Hass auf Telegram: hilflose Forderungen und fehlende Konsequenz

Deutschen Politikerinnen und Politikern wird zunehmend bewusst, dass „Querdenker“ und Rechtsextreme vor allem die App Telegram zur Kommunikation und Planung von Straftaten nutzen. Nun will die Bundesregierung gegen die Betreiber der App vorgehen.

Deutschen Politikerinnen und Politikern wird zunehmend bewusst, dass „Querdenker“ und Rechtsextreme vor allem die App Telegram zur Kommunikation und Planung von Straftaten nutzen. Nun will die Bundesregierung gegen die Betreiber der App vorgehen.

Berlin. Die Politik ist ein langsam lernendes System. Das gilt auch für die neu gewonnene Aufmerksamkeit vieler Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern für das soziale Netzwerk Telegram.

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Schon seit mehreren Jahren entwickelte sich diese ursprünglich als Messengerdienst konzipierte App zu einem der wichtigsten Kommunikations-, Vernetzungs- und Propagandamittel von Rechtsextremen und Verschwörungsideologen in Deutschland.

Und ebenfalls seit Jahren lassen sich in den Telegram-Gruppen und -Kanälen dieser Szenen Radikalisierung, Hass und Aufrufe zu schwerster Gewalt in Echtzeit mitverfolgen. Man musste bloß hinschauen.

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Viele Expertinnen und Experten haben das getan und schon lange vor der Corona-Pandemie auf die zunehmend wichtige Rolle der Plattform und ihre Gefahren für eine demokratische Öffentlichkeit hingewiesen. Es verging viel Zeit, bis die Politik ihnen ausreichend Gehör schenkte.

Eine breite Debatte über die (Un-)Möglichkeit der Regulierung Telegrams durch den deutschen Staat entstand erst jetzt, nachdem das ZDF zur besten Sendezeit über Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) berichtete, die von einer Dresdner Telegram-Gruppe ausgehend geschmiedet wurden.

Forderungen reichen bis zum Verbot von Telegram

Seitdem überschlagen sich die Äußerungen der Politik zum Umgang mit Telegram: Ministerinnen und Minister stellen ein schärferes Vorgehen gegen die Betreiber der Plattform in Aussicht. Wohl wissend, dass diese sich – in den Vereinten Arabischen Emiraten sitzend – nur müde ins Fäustchen lachen. Als weitreichendsten aller möglichen Schritte bringen Politiker wie der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) oder der CSU-Landes­gruppenchef Alexander Dobrindt sogar eine vollständige Blockierung Telegrams in Deutschland ins Spiel.

Ein Vorstoß, der Fragen nach der Verhältnismäßigkeit aufwirft: Schließlich ist Telegram keineswegs nur eine Plattform für strafbaren Hass, sondern auch ein Vehikel millionenfacher privater Kommunikation. In vielen Diktaturen dieser Welt hat sich das Netzwerk gerade wegen seines Widerstands gegen jede staatliche Regulierung zur bevorzugten Plattform für oppositionelle Bewegungen etabliert.

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Einfach umzusetzen wäre eine solche Blockade ohnehin nicht: Das autoritär agierende Russland gab den Versuch 2020 nach zwei Jahren auf.

Eines wird in der aktuellen Debatte schnell vergessen: Die Ermittlungsbehörden in Deutschland haben längst Mittel, gegen viele der auf Telegram begangenen Straftaten vorzugehen. Wenn es Journalisten gelingt, auf Telegram entstandene Mordpläne rechtsextremer Feinde Michael Kretschmers aufzudecken und die Verschwörer bei einem Treffen zu filmen, dann muss das auch dem sächsischen Landeskriminalamt gelingen.

Dafür braucht es in erster Linie ausreichendes und geschultes Personal. Und eine Strafverfolgung, die nicht zu lange abwartet, sondern schnell Grenzen aufzeigt. Das wurde bisher zu oft nicht getan. Der als veganer Kochbuchautor bekannt gewordene Rechtsextremist Attila Hildmann konnte über Monate in seinem Telegram-Kanal zum grausamen Mord an politischen Gegnern aufrufen, bis schließlich ein Durchsuchungsbefehl vollstreckt und noch später ein Haftbefehl erwirkt wurde. Da war er jedoch bereits ins Ausland abgetaucht.

Schlimmste Hetze, verbreitet unter seinem echten Namen; Hildmann ist dafür das prominenteste Beispiel, aber keineswegs ein Einzelfall. Um dem entgegenzuwirken, reichen die bestehenden Gesetze allemal. Sie müssen bloß konsequent angewendet werden – und das auch dann, wenn die Drohungen nicht gegen Spitzenpolitiker ausgesprochen und im Fernsehen berichtet werden.

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