Die Familie steht unter besonderem Schutz des Staates – in etwa so heißt es im Grundgesetz. Doch die 1,5 Millionen alleinerziehenden Familien, von denen es immer mehr in Deutschland gibt, sind oft in einer schwierigen Situation: Ein Drittel der Alleinerziehenden ist von Armut bedroht. Knapp zwei Drittel haben keine 1.000 Euro für unerwartete Ausgaben übrig. Das Geld ist also bei den meisten knapp. Daher ist es wenig überraschend, dass mehr als die Hälfte der alleinerziehenden Mütter ohne Job gerne arbeiten würde.

Was erleben sie im Job und im Bewerbungsprozess? Sind ihre Arbeitszeiten mit den Kita-Öffnungszeiten zu vereinbaren? Nehmen Arbeitgeber Rücksicht auf ihre Bedürfnisse als Alleinerziehende? Bieten sie ihnen Teilzeitjobs an? Ermöglichen ihnen den Wiedereinstieg nach der Elternzeit? Wir haben mit vier alleinerziehenden Müttern über ihre Erfahrungen im Berufsleben gesprochen:

"Ich verstehe nicht, dass viele Arbeitgeber so ein Problem mit Teilzeit haben"

Rebecca*, 47, seit vergangenem Jahr auf Arbeitssuche, alleinerziehende Mutter eines vierjährigen Sohns

Ich habe im vergangenen Jahr mehr als 100 Bewerbungen geschrieben: circa 80 Mal habe ich eine Antwort bekommen, in etwa 30 Fällen wurde ich zum Gespräch eingeladen – aber eine Zusage für einen Job habe ich nie bekommen. Ich bin als BWLerin breit aufgestellt, spreche fünf Sprachen und habe schon in verschiedenen Bereichen gearbeitet: im Marketing, ich habe Webseiten aufgesetzt, war im E-Commerce und im Kulturmanagement. Mein Problem ist, dass ich als Alleinerziehende nur in Teilzeit arbeiten kann und will, am liebsten 30 bis 35 Stunden. Die Jobs, die zu meiner Ausbildung passen, sind fast immer in Vollzeit ausgeschrieben. Und oft werden zusätzliche Überstunden stillschweigend erwartet. Für die Teilzeitstellen, auf die ich mich bewerbe, etwa Assistenzstellen, gelte ich wiederum als überqualifiziert. "Wir suchen jemanden mit einem anderen Profil und glauben, Sie wären hier unterfordert" – etwas Derartiges habe ich schon öfter gehört.

Vor der Geburt hatte ich einen befristeten Job in einem Start-up. Das Unternehmen war aber nicht sehr familienfreundlich und mein Vertrag wurde nicht verlängert. Nachdem ich 14 Monate in Elternzeit war, wurde ich für einen anderen Job geheadhuntet – eine Elternzeitvertretung, ebenfalls in einem Start-up. Dort habe ich laut Vertrag 34 Stunden gearbeitet. Tatsächlich habe ich oft über die eigentliche Arbeitszeit hinaus weitergearbeitet: Manchmal auch abends zu Hause, nachdem ich meinen Sohn aus der Kita abgeholt hatte. Ich war permanent gestresst. Meinem Kind gegenüber hatte ich ein schlechtes Gewissen. Im Job ebenfalls, weil ich stets viel früher gehen musste als die anderen im Team. Nach Ende der Vertretung hat sich nichts im Unternehmen ergeben. Seitdem bin ich wieder auf der Suche.

"Die ganze Zeit preist man sich an, macht Assessments und die Arbeitgeber melden sich oft nicht einmal zurück."
Rebecca*, 47

Bewerben kann frustrierend sein. Die ganze Zeit preist man sich an, macht Assessments und die Arbeitgeber melden sich oft nicht einmal zurück. Einmal kam ich zu einem zweiten Termin. Als ich klingelte, öffnete niemand die Tür.

