/09).

Die aktuelle Entscheidung des BGH

Im Rahmen der Revision musste nun der BGH die Haftungsfrage für diesen Fall klären. Dabei stellte er letztlich die ursprüngliche Entscheidung des LG wieder her, wonach die Kfz-Versicherung des Autofahrers zu 100 Prozent haftet.

Nur wenn die Radlerin die übliche Sorgfalt eines ordentlichen und verständigen Mensch zur Vermeidung möglicher Schäden außer Acht gelassen hätte, wäre laut BGH – auch ohne ausdrückliche Helmpflicht – eine Mithaftung in Frage gekommen. Innerorts waren im Jahr 2011 aber laut Statistik nur 11 Prozent der Fahrradfahrer mit Helm unterwegs.

Daraus schließen die Richter, dass ein entsprechendes Verkehrsbewusstsein, sich mit einem Fahrradhelm zu schützen, zumindest damals noch nicht vorhanden war. Entsprechend habe die Radfahrerin damals auch keine Sorgfaltspflicht verletzt.

Wie sich die Rechtslage zukünftig entwickeln wird, wenn immer mehr Radler mit Helm unterwegs sind, bleibt allerdings abzuwarten. Das Unfallopfer in diesem Fall aber muss sich jedenfalls kein Mitverschulden an seinen Verletzungen anrechnen lassen.

(BGH, Urteil v. 17.06.2014, Az.: VI ZR 281/13)

(ADS)

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