Die Fussballspieler sind das Kapital der Profivereine – ihre Versicherung lassen sich die Bundesliga-Klubs einiges kosten

Rund 30 Millionen Euro geben deutsche Fussballvereine für die Versicherung ihrer Stars aus. Die Beine der Spieler sind genauso versicherbar wie die Hände von Klaviervirtuosen. Ein Überblick über Spezial- und boomende Veranstaltungsausfallversicherungen.

Michael Rasch, Frankfurt
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Am Freitagabend startet die neue Saison der Bundesliga.

Am Freitagabend startet die neue Saison der Bundesliga.

Friedemann Vogel / EPA

Die neue Saison der Fussball-Bundesliga ist mit aussergewöhnlichen Risiken behaftet. Am Freitagabend wird die 58. Spielzeit mit der Partie Bayern gegen Schalke eröffnet – und während der gesamten Saison dürfte die Corona-Pandemie im Fokus stehen. Der kaum kalkulierbare Einbruch der Zuschauereinnahmen stellt alle Vereine vor grosse Herausforderungen. Doch die Verantwortlichen der Bundesligisten müssen viele Risiken in den Griff bekommen, beispielsweise auch den längeren Ausfall oder gar die Invalidität einer ihrer Stars. Dagegen können sich Vereine jedoch immerhin versichern.

Für den Profibereich im Fussball von Bundesliga bis Regionalliga schätzt Ralph Beutter das entsprechende Prämienvolumen pro Jahr auf 25 Mio. bis 30 Mio. €; in anderen Sportarten in Deutschland kämen nochmals 10 Mio. bis 15 Mio. € hinzu. Beutter ist Leiter von HDI Global Speciality (HGS), einem zur Talanx-Gruppe gehörenden Spezialversicherer, der auch Sport-, Freizeit- und Unterhaltungs-Policen anbietet.

Sportler-Versicherungen sind knapp ein Milliardenmarkt

Die Summe wirkt insofern bescheiden, als einst Real Madrid laut Medienberichten die Beine von Superstar Cristiano Ronaldo für 180 Mio. £ (umgerechnet derzeit rund 200 Mio. €) versichert haben soll. Doch das sind Ausnahmen. Beutter schätzt den europäischen Markt für Sportler-Versicherungen auf rund 250 Mio. bis 300 Mio. € Prämienvolumen und setzt für die USA einen ähnlichen Wert an. Weltweit dürfte es sich mit 800 Mio. bis 1000 Mio. € knapp um einen Milliardenmarkt handeln. Versichern können sich die Vereine vor allem gegen die finanziellen Folgen der Invalidität oder auch des Unfalltods eines Spielers. Solche Ereignisse kommen aber sehr selten vor.

Ein Beispiel ist Sebastian Deisler. Der gebürtige Lörracher galt eine Zeit lang als eines der grössten Talente im deutschen Fussball, er musste seine Karriere jedoch nach fünf Knieoperationen (und einer zeitweiligen Depression) Anfang 2007 beenden. Ein ähnliches Schicksal erlitten Philipp Laux mit 31 Jahren, Holger Hieronymus (damals 25) und Norbert Dickel (29) sowie der heutige Bayern-Trainer Hansi Flick (28) und sogar Bayern-Legende Uli Hoeness (27). Bekannte Todesfälle im deutschen Fussball waren wiederum Michael Klein, der 1993 während eines Lauftrainings mit dem Team von Bayer Uerdingen an Herzversagen starb und Axel Jüptner, der 1998 nach dem Training bei Carl Zeiss Jena einen Herzinfarkt erlitt. Die Ursache war eine bis dahin unentdeckte Herzmuskelentzündung.

Die Spieler selbst können jedoch auch absichern nämlich gegen einen Lohnausfall durch Verletzung oder Invalidität. HGS beziehungsweise die Vorgängergesellschaft Inter Hannover ist bereits seit rund dreissig Jahren im Geschäft mit Versicherungen für Fussball-, Handball- oder Rugby-Spieler tätig. Konkurrenten im Segment Spezialversicherungen sind Houston Casualty und Lloyds. In Deutschland betrage ein typischer Einzelschaden 3 Mio. bis 5 Mio. €.

Medizinischer Fortschritt kompensiert höhere Belastung

Die Vorliebe der Bundesligisten für Versicherungen ist sehr unterschiedlich. Manche Vereine versicherten die gesamte Mannschaft, manche nur ihre fünf wertvollsten Spieler, andere nähmen überhaupt keinen Versicherungsschutz in Anspruch, sagt Beutter im Gespräch. Versicherungstechnisch gleicht das Sportgeschäft vielen anderen Bereichen. HGS sammelt Daten, um die Wahrscheinlichkeiten des Versicherungseintritts zu berechnen. Die Recherche geschieht über öffentlich verfügbare Informationen im Internet sowie über die eigenen historischen Daten des Geschäftsfeldes. So lässt sich die Wahrscheinlichkeit für den zeitweisen Ausfall eines Spielers, die Gefahr einer Invalidität oder sogar eines vorzeitigen Todesfalls durch einen Unfall errechnen.

