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„Deutsche Leitkultur ist das Grundgesetz“

„Bärgida“ gestoppt, Brandenburger Tor verdunkelt

Angelehnt an die Pegida-Bewegung in Dresden, demonstrieren in Berlin Hunderte Bärgida-Anhänger gegen den Islam. Tausende Gegendemonstranten blockieren den Zug und Berlin setzt ein Zeichen.

Quelle: Die Welt

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Bärgida vs. Gegendemonstranten: Tausende gingen in Berlin an mehreren Schauplätzen auf die Straße. Diverse Strömungen waren dabei – von Kreuzberger Straßenkampf-Folklore bis zur etablierten Politik.

Im abendlichen Nieselregen bietet sich in der alten Berliner Mitte ein denkwürdiges Bild. Eine Demonstration formiert sich, und ihre Spitze bilden Fahnen der Linkspartei, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der IG Metall, der autonomen Antifa und der Berliner SPD. Wie ernst muss die Lage sein, die nach einer solche Front schreit? Sehr ernst in den Augen der Demonstranten, denn es geht gegen die Pe- bzw. Bärgida – so nennt sich der lokale Ableger der Dresdner Anti-Islamiker, nach dem Berliner Bär.

„Patriotismus ist die letzte Zuflucht des Halunkens!“, hat ein Freund des Genitivs als aussterbender Art auf sein Transparent geschrieben. Und aus dem Demo-Mobil, einem mächtigen Oldtimer-Laster der Marke Mercedes-Benz, erschallen Lieder von Sabotage und militantem Kampf gegen „die Bullen“ – die gute alte Kreuzberger Straßenkampf-Folklore, ohne sie geht hier gar nichts. Wie fühlt man sich als Bundesjustizminister auf so einer Demo? Denn auch Heiko Maas ist gekommen.

„Eine Frage, Herr Maas. Der Pegida wird ja vorgeworfen, Rechtsradikale in ihren Demonstrationen zu dulden – Sie demonstrieren heute gemeinsam mit Linksradikalen, wie geht das?“ Der Justizminister schaut sich erstaunt um. „Wieso, wo sind denn welche?“ Na, gleich hinter Ihnen, schauen Sie, da steht die Antifa. Er schüttelt den Kopf. „Ich habe hier meine SPD-Fahne und meine IG-Metall-Fahne, ich kann nicht jeden kennen, der hierhin kommt.“

Gegendemonstrationen im Stundentakt

Immer mehr meist junge Leute kommen hinzu, ein Polizeisprecher nennt die Zahl von 2000 Teilnehmern. Ob es noch einige mehr werden, lassen wir einstweilen offen, wir müssen weiter. Denn mit nur einer Gegendemonstration gegen Pegida hält sich Berlin nicht auf, zwei oder drei sollten es heute Abend schon sein.

Sie sind im Stundentakt avisiert. Erst diese hier, um 16.00 Uhr unter dem Motto „Gemeinsam gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung“, dann um 17.00 Uhr eine im Lustgarten, „Gegen Rassismus und völkische Propaganda“, und für 18.00 Uhr ruft Berlins Türkische Gemeinde vors Brandenburger Tor zum Protest.

Unterwegs dorthin liegt der Ort des Ärgernisses; vor dem Roten Rathaus wollte sich um 18.30 Uhr Bärgida versammeln. Doch der Platz ist – von den bewachenden Polizisten abgesehen – vollkommen leer. Einzelne schlendern vorbei, die sich „das mal anschauen wollten“.

Ein Mann, der sich über all die Abrisse geliebter West-Berliner Symbole beklagt: Tempelhofer Flughafen, Deutschlandhalle. Eine Dame, die sagt, sie sei mit einem Armenier verheiratet und alles andere als eine Fremdenhasserin, aber als Lesepatin an einer Schule mit 90 Prozent türkischen und arabischen Schülern habe sie beunruhigende Erfahrungen gemacht.

Nur wenige Hundert Bergida-Demonstranten

Heimatlose Erfahrungen, heimatlose West-Berliner Konservative – auf diesen Begriff könnte man die beiden bringen. Später stellen sich dann doch noch Bärgida-Leute ein, es bleiben aber wenige Hundert, darunter stadtbekannte Neonazis.

Derweil nimmt die Kundgebung der Türkischen Gemeinde am Brandenburger Tor ihren Lauf. Zehntausend Teilnehmer haben die Veranstalter erwartet, etliche Hundert dürften es sein, die sich westlich des Tores versammelt haben.

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Sie tragen Schilder mit der Parole „Stoppt die Hetze gegen den Islam!“ Zuerst spricht der Präsident der Türkischen Gemeinde Berlin, Bekir Yilmaz. „Es ist fatal, Pegida verstehen oder erklären zu wollen“, ruft er, „es ist eine Plattform für Hass gegen die Muslime! Was in der Nazizeit die Synagogen waren, sind heute die Moscheen. Gegen den Islam ist mittlerweile fast alles erlaubt.“

„Im Übrigen steht die Wiege des Abendlandes im Orient!“

Seitens der Parteien treten auf: Petra Pau für die Linke, Stadtverordnete von SPD und Grünen und auch eine junge Frau von der CDU. Die schmissigste Rede hält aber kein Politiker, sondern Stephan Kramer, bis vor kurzem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Wer da immer noch mitmarschiert“, ruft er den Türken zu, „der ist nicht weniger gefährlich als ein Nazi!“

Gemeint ist Dresden. Denn die deutsche Leitkultur sei nicht das Abendland, sondern das Grundgesetz. „Und im Übrigen steht die Wiege des Abendlandes im Orient!“ Starker Beifall. Die Einwanderung, fährt Kramer fort, sei in Deutschland nicht zufriedenstellend geregelt. „Wir müssen endlich ein Einwanderungsgesetz schaffen – worauf warten wir noch?“

Als dann um kurz nach neunzehn Uhr am Brandenburger Tor die Lichter ausgehen, hat die Kundgebung ihr sichtbares Symbol. Der Berliner Bürgermeister hat die Lichter an Berlins Wahrzeichen ausschalten lassen, aus Protest gegen Pegida, nach dem Vorbild des Kölner Doms.

Den Schluss der Kundgebung macht Renate Künast von den Grünen mit einem Vier-Punkte-Programm: mehr Integrationskurse, mehr Integration der Einwanderer in die Arbeitswelt. „Und der Islam muss sich hier einbürgern – als Körperschaft des öffentlichen Rechts!“ Mit ihrem Aufruf, weiterzumachen, auch ohne Pegida, endet der abendlandkritische Abend.

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