IEP-Mittagsgespräch mit Ministerialdirektor Thomas Westphal, Leiter der Abteilung Europapolitik im Bundesministerium der Finanzen
Am 21. November 2017 fand das IEP-Mittagsgespräch mit Ministerialdirektor Thomas Westphal, Leiter der Abteilung Europapolitik im Bundesministerium der Finanzen, zum Thema „Eine strategische Neuausrichtung des EU-Haushalts“ in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin statt. Das Grußwort hielt Bernhard Schnittger, Stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).
Nach einführenden Worten in das Thema übergab Herr Schnittger die Moderation an Prof. Dr. Jopp, der Ministerialdirektor Westphal und alle anwesenden Gäste herzlich willkommen hieß. Herr Jopp stellte eingangs einige Eckpunkte des folgenden Vortrags heraus: Wichtige Fragen seien unter anderem, wie eine Umstrukturierung des Haushalts gelingen könne oder wie mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU finanzpolitisch zu verfahren sei.
Zu Beginn seiner Rede gab Herr Westphal zunächst einen kurzen Einblick in die erst wenige Tage vorher stattgefundenen Verhandlungen zum EU-Haushalt 2018. Dieser diene der Ausführung der EU-Politiken, die zur Vereinfachung grundsätzlich in zwei große Tätigkeitsfelder aufgeteilt werden könnten, die echten europäischen Mehrwert bieten. Einer umfasse Bereiche, in denen Lösungen nur bzw. besser auf EU-Ebene möglich sind (z.B. Grenzsicherung). Der andere könne allgemein mit dem Schlagwort Kohäsionspolitik überschrieben werden, was insbesondere die Unterstützung von Aufholprozessen in Regionen und Mitgliedstaaten betreffe.
Der aktuelle EU-Haushalt sei hingegen über Jahrzehnte traditionell gewachsen und von einer Vielzahl von Subventionen u.a. im Agrarbereich geprägt. Hinzu komme, dass die Herausforderungen für die nächste Finanzperiode nicht nur wegen des Brexit ein bisher unbekanntes Ausmaß angenommen hätten. Ein „Weiter so!“ wie bisher dürfe es seiner Meinung nach nicht mehr geben. Vielmehr solle der EU-Haushalt dringend neu ausgerichtet werden. So gebe es u.a. bei den Strukturfonds ein großes Problem beim Abruf der Milliarden an Fördergeldern bedingt durch die Möglichkeit, Rechnungen bis zu 3 Jahre später einzureichen und außerdem ein sehr bürokratischen System, das auf strukturelle Probleme hindeute.
Es müssten institutionell wirksame, strategische Instrumente installiert werden, um zukünftig EU-Politiken effizient finanzieren zu können. Dem erheblichen Verbesserungsbedarf im Bereich der Kohäsionspolitik könne z.B. über eine integrierte Reformpolitik begegnet werden: Die EU-Strukturfondsmittel sollten besser mit der wirtschaftspolitischen Koordinierung und den dort definierten länderspezifischen Empfehlungen verknüpft werden. Die im Rahmen des Europäischen Semesters identifizierten Kernherausforderungen für jedes Land sollten als Anreiz mit entsprechenden Strukturfondsmitteln angegangen werden. Der „Structural Reform Support Service“ (SRSS) der EU-Kommission oder die Europäische Investitionsbank böten hierfür z.B. Unterstützung im Bereich der Projektentwicklung und könnten auch in Fragen der Finanzierbarkeit beraten. Neben institutionellen Änderungen müsse indes auch die Frage nach den Förderinstrumenten gestellt werden: In diesem Zusammenhang sprach sich Herr Westphal neben der reinen Zuschussfinanzierung beispielsweise für die Vergabe von Krediten oder auch den Aufbau von Mittelstandsförderbanken aus. Letztere könnten aus den Strukturfondsmitteln finanziert werden und damit über Jahre eine große Hebelwirkung erzeugen. Seinen Vortrag schloss Herr Westphal mit dem dringenden Appell, in naher Zukunft den EU-Haushalt und insbesondere die Kohäsionspolitik für die Bürgerinnen und Bürger in der EU nachvollziehbarer und nicht zuletzt transparenter zu gestalten.
Im Anschluss griff Herr Westphal die Aussagen von Herrn Jopp zu den Auswirkungen des Brexit auf den EU-Haushalt auf. Großbritannien habe als Nettozahler bisher einen bedeutenden Teil des Gesamtbudgets mitgetragen – ein Wegfall dieser Gelder wiege da natürlich schwer. Der Brexit sollte deshalb als Chance begriffen werden, die erforderliche Neuausrichtung anzugehen und den EU-Haushalt wie zuvor beschrieben strukturell zu ändern. In der anschließenden intensiven Diskussion mit dem Publikum wurde vor allem über die haushaltspolitische Entwicklung in Europa debattiert.
Die Präsentationsfolien zur Veranstaltung finden Sie hier zum Download.