„Komplex und voller Fallstricke“: Drogenbeauftragter Blienert dämpft Erwartungen an rasche Cannabislegalisierung

In den Niederlanden längt ein alltägliches Bild: Das Rauchen eines Joints ist in den dortigen Coffee-Shops legal.

In den Niederlanden längt ein alltägliches Bild: Das Rauchen eines Joints ist in den dortigen Coffee-Shops legal.

Berlin. Der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), hat Erwartungen an eine rasche Legalisierung von Cannabis sowie hohe Steuereinnahmen gedämpft. „Das Thema ist extrem komplex und voller Fallstricke“, sagte Blienert dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es macht keinen Sinn, jetzt die Legalisierung übers Knie zu brechen, wenn dann wenig später die Verkaufsstellen wieder schließen müssen, weil wir etwas vergessen haben. Das ist kein Gesetz, das man so einfach aus dem Ärmel schütteln kann“, betonte er.

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Auch im Ausland werde sehr genau beobachtet, wie Deutschland bei der Legalisierung vorgehe. „Wenn wir wollen, dass es auch international zu einer neuen Drogenpolitik kommt, die mehr auf Gesundheitsschutz und Regulierung und weniger auf Repression setzt, dürfen wir uns keine Fehler erlauben“, betonte Blienert.

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert.

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert.

Deshalb müsse mit vielen Beteiligten gesprochen und das Gesetz ordentlich ausgearbeitet werden. „Klar ist aber: Noch in dieser Wahlperiode soll es ein Gesetz geben, mit dem Cannabis für Erwachsene legal, aber kontrolliert und sicher in Deutschland zu kaufen sein wird. Das sagt der Koalitionsvertrag und daran werden wir uns halten“, betonte er.

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Zu der Höhe der möglichen Steuereinnahmen aus dem Cannabisverkauf sagte Blienert: „Ich warne vor übertriebenen Erwartungen.“ Er fügte hinzu: „Es sollte nicht unser Ansatz sein, Cannabis primär zu legalisieren, um mehr Steuern einzunehmen.“ Das sei sekundär.

„Unser Ziel ist, die Gesundheit der Konsumenten zu schützen, Kinder und Jugendliche vom Konsum fernzuhalten, den Schwarzmarkt trockenzulegen.“ Dort koste ein Gramm Cannabis je nach Region derzeit zwischen 10 und 12 Euro. „Das Austrocknen des Schwarzmarktes gelingt uns nicht, wenn der Preis für legales Cannabis wegen der Besteuerung zu hoch ist“, warnte Blienert. „Die richtige Balance zu finden wird ein Ritt auf der Rasierklinge. Der Aufbau eines funktionierenden Marktes, der vorher illegal war, ist eine riesige Herausforderung und wird Zeit und Kraft in Anspruch nehmen.“

Das Austrocknen des Schwarzmarktes gelingt uns nicht, wenn der Preis für legales Cannabis wegen der Besteuerung zu hoch ist.

Burkhard Blienert (SPD),

Drogenbeauftragter der Bundesregierung

Blienert plädierte dafür, auch den Cannabisanbau in Deutschland zu legalisieren. Ziel der Koalitionspartner sei es, dass die komplette Lieferkette transparent nachverfolgt werden könne – von der Pflanze bis zur Verkaufsstelle. „Deshalb spricht vieles dafür, auch den Cannabisanbau in Deutschland unter strengen Regeln zu erlauben“, sagte er.

Dagegen hätten die Niederlande Cannabis legalisiert, ohne sich darum zu kümmern, wo der Stoff herkomme. Das habe die organisierte Kriminalität enorm gestärkt und zu einer erschütternden Eskalation der Gewalt geführt. „Wir müssen – und werden – höllisch aufpassen, dass uns das nicht passiert“, sagte der SPD-Politiker.

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Blienert bringt neutrale Einheitsverpackungen für Zigaretten ins Gespräch

Auch in anderen Bereichen der Drogenpolitik stehen Maßnahmen auf Blienerts Agenda. Er brachte unter anderem die Einführung von neutralen Einheitsverpackungen für Zigaretten ins Gespräch, um mehr Menschen vom Rauchen abzubringen.

Bei Beschränkungen von Werbung und Marketing für Tabakprodukte habe Deutschland gegenüber anderen Staaten noch immer einen erheblichen Nachholbedarf, sagte Blienert dem RND. „Wir müssen alle Instrumente nutzen und lieber mehr als zu wenig regulieren“, sagte er. Dazu gehöre auch ein ehrlicher Blick auf den Istzustand: „Wir sollten uns anschauen, ob und wie Werbung noch möglich ist, ob neutrale Einheitsverpackungen realistisch sind.“ Die Zahl von 127.000 Tabaktoten pro Jahr sei nicht akzeptabel, fügte er hinzu.

Kritik übte er an der von der großen Koalition in der vergangenen Wahlperiode auf den Weg gebrachten schrittweisen Tabaksteuererhöhung bis 2026. „Die von der Vorgängerregierung beschlossenen sehr kleinen Schritte bei der Erhöhung der Tabaksteuer helfen meiner Meinung nach nur wenig, um den Konsum zu senken“, betonte er und fügte hinzu: „Die Fachwelt ist sich einig, dass Preiserhöhungen mit die wirksamste Methode sind, um die Menschen vom Rauchen abzubringen.“

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Blienert will Drug-Checking ermöglichen

Blienert fordert zudem mehr Unterstützung für Suchtkranke. Er will ihnen ermöglichen, Drogen vor dem Konsum in Laboren überprüfen zu lassen. „Wir dürfen die Suchtkranken nicht mit ihren Problemen alleinlassen“, sagte Blienert. Nicht Repression dürfe im Vordergrund stehen, sondern Schutz und Hilfe für die Abhängigen.

Ich möchte von Anfang an klarmachen, dass ich es ernst meine mit dem Richtungswechsel.

Burkhard Blienert (SPD),

Drogenbeauftragter der Bundesregierung

„Das Strafrecht ist doch kein Medikament und keine Therapie“, fügte er hinzu. Es müsse darum gehen, die gesundheitlichen Risiken der Sucht zu reduzieren. „Deshalb unterstütze ich das Drug-Checking, also die Möglichkeit für Konsumenten, ihre Drogen analysieren zu lassen. Ich möchte von Anfang an klarmachen, dass ich es ernst meine mit dem Richtungswechsel“, betonte er.

Mit dem Drug-Checking können Drogen wie Ecstasy und Kokain auf ihre Reinheit überprüft werden, um Überdosierungen zu vermeiden. Es ist allerdings derzeit in Deutschland verboten, weil sich alle Beteiligten strafbar machen würden.

Das gesamte Interview mit Burkhard Blienert lesen Sie hier.

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