Volkskrankheit Depression

Definiton, Diagnose und Betroffene

01.12.2022 Von Angelika Völkel

Nachts schläft Elisabeth K. schon seit Jahren nicht mehr durch. Wenn sie mitten in der Nacht aufwacht, drängen sich ihr immer wieder die gleichen Gedanken auf. Dann erscheint ihr das Leben noch bedrohlicher. Morgens braucht sie sehr lange, bis sie sich für die Arbeit fertig macht. Sie hat schon vergessen, wie es ist, sich auf den Tag zu freuen. Die 52-Jährige arbeitet als Buchhalterin in einer kleinen Maschinenfabrik. Weil sie dort meistens allein im Büro sitzt, muss sie sich immerhin gegenüber den Kolleg:innen nicht wegen ihres Gemütszustands erklären. Wenn sie abends nach Hause kommt, fällt es ihr schwer, ihren 14-jährigen Sohn zu versorgen. Sie schafft es aber trotzdem, sich immer wieder zusammen zu reißen und zu funktionieren, wie sie es formuliert. Vor kurzem war sie wegen starker Magenbeschwerden bei ihrer Hausärztin. Die nahm sich mehr Zeit als sonst und sprach sie auf ihren Zustand an. Sie riet ihr, sich dringend psychotherapeutische Unterstützung zu suchen und gab ihr sogar ein paar Adressen mit.

Es ist völlig natürlich, sich nicht jeden Tag gut zu fühlen. Auch wer den Verlust einer ihm nahestehenden Person oder die Trennung vom Partner als schmerzhaft erlebt und Zeit braucht, damit fertig zu werden, reagiert vollkommen angemessen. Sich damit abzufinden, dass es einem - vielleicht schon länger - nicht gut geht, dass man schlecht schläft und das Leben keine Freude mehr macht, das machen leider zu viele Menschen. Doch je eher man sich professionelle Unterstützung sucht, desto besser und schneller kann man eine Depression überwinden.

Was ist eine Depression?

Eine Depression ist eine psychische Krankheit mit den drei Grundsymptomen Antriebslosigkeit, Verlust von Freude und gedrückter Stimmung. Weltweit leiden 280 Millionen Menschen darunter, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt. In Deutschland sind 11,3 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer daran erkrankt. Frauen leiden damit etwa doppelt so häufig an Depression wie Männer. Insgesamt erkranken im Laufe eines Jahres etwas mehr als acht Prozent der deutschen Bevölkerung daran. Die WHO schätzt, dass im Jahre 2030 die Depression die am weitesten verbreitete psychische Erkrankung sein wird.

Stimmungen, die im Zusammenhang mit bestimmten Lebensereignissen auftreten, kann man sehr gut von einer Depression abgrenzen. Wer jedoch depressiv ist, fühlt sich gedrückt, ohne dass das in direktem zeitlichem Zusammenhang mit einem Ereignis stehen muss. Er kann sich für nichts richtig interessieren, erlebt ein Gefühl von Sinnlosigkeit und innerer Leere. Den Betroffenen fällt es immer schwerer, sich zu motivieren.

Darüber hinaus leiden viele Betroffene unter Schlafstörungen, die vor allem in der zweiten Nachthälfte besonders ausgeprägt sind. Viele Erkrankte haben wenig Appetit und verlieren an Gewicht, andere neigen zu übermäßigem Essen und nehmen deutlich an Gewicht zu. Das Denken und Handeln der Patienten ist verlangsamt. Andere wiederum fühlen sich ständig innerlich unruhig, so dass es ihnen schwerfällt, stillzusitzen.

Menschen mit Depressionen haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, fühlen sich ständig müde und energielos und verlieren auch das Interesse an Sexualität. Das Selbstwertgefühl leidet: Die Erkrankten fühlen sich minderwertig, machen sich selbst schlecht und schreiben sich häufig unbegründet eine übertriebene Schuld zu. Oft ist eine Depression auch von körperlichen Beschwerden oder Schmerzen begleitet, für die sich keine organische Ursache finden lässt.

Wie wird eine Depression diagnostiziert?

Die Diagnose Depression wird erst gestellt, wenn die Symptome länger als 14 Tage anhalten. Für Außenstehende ist oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass jemand an einer Depression erkrankt ist. Dazu zählt häufig auch der Hausarzt oder behandelnde Arzt der Betroffenen. Denn die typischen Symptome können in unterschiedlichen Schweregraden und unterschiedlicher Zusammenstellung auftreten und sich in ihrer Dauer deutlich unterscheiden.

Deshalb ist immer ein ausführliches Gespräch mit einem erfahrenen Arzt oder Psychotherapeuten notwendig, um eine Diagnose stellen zu können. Manchmal werden ergänzend Fragebögen verwendet, in denen die einzelnen Symptome, ihre Dauer und ihr Schweregrad genau erfasst werden.

Nach dem internationalen wissenschaftlichen Klassifikationssystem ICD 10 (seit 2022 ICD 11) wird die Diagnose einer Depression dann gestellt, wenn mindestens eines der Kernsymptome vorliegt, das sind niedergeschlagene Stimmung, Antriebsminderung oder Verlust von Interesse und Freude. Außerdem müssen mindestens zwei weitere Symptome wie Schlafstörungen, veränderter Appetit oder Konzentrationsprobleme vorliegen.

Wer kann an einer Depression erkranken?

Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, also die Lebenszeitprävalenz, beträgt 16 bis 20 Prozent und ist damit sehr hoch. Es kann jeden unabhängig von Alter Geschlecht oder sozialem Status treffen. Die Depression gilt inzwischen als Volkskrankheit und ist die häufigste psychische Erkrankung.

So zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Gesundheitsumfrage, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt etwa fünf Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren an einer Depression leiden. Nur zehn Prozent der depressiven Patient:innen werden angemessen behandelt. Einige Betroffene erhalten Zeit ihres Lebens nicht die richtige Diagnose.

Wurde eine Depression aber als solche erkannt und diagnostiziert, kann den Betroffenen gut geholfen werden.

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