Pressemitteilung 27.03.2018

Herstellerabgabe auf Zuckergetränke in Großbritannien zeigt deutliche Wirkung: Große Hersteller und Handelsketten reduzieren Zuckergehalt in ihren Produkten

Berlin, 27. März 2018. Die Herstellerabgabe auf besonders zuckerhaltige Getränke in Großbritannien zeigt Wirkung: Wie eine Recherche der Verbraucherorganisation foodwatch belegt, hat ein Großteil der Hersteller auf dem britischen Markt vor Inkrafttreten der Abgabe am 6. April den Zuckergehalt seiner Getränke reduziert. Die Marktführer Coca-Cola, Britvic, Lucozade Ribena Suntory, die Handelsunternehmen Tesco und Lidl sowie mehrere kleinere Unternehmen haben seit Ankündigung des Gesetzes im März 2016 den Zuckergehalt etlicher Produkte gesenkt, um der Abgabe zu entgehen. foodwatch forderte die neue Ernährungsministerin Julia Klöckner auf, in Deutschland ebenfalls eine Herstellerabgabe auf übersüßte Getränke einzuführen. Denn stark zuckerhaltige Getränke förderten nachweislich die Entstehung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Auch die Weltgesundheitsorganisation spricht sich deshalb für Abgaben auf Zuckergetränke aus. Kritisch bewertete foodwatch, dass viele Hersteller in Großbritannien den Zucker durch Süßstoffe ersetzt haben, da die britische Abgabe keine Süßstoffe umfasst. 

„Das Beispiel Großbritannien zeigt: Herstellerabgaben auf Zuckergetränke entfalten eine deutliche Lenkungswirkung und führen zu einer drastischen Senkung des Angebots überzuckerter Getränke. Großbritannien reiht sich neben Irland, Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Finnland und Frankreich in die immer länger werdende Liste von Ländern ein, die mit steuerlichen Anreizen aktiv gegen Fehlernährung, Fettleibigkeit und Diabetes vorgehen. Nur Deutschland will es sich anscheinend nicht mit der Getränkeindustrie verscherzen und schaut lieber tatenlos zu, wie Übergewicht, Fettleibigkeit und die damit verbundenen Krankheiten stetig zunehmen“, sagte Luise Molling von foodwatch. „Julia Klöckner muss die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger endlich über die Interessen der Lebensmittellobby stellen und auch in Deutschland eine Herstellerabgabe auf überzuckerte Getränke einführen.“

Das im März 2016 in Großbritannien verabschiedete Gesetz sieht Abgaben für die Hersteller von Getränken vor, die mehr als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten, bei mehr als 8 Gramm wird eine höhere Abgabe fällig. Der britische Marktführer Coca-Cola hat den Zuckergehalt seiner Getränke Fanta und Sprite seitdem unter die 5-Gramm-Marke gesenkt (Fanta von 6,9 auf 4,6 Gramm und Sprite von 6,6 Gramm auf 3,3 Gramm). In Deutschland enthalten Fanta und Sprite noch mehr als 9 Gramm Zucker. Britvic, der zweitgrößte Hersteller in Großbritannien, hat den Zuckergehalt vieler Produkte ebenfalls reduziert, so dass 94 Prozent seiner Eigenmarken nicht von der Abgabe erfasst werden. Lucozade Ribena Suntory, nach Coca-Cola und Pepsi Cola in Großbritannien die führende Marke im Einzelhandel, hat den Zuckergehalt in sämtlichen Produkten unter die 5-Gramm-Marke gesenkt. Nicht nur die Hersteller, auch zwei große Handelsunternehmen wurden aktiv: Sowohl Tesco als auch Lidl gaben an, dass nach Rezepturänderungen sämtliche Eigenmarken nicht von der Abgabe erfasst werden.

foodwatch kritisierte, dass viele britische Hersteller den Zucker in ihren Getränken durch Süßstoffe ersetzt haben. Rezepturänderungen sollten darauf abzielen, nicht nur den Gehalt von Zucker, sondern auch von Süßstoffen zu senken, um der allgemeinen Süßgewöhnung entgegen zu wirken. Daher sollte die Herstellerabgabe in Deutschland wie in Frankreich auch süßstoffgesüßte Getränke mit einbeziehen, forderte die Verbraucherorganisation.

Laut dem staatlichen Office for Budget Responsibility (OBR), das den britischen Staatshaushalt überwacht, haben die Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke schneller und konsequenter gesenkt als erwartet. So erwartet das OBR in seinem aktuellen Report nur noch die Hälfte der ursprünglich berechneten Steuereinnahmen aus der Herstellerabgabe. Während die britische Regierung 2016 noch von 520 Millionen Pfund Steuereinnahmen für 2018-2019 ausging, rechnet das OBR nun mit weniger als 240 Millionen Pfund Einnahmen. Die britische Regierung hat angekündigt, die Steuereinnahmen zweckgebunden für die Förderung des Schulsports und des Schulessens verwenden zu wollen. 

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) bei Kindern sowie Erwachsenen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Adipositas wird inzwischen als das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprechen in diesem Zusammenhang von einer globalen „Adipositas-Epidemie“. Gesundheitsexperten schreiben zuckerhaltigen Getränken eine besondere Rolle in dieser Entwicklung zu. Der Konsum dieser Getränke fördert nachweislich die Entstehung von Übergewicht sowie Typ-2-Diabetes und wird zudem mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte in Verbindung gebracht.