Generell stellt Beutter allerdings keinen Trend zu zunehmenden Schäden fest, beispielsweise weil die Spieler heutzutage einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt sind als vor zwanzig oder dreissig Jahren. Zum einen seien die Kader inzwischen breiter als früher, zum anderen habe sich die Medizin erheblich weiterentwickelt. Heutzutage könnten Spieler nach zwei oder drei Kreuzbandrissen wieder auf das Spielfeld zurückkehren, vor dreissig Jahren wäre das wohl das Ende der Karriere gewesen, erklärt Beutter.

Hohe Schäden durch Veranstaltungsausfälle wegen Pandemie

Doch HGS versichert nicht nur Sportler. In der Abteilung Sport, Leisure und Entertainment schliessen auch Künstler Versicherungen ab. So kann ein Klavierspieler seine Hände, ein Trompeter seine Arme und ein Sänger seine Stimmbänder versichern. Dem Vorstellungsvermögen sind hier kaum Grenzen gesetzt. Aus der Branche ist zu hören, dass so mancher Promi auch schon seinen Popo habe versichern wollen. Doch solche Kuriositäten sind eher die Ausnahme. Zu den klassischen Geschäftsfeldern der HGS gehören auch die Bereiche Luftfahrt und Satelliten, Manager- und Berufshaftpflicht, Merger-&-Acquisitions-Versicherungen oder die Meerestechnik mit der Versicherung von Öl- und Gasförderung-Plattformen.

Geldtransporte oder der Schmuck von Juwelieren lassen sich ebenfalls versichern. Einige dieser Bereiche sind auch durch die grassierende Corona-Pandemie betroffen. Das betrifft sehr stark die Versicherung von Grossveranstaltungen, die nun ausgefallen sind. Hier liegen die Schadenschätzungen weltweit zwischen 12 Mrd. und 20 Mrd. $, darin enthalten Konzerte, Messen, Seminare und vieles andere mehr. Die HGS sei davon voraussichtlich durch einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag betroffen, sagt Beutter.

Im Rahmen der Pandemie treten auch neue Risiken auf, etwa im Luftfahrtgeschäft. Zwar fliegen derzeit erheblich weniger Maschinen, was die Gefahr von Schäden oder sogar von Abstürzen stark reduziert. Doch oftmals sind Dutzende Maschinen auf einer engen Fläche parkiert, beispielsweise auf der Rollbahn eines Flughafens. Bei einem Listenpreis für einen Airbus A320 von rund 100 Mio. € können auf einer solchen Start- oder Landebahn schnell Werte in Höhe von mehreren Milliarden Euro nebeneinanderstehen. Sollte es da zu einem gravierenden Unwetter mit schwerem Hagel kommen, könnten erhebliche Schäden auftreten, erklärte Beutter.

Flächendeckende Preiserhöhungen

Wenngleich das Jahr 2020 aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus durch erhebliche Schäden gekennzeichnet sein wird, bietet die Pandemie den Versicherungskonzernen doch auch viele Chancen. Die Unternehmen können deutlich mehr Policen abschliessen, und die Preise für die Produkte ziehen stark an. Laut Beutter sind die Preise flächendeckend um 15 bis 25% gestiegen, im Bereich Veranstaltungsausfall haben sie sich sogar verdoppelt. Auch die anderen Konditionen, etwa Deckungseinschränkungen und Selbstbehalte, verschieben sich zugunsten der Versicherungen. Entsprechend fällt es HGS leicht, die für 2022 angestrebten Wachstumsziele zu erreichen. Das Prämienvolumen sollte von 1 Mrd. € vor rund zwei Jahren auf 2,1 Mrd. € im Jahr 2022 steigen.

Trotz dem flächendeckenden Preisanstieg und der inzwischen aus Sicht der Versicherungsgesellschaften attraktiven Konditionen im Bereich Veranstaltungsrisiken lässt sich eines für die kommenden Monate dennoch nicht mehr versichern: durch das Coronavirus bedingte Veranstaltungsausfälle. Dieser Ausfallgrund wird in den Policen ausgeschlossen. Das gilt auch für den Ausfall von Zuschauereinnahmen bei Sportveranstaltungen. Insofern müssen auch die Vereine der Fussballbundesliga dieses Risiko in dieser Saison selbst tragen.

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