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Vorstellung der Strafverfolgungsstatistik 2020

Zahl der Verurteilungen insgesamt leicht rückläufig / Anstieg bei Attacken auf Vollstreckungsbeamte und bei Beleidigungen


Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza hat am heutigen Donnerstag in Hannover die Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2020 vorgestellt. Die Zahl der in Strafverfahren rechtskräftig verurteilten Personen in Niedersachsen ist danach im Corona-Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 4 Prozent auf 66.497 zurückgegangen (2019: 69.187). Die Zahl der Freisprüche ging ebenfalls leicht zurück, sie sank von 2.785 auf 2.531.

Justizministerin Barbara Havliza: „Vor allem zu Beginn des vergangenen Jahres waren die Gerichte gezwungen, Verhandlungen aufzuheben. Die Strafgerichte haben die Situation aber sehr schnell in den Griff bekommen. So ist etwa die durchschnittliche Dauer von Strafverfahren bei den Amtsgerichten im Vergleich zu 2019 nur um rund 12 Tage gestiegen. Zugleich passt der Rückgang der Verurteilungen in den allgemeinen Trend. Niedersachsen ist in den vergangenen Jahren immer sicherer geworden. Vor allem in Kriminalitätsbereichen, vor denen sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht fürchten: Ich denke etwa an Körperverletzungen oder Diebstähle. Zum Glück ist das Risiko, in Niedersachsen Opfer eines Kapitaldeliktes zu werden, äußerst niedrig.“

Anstiege bei den Verurteilungen gibt es jedoch in einzelnen Deliktsfeldern. Dies betrifft etwa Attacken auf Amtsträger, Beleidigungen, verbotene Kraftfahrzeugrennen oder Straftaten nach dem Pflichtversicherungsgesetz.

Allgemeine Daten: Einen traditionell deutlichen Unterschied gibt es zwischen den Geschlechtern: Vor den Strafgerichten in Niedersachsen werden nach wie vor ganz überwiegend Männer verurteilt. Von den 66.497 Verurteilten im Jahr 2020 waren rund 82 Prozent Männer (54.594). Rund 79 Prozent (52.504) der 66.497 Personen wurden zu einer Geldstrafe verurteilt; rund 14 Prozent zu einer Freiheitsstrafe (9.149). Eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung wurde in 2.793 Fällen verhängt (4,2 Prozent). Der Anteil der Nichtdeutschen oder Staatenlosen unter den Verurteilten beträgt 30,6 Prozent (2019: 30,4 Prozent).

Bei den Straftaten gegen das Leben (z.B. Mord, Totschlag) gab es im Jahr 2020 insgesamt 124 Verurteilungen – 25 Verurteilungen weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Verurteilungen wegen Mordes ist mit 21 gegenüber 10 Verurteilungen im Vorjahr deutlich angestiegen. Allerdings gibt es mit 26 Verurteilungen wegen Totschlags im Jahr 2020 auch deutlich weniger Verurteilungen wegen dieses Tatvorwurfs als 2019 (40). Der Gesamtwert der Verurteilungen bei den Straftaten gegen das Leben blieb gegenüber dem Jahr 2018 (123) konstant und ist im Zehn-Jahres-Vergleich (158) deutlich gesunken.

Rückläufig sind die Verurteilungen aufgrund sog. Vermögensdelikte. Bei Diebstahl und Unterschlagung sind die Zahlen im Vergleich zu 2019 um rund 10 Prozent gesunken (11.351 auf 10.181), im Vergleich zu 2015 (13.327) sogar um rund 23 Prozent. Ein ganz ähnliches Bild gibt es bei Betrug und Untreue. Hier sind die Verurteilungen von 2019 zu 2020 um knapp 4 Prozent gesunken (12.929 auf 12.432), im Vergleich zu 2015 (15.643) sogar um mehr als 20 Prozent. Dass es sich auch bei diesen Zahlen um einen nachhaltigen Trend handelt, zeigt ein Vergleich mit den Verurteilungen aus 2010 (18.170), wonach ein Rückgang von rund 31 Prozent zu verzeichnen ist.

Auch der Trend von rückläufigen Aburteilungen bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (z.B. Körperverletzungsdelikte) hält an. Der Rückgang im Jahr 2020 (6.057) im Vergleich zu 2019 (6.588) beträgt rund 8 Prozent, im Vergleich zu 2015 (7.332) mehr als 17 Prozent und im Vergleich zu 2010 (9.598) knapp 37 Prozent. Der höchste Wert seit 2007 wurde 2008 erreicht, hier wurden 10.744 Personen wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit verurteilt. Im Vergleich hierzu stellt der Wert 2020 also einen Rückgang um mehr als 43 Prozent dar.

