26.11.2019

Saisonales Stimmungstief: Winterblues oder Winterdepression?

Experten der Oberberg Fachkliniken klären auf

Kälte, Nässe, Nebel, Schnee. Morgens in der Dämmerung aus dem Haus, abends bei Dunkelheit zurück. Das wirkt sich auf die Psyche aus, bei manchen Menschen stärker, bei anderen weniger stark. Mediziner nennen diese saisonalen Depressionen SAD (seasonal affective disorder), wenn sie das Ausmaß einer Krankheit annehmen. Eine abgeschwächte Form mit ausgeprägten saisonalen Stimmungstiefs ist die subsyndromale SAD (s-SAD). Zudem zeigen viele Menschen wetter-, licht- und saisonal abhängige vorübergehende Stimmungsschwankungen, die nicht behandlungsbedürftig sind. Dazu zählt der „Winterblues“.
 

Erschöpfung und Energiemangel


Symptome sind Stimmungstief, Antriebs- und Lustlosigkeit, Erschöpfung, Energiemangel, Mattigkeit, Mutlosigkeit. Wann aber ist es Winterblues, wann wird es zur Winterdepression? Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Gruppe, erklärt: „Beim Winterblues schwankt die Stimmung tageweise, es gibt auch Zeiten ohne Stimmungstief. Wenn die verschiedenen Symptome aber über zwei Wochen am Stück anhalten, kann es sich um eine saisonal bedingte Depression, eine SAD, handeln.“
 

Das Schlafhormon senkt die Stimmung


Verantwortlich für rein saisonale Stimmungstiefs ist meist der Mangel an Lichteinstrahlung während der dunklen Jahreszeit: „Bei andauernder geringer Lichtintensität wird nicht nur nachts, sondern auch tagsüber das Schlafhormon Melatonin vermehrt ausgeschüttet. Fehlt die Unterdrückung der Ausschüttung durch intensives Licht, ist Melatonin am Tag in zu hoher Konzentration vorhanden. Dann reagiert der Mensch mit Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit“, erläutert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Gleichzeitig passiert noch mehr im Körper: „Um Melatonin herzustellen, wird die Aminosäure Tryptophan stärker verbraucht und steht dadurch in geringerem Umfang für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin zur Verfügung“, so Matthias J. Müller weiter. „Serotonin, das für psychische Ausgeglichenheit und positive Stimmung sorgen kann, fehlt dann dem Gehirn – was zu Mutlosigkeit und Reizbarkeit führen kann.“
 

Mit Tageslicht und Bewegung gegen das Tief


Menschen mit Winterblues neigen dazu, zuhause zu bleiben. Genau das ist aus Sicht des Psychiaters kontraproduktiv: „Wer sich zurückzieht, kommt nur schwer aus seinem winterlichen Tief heraus.“ Der Experte der Oberberg Gruppe empfiehlt stattdessen, mit Freunden und Familienmitgliedern etwas zu planen, auf regelmäßigen, ungestörten Schlaf zu achten und viel Sport zu treiben. Regelmäßige körperliche Betätigung vor allem im Freien wirkt sich positiv auf den Serotonin-Spiegel aus und hebt nachweislich die Stimmung. „Schon ein Spaziergang an der frischen Luft versorgt uns selbst an grauen Tagen mit Tageslicht und trägt dazu bei, die Melatonin-Produktion zu begrenzen“, führt Prof. Dr. Dr. Müller aus.
 

Wenn sich die Stimmung nicht aufhellt


Doch was tun, wenn die Stimmung sich nicht bessert oder die Symptome stärker werden? „Wer nicht nur antriebslos und niedergeschlagen ist, sondern auch unter anhaltender Lust- und Interesselosigkeit sowie Schlaf- und Appetitstörungen leidet, hat möglicherweise mehr als einen Winterblues“, sagt Privatdozent Dr. med. Andreas Jähne, Chefarzt der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura, eine der bundesweit dreizehn Kliniken der Oberberg Gruppe.

 

Bei schwereren Depressionen reichen Licht und Sport nicht aus. „Dann ist die professionelle Hilfe eines psychologischen oder ärztlichen Therapeuten gefragt“, so Dr. Jähne weiter. Die Behandlung einer schweren SAD erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus Licht-, Psycho- und Pharmakotherapie, fester Bestandteil bei allen Schweregraden von Winterdepression ist die Lichttherapie. Tageslicht ist mit seiner Intensität und der Art des Lichts, also seiner Spektralverteilung, zwar prinzipiell am wirksamsten. Gleichwohl werden bei SAD nach ärztlicher Verordnung medizinische Lichttherapiegeräte eingesetzt, in den meisten Fällen mit einer Intensität von 10.000 Lux für eine halbe Stunde oder 2.500 Lux für zwei Stunden morgens.

 

Etwa 60 bis 90 Prozent der Patienten mit SAD sprechen nach rund zwei Wochen auf diese Therapie an, die Lichttherapie sollte aber zumindest während der dunklen Jahreszeiten fortgeführt werden. In leichten Fällen rät Prof. Dr. Dr. Müller, sich neben Licht, Bewegung im Freien und ausreichend Schlaf bei winterlichen Stimmungsschwankungen nicht zu sehr unter Druck zu setzen: „Ein wenig Melancholie kann in den dunklen Jahreszeiten ganz normal sein.“
 

Auch Kinder haben Winterverstimmungen


Wer morgens im Dunkeln nur schwer aufstehen kann, ist laut Forschung noch dazu im Nachteil. Dr. Ewa Cionek-Szpak, Chefärztin der Oberberg Fachklinik Wasserschlösschen, sagt: „Haben Erwachsene noch die Möglichkeit zu Gleitzeit bei der Arbeit, müssen Kinder in der Winterzeit im Halbschlaf in die Schule wandern.“ Den flexiblen Start in den Tag gibt es bislang nur in experimentellen Schulen.  Dort schafft die Anpassung des Rhythmus an die innere Uhr einen um eine ganze Note besseren Durchschnitt, ein beachtlicher Effekt für eine einfache Maßnahme.

 

Die gute Nachricht, so Kinder- und Jugendpsychiaterin Cionek-Szpak: „Wer für gebremsten Antrieb und schlechtere Stimmung in der Winterzeit empfänglicher ist, ist ebenso empfindlicher in der Sommerzeit, dann aber energievoller, motivierter und kreativer.“

 

Mehr dunkle Stunden, mehr Depressionen

Je nachdem, wie viele Stunden pro Tag es draußen dunkel ist, lassen sich regional Unterschiede in der Ausbreitung von SAD feststellen. Beim Blick auf Europa zeigt sich, dass in südlichen Ländern am Mittelmeer diese Art von Depressionen kaum bekannt ist. In Skandinavien gibt es deutlich mehr Fälle.
Copyright: Fotograf Aziz Archarki on Unsplash | www.oberbergkliniken.de

So schön es ist, Gewohnheiten zu pflegen, so schwer ist es, aus ihnen auszubrechen, falls sie schon zur Sucht geworden sind.
Copyright: VisionPic.net for Pexels | www.oberbergkliniken.de

Über die Oberberg Gruppe

Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit dreizehn Kliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an elf Standorten in Deutschland. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg Tageskliniken, korrespondierenden Therapeuten und Selbsthilfegruppen. 

Medienkontakt
HOSCHKE & CONSORTEN
Public Relations GmbH
Telefon: 0049 (40) 36 90 50 57
Mail: oberberg(at)hoschke.de
www.oberbergkliniken.de