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Rechtslastiges Nachrichten-Netzwerk: Verfassungsschutz aktiv

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Angela Prokop-Schmitt, Geschäftsführerin des Depeschen-Verbunds
Angela Prokop-Schmitt, Geschäftsführerin des Depeschen-Verbunds © p

Seligenstadt - Ein ominöses Nachrichten-Netzwerk mit gefälschten Autorenprofilen, häufig wechselndem Impressum und Inhalten rechter Tendenz: Sind CDU-Politiker aus Seligenstadt und Mainhausen involviert? Von Katrin Stassig und Michael Hofmann

Unter dem Titel „Dubiose Depeschen“ versucht die aktuelle Ausgabe des Medienmagazins „journalist“ vom Deutschen Journalistenverband (DJV), die Hintergründe der rechtslastigen Online-Publikation „Hessen-Depesche“ sowie ihrer Schwestern Bayern-, Sachsen- und Saar-Depesche aufzudecken. Als „Keimzelle“ des Mediennetzwerks werden Seligenstadt und Mainhausen ausgemacht. Gestern greift der Hessische Rundfunk das Thema auf, stellt Verbindungen zu CDU-Mitgliedern her. Vom Medienrummel aufgeschreckt geht die CDU im Kreis Offenbach in die Offensive. Es existierten keine Hinweise auf rechtsextremes Gedankengut einzelner Mitglieder. Sollte es konkrete Vorwürfe geben, werde dem sofort konsequent nachgegangen, beteuert Kreisgeschäftsführer Clemens Jäger. Der Kreisverband mit seinem Vorsitzenden, Landtagsvize Frank Lortz, habe die betreffenden Mitglieder wegen der Vorwürfe angeschrieben. Diese hätten teilweise geantwortet und versichert, dass sie sich zu keiner Zeit mit rechts- oder linksradikalem Gedankengut identifiziert hätten.

Wie sich CDU-Mitglieder wirtschaftlich betätigten, so Jäger, sei Privatangelegenheit. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen sickerte gestern durch, dass bei der CDU Seligenstadt das Thema „Hessen-Depesche“ bereits seit Anfang 2015 auf der Agenda steht. In der Vorbereitungsphase auf den Bürgermeisterwahlkampf im Juli 2015 überrascht die Publikation immer wieder mit Insiderinformationen. Die Suche nach dem Leck beim CDU-Ortsverband bleibt ohne Erfolg. Bereits zu dieser Zeit gibt es massive Warnungen an die Parteispitze, den Kontakt zur Hessen-Depesche möglichst zu meiden. Zu einschlägig seien deren Verbindungen zur rechten Szene.

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Im Oktober 2015 ist man bei der Union keinen Schritt weiter: „Die Frage ist und bleibt, wer der Maulwurf ist und ob dieser weiter geduldet wird“, ist einem vertraulichen Papier zu entnehmen. Nach der verlorenen Bürgermeisterwahl der CDU-Kandidatin Claudia Bicherl ist Richard Georgi der starke Mann bei der Union, rückt als Stadtverbandschef an die Spitze der Kommunalwahlliste. Erneut gibt es Warnungen vor der Depesche. Über Seligenstädter CDU-Kreise hinaus ist vor allem eine Personalie interessant: Geschäftsführerin des Depeschen-Verbunds ist inzwischen Angela Prokoph-Schmitt – keine Unbekannte im Kreis Offenbach. Im Jahr 2015 kandidierte die damals selbstständige Beraterin für Werbung und Marketing als unabhängige Kandidatin in Seligenstadt, kam auf 6,9 Prozent der Stimmen. Damals wohnte sie in Leidersbach (Spessart) und war CSU-Mitglied. Inzwischen hat sie sich der CDU in Mainhausen angeschlossen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, bezeichnet es in einer Pressemitteilung als „abenteuerlich“, die „Betätigung der im Depeschen-Netzwerk beteiligten CDU-Mitglieder als deren Privatangelegenheit zu deklarieren“. Es sei „schön und gut, wenn die CDU im Kreis Offenbach beteuert, dass sie keinerlei Hinweise auf rechtsextremes Gedankengut bei einzelnen ihrer Mitglieder feststellen könne“. Problematisch findet er, dass „die Facebook-Seite der Hessen-Depesche zum Teil ein Tummelort für Rechtsextreme, Anhänger der Identitären Bewegung und für Verschwörungstheoretiker ist“ – oder dass Geschäftsführerin Prokoph-Schmitt „reihenweise Likes an AfD-Politiker verteilt“.

Das Landesamt für Verfassungsschutz kündigte gestern an, die „Hessen-Depesche“ ins Visier zu nehmen und zu prüfen, ob es verfassungsfeindliche Bestrebungen beim Internetauftritt des Mediennetzwerkes gibt.

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