Auch in den Bewerbungsgesprächen selbst habe ich schon einiges erlebt. In einem Interview sagte die Gesprächspartnerin direkt: "Nine to five ist hier nicht." Da war mir klar, hier brauche ich gar nicht anzufangen. In einem anderen Gespräch kam raus, dass erwartet wurde, neben dem Job noch ein weiterbildendes Studium zu machen, für das man regelmäßig nach Österreich fahren sollte, dazu lauter andere zeitaufwendige Dinge. Insgesamt klang es nach einer 60-Stunden-Woche. Ich sagte daraufhin, dass der Job sehr interessant wirke, ich als Alleinerziehende aber nicht mehr als 35 Stunden arbeiten könne. Die Geschäftsführerin sah aus, als ob sie mir an die Gurgel gehen wollte und sagte: "Dann ist das Gespräch hiermit beendet, darf ich Sie jetzt hinausbegleiten?"

Ich verstehe nicht, dass viele Arbeitgeber so ein Problem mit Teilzeit haben. Manchmal schreibe ich meinen Teilzeit-Wunsch offensiv in die Bewerbung, manchmal warte ich damit bis zum Gespräch – je nachdem, wie aufgeschlossen mir der Arbeitgeber erscheint. Dass ich alleinerziehend bin, spreche ich von selbst nicht an. Ich werde im Bewerbungsgespräch aber durchaus danach gefragt. Ein Geschäftsführer sagte beispielsweise, es sei ja klar, dass mein Partner einspringen müsse, wenn das Kind krank werde. Eine ebenfalls anwesende Kollegin sagte dann: Moment mal, frag sie doch erst mal, ob es überhaupt einen Partner gibt. Alleinerziehend zu sein ist ein Makel in der Arbeitswelt. Man wird sofort als nicht belastbar und nicht leistungsfähig abgestempelt. Das ist schade.

Der Vater meines Sohnes und ich waren nie ein Paar. Die Schwangerschaft war ein "Unfall" und ich habe allein entschieden, das Kind zu bekommen. Insofern kann ich nichts Schlechtes über ihn sagen – ich habe mich bewusst darauf eingelassen, alleinerziehend zu werden. Damals war mir allerdings auch nicht klar, wie hart die Arbeitssuche werden würde. 

"Ich weigere mich trotzdem, ins Callcenter zu gehen und für so wenig Geld zu arbeiten, als hätte ich gar nichts gelernt."
Rebecca*, 47

Ich weigere mich trotzdem, ins Callcenter zu gehen und für so wenig Geld zu arbeiten, als hätte ich gar nichts gelernt. Da hat doch keine Firma was von, weil ich so schnell wie möglich wieder weg sein werde. Auch volkswirtschaftlich ist das doch unsinnig: Erst finanziert der Staat ein teures Studium und dann gibt es keine adäquaten Stellen, nur weil man alleinerziehend ist?

Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, bald wieder eine qualifizierte Arbeit zu finden. Nicht zuletzt, um meinem Sohn auch etwas bieten zu können. Er muss nicht immer die neuesten und teuersten Sachen haben. Aber ihm einen schönen Urlaub ermöglichen, ihm die Welt zeigen, seinen Horizont erweitern, das ist mir wichtig. Ich träume davon, mit ihm nach Asien zu reisen.

Inzwischen leben mein Sohn und ich allerdings von Hartz IV. Zu zweit haben wir etwa 700 Euro zur Verfügung, nachdem die Miete bezahlt ist. Das ist schon knapp. Der Vater unterstützt unseren Sohn mit 150 Euro. Das entspricht dem gesetzlichen Mindestsatz, es ist für mich momentan aber auch unerheblich, wie viel er zahlt: Der Unterhalt wird sowieso auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Viel wichtiger ist für mich, dass der Vater jedes zweite Wochenende für unser Kind sorgt, sodass ich auch ein bisschen Zeit für mich habe. Sosehr ich mein Kind liebe – sonst würde mir alles zu viel werden.