Bis zu zehn Jahre Gefängnis für eine Operation, 15.000 Dollar Strafe für die Verschreibung von Hormonblockern: Das droht Medizinerinnen und Medizinern im US-Bundesstaat Alabama durch ein geplantes Gesetz. Im Senat hat die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten schon dafür gestimmt, Ärzten derart hohe Strafen anzudrohen, wenn sie in Zukunft trans Jugendliche medizinisch beraten und betreuen. Nun liegt der Entwurf im Repräsentantenhaus, wo die Konservativen mit komfortabler Mehrheit keine Schwierigkeiten haben werden, das Gesetz durchzubringen. Dass geschlechtsangleichende Operationen in Alabama schon jetzt nicht an Jugendlichen vollzogen werden, wird im Gesetzentwurf nicht erwähnt.

In 20 US-Bundesstaaten forcieren konservative Politikerinnen und Politiker Gesetze, die die Behandlungen von trans Jugendlichen extrem einschränken oder ganz verbieten würden. Arkansas ist der erste Staat, in dem ein Behandlungsverbot in dieser Woche in Kraft tat. Obwohl der republikanische Gouverneur Asa Hutchinson das "Save-Adolescents-from-Experimentation"-Gesetz  ("Bewahrt Heranwachsende vor Experimenten") nicht unterschrieben hat. Der Staat dürfe sich nicht in jede medizinische, menschliche und ethische Frage einmischen, sagte Hutchinson Anfang der Woche. Seine republikanischen Kolleginnen und Kollegen im Parlament sahen es anders. Sie überstimmten Hutchinson und machten Arkansas damit zum Aushängeschild einer Debatte, die nun nicht mehr nur in den Südstaaten geführt wird, in denen entsprechende Gesetze überwiegend in Planung sind.

Es geht nicht nur um grundsätzliche ethische und medizinische Fragen und um gesellschaftlichen Wandel. Es sind emotional umkämpfte Themen wie dieses, mit denen Republikaner im Land überhaupt noch Wahlen gewinnen können. 

Einen Präsidenten Joe Biden schlägt man nicht mit Kritik oder Gegenkonzepten zu Wirtschafts- oder Infrastrukturfragen. Dafür ist der Demokrat zu moderat, bietet er zu wenig Angriffsfläche. Die wahlentscheidenden Themen werden andere sein. Und zwar die, die ein grundsätzliches Weltbild berühren. Einwanderung oder Waffenrecht gehören ebenso dazu wie Gleichstellung. Das gilt insbesondere auch für die Landesebene. Die Republikaner haben derzeit in 30 Bundesstaaten die legislative Kontrolle. Schon im nächsten Jahr sind wieder Kongresswahlen. Biden hatte direkt nach seinem Amtsantritt mehrere präsidiale Verordnungen unterzeichnet, unter anderem, um die Diskriminierung am Arbeitsplatz zu beenden und eine Verordnung seines Vorgängers rückgängig zu machen, die es trans Menschen verboten hatte, beim Militär zu dienen

"Chemische Kastration von Kindern"

Jetzt ist für die Republikaner die Zeit, den Machtvorteil in den Staaten zu nutzen und gleichsam den eigenen Anhängern zu vermitteln, was bei kommenden Wahlen auf dem Spiel stehen könnte.

Fox-News-Moderator Tucker Carlson bricht das komplexe Thema für seine Zuschauerinnen auf ein Schlagwort herunter: "chemische Kastration von Kindern". Das warf er Gouverneur Hutchinson in dieser Woche immer wieder vor, als sich dieser für seine Entscheidung vor dem Rechtsaußen-Publikum Carlsons rechtfertigen musste. Hutchinson, der kein Verfechter liberaler LGTBQ-Rechte ist und wie er sagte ein weniger restriktives Gesetz unterzeichnet hätte, versuchte es sachlich: "Die Forschung, die ich gesehen habe, zeigt, dass diese aufgewühlten Jugendlichen ... Depressionen haben, Selbstmordtendenzen. … Und sie gehen zu ihren Eltern, die Eltern gehen zu Ärzten, und sie versuchen, mit diesem sehr schwierigen Thema umzugehen. Ich denke nicht, dass wir ihnen eine medizinische Versorgung verweigern sollten."

Carlson ließ das ebenso wenig gelten wie Ex-Präsident Donald Trump, der am Donnerstag eine Mail an seine Anhänger schickte und Hutchinson einen "RINO" nannte, "Republican in name only". Einen Konservativen, der diesen Namen nicht verdiene, da er "ein Veto gegen das Gesetz eingelegt hat, das CHEMISCHE KASTRATION VON KINDERN" verbiete. Die Trump-Versalien sind zurück.

Auf der anderen Seite stehen Medizinerinnen, Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen, die die Gesetzesentwürfe kritisieren. "Diese Bemühungen werden von nationalen rechtskonservativen Organisationen vorangetrieben, die versuchen, durch das Säen von Angst und Hass politisch zu punkten", hieß es von Alphonso David, Präsident der Human Rights Campaign. Laut der LGTBQ-Organisation gab es noch nie mehr Anti-Transgender-Gesetzesinitiativen in den USA als in diesem Jahr. Mehr als 80 sind es demnach, darunter auch Versuche, trans Mädchen vom Wettkampfsport auszuschließen. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU kündigte auf Twitter an, eine Klage gegen das Gesetz in Arkansas zu prüfen.