Ein leichter Anstieg der Verurteilungen ist bei den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erkennen. Von 2019 (824) auf 2020 (838) beträgt der Anstieg der Verurteilungen knapp 2 Prozent. In diesem Zusammenhang wies Ministerin Havliza ergänzend auf steigende Zahlen bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Kinderpornographie hin: „Das Ausmaß ist erschreckend“, so Havliza. „Aus diesem Grund wollen wir die zuständige Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft Hannover im kommenden Jahr um zehn Stellen verstärken, davon 8 Staatsanwälte. Das ist ein in diesem Deliktsbereich so noch nicht dagewesener Zuwachs, der allerdings auch dringend notwendig ist.“

Entgegen der Entwicklung aus den Vorjahren gibt es auch einen Rückgang der Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz, also der sog. Drogenkriminalität. Hier sanken die Verurteilungen von 5.823 (2019) auf 5.526 – rund 5 Prozent. Der Wert liegt damit wieder auf ähnlichem Niveau wie 2018 (5.514).

Eine erschreckende Entwicklung lässt sich bei Attacken insbesondere auf Polizisten erkennen. Seit Mitte 2017 gibt es im Strafgesetzbuch den neuen § 114 StGB (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte). Bei den Verurteilungen ist ein deutlicher Anstieg zu beobachten; von 548 Verurteilungen in 2019 auf 669 in 2020, ein Anstieg von rund 22 Prozent. Im Vergleich zu den Verurteilungen aus 2018 (234) liegt der Zuwachs an Aburteilungen sogar bei knapp 186 Prozent. Havliza: „Tätliche Übergriffe auf Vollstreckungsbeamte sind ein gesellschaftliches Problem, das sich auch in der Zahl der Verurteilungen widerspiegelt. Nicht nur der Ton wird rauer. Die Taten werden es auch. Wir müssen auf dieses Problem immer wieder engagiert hinweisen, damit es nicht unterschätzt wird.“

Ein Anstieg ist bei den Beleidigungsdelikten zu erkennen. Im Vergleich zu 2019 (2.468) gibt es in 2020 (2.588) einen Anstieg um knapp 5 Prozent, im Vergleich zu 2018 (2.340) sind es rund 10 Prozent und im Vergleich zu 2010 (2.045) liegt der Zuwachs bei rund 26 Prozent. Havliza: „Der Anstieg über die Jahre ist augenfällig. Die gerichtliche Praxis bestätigt, wie wichtig es war, bei der Staatsanwaltschaft Göttingen eine Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet einzurichten. Der Verfolgungsdruck muss hoch sein.“

Nach wie vor verursachen Straftaten im Straßenverkehr einen Großteil der Arbeit der Justiz. Hier gab es hier im vergangenen Jahr 15.654 Verurteilungen, ca. 2 Prozent weniger als 2019 (16.038). Einen deutlichen Anstieg gibt es allerdings bei den Verurteilungen aufgrund des Vorwurfs des verbotenen Kraftfahrzeugrennens. Hier stiegen die Verurteilungen im Vergleich zu den Vorjahren auf nunmehr 49 an. Das ist ein Zuwachs von knapp 158 Prozent gegenüber 2019 (19) und knapp 717 Prozent im Vergleich zu 2018 (6). Einen im Langzeitvergleich zunehmenden Anstieg gibt es zudem bei den Verurteilungen wegen Straftaten nach dem Pflichtversicherungsgesetz. Im Jahr 2010 wurden 1.164 Personen verurteilt, 2020 waren es 1.650 Personen. Über die Ursachen kann die Justiz nur spekulieren, eine Erklärung könnten aber zunehmende Manipulationen an E-Fahrrädern oder E-Roller sein.

Weitere Informationen zur Strafverfolgungsstatistik

Die Strafverfolgungsstatistik wird jährlich erhoben. In der Statistik wird die Tätigkeit der Strafgerichte erfasst, nachdem Anklage erhoben wurde. Damit sind diejenigen Taten nicht berücksichtigt, bei denen keine Tatverdächtigen ermittelt werden konnten. Ebenso wenig fließen Zahlen zu Taten ein, bei denen das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt wurde. Insofern kann die Strafverfolgungsstatistik kein umfassendes Bild der Kriminalität vermitteln. Sie darf nicht mit der Kriminalstatistik der Polizei verwechselt werden.

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.09.2021

Ansprechpartner/in:
Herr Christian Lauenstein

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044

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