Wie dramatisch trifft die Arbeiterlosigkeit die Wirtschaft wirklich?

Für wie problematisch halten die Personalentscheider*innen hierzulande die aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt?
Schon lange ist der Fachkräftemangel in Deutschland ein Thema. Die Zahl an freien Arbeitsstellen steigt stetig. Im August meldete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), es seien 1,9 Millionen offene Stellen zu besetzen – so viele wie nie zuvor. Dieser Trend wird sich demografiebedingt verstärken. Zusammen mit einem so kaum vorherzusehenden Post-Krisen-Boom am Arbeitsmarkt treffen die ersten Effekte der Arbeiterlosigkeit bereits heute einen Großteil der deutschen Unternehmen. Selbst große Marken mit Strahlkraft müssen sich im verschärften Wettbewerb um die besten Fachkräfte beweisen. Doch wie viele Unternehmen sind von der Arbeiterlosigkeit schon heute betroffen? Vor welchen Herausforderungen stehen sie und wie können Unternehmen der Arbeitskräfteknappheit begegnen? Stepstone führt regelmäßig Studien durch, um genau diese Fragen zu beantworten – und hat hierdurch die Möglichkeit, die Entwicklung im Zeitverlauf zu vergleichen. Ist die Situation heute wirklich dramatischer als noch vor wenigen Jahren? Im September 2022 wurden gut 700 Personalentscheider*innen in Deutschland online befragt, um ihre aktuelle Sicht der Dinge mit den Ergebnissen vergangener Studien zu vergleichen.

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Produktivitätsverluste weiten sich aus

„60 Prozent der Unternehmen spüren einen Produktivitätsverlust durch unbesetzte Stellen. Personalmanager befürchten, dass ihre Unternehmen deshalb weniger innovativ und wettbewerbsfähig werden“. So heißt es in einer Stepstone Pressemitteilung vom 18. September 2019.  Angesichts immer neuer Rekorde am Arbeitsmarkt 2022 erscheint folgerichtig, dass die Zahl der Unternehmen, die von Produktivitätsverlusten betroffen sind, mittlerweile gestiegen ist. Rund 80 % der Unternehmen in Deutschland spüren in 2022 einen Produktivitätsverlust durch unbesetzte Stellen. Das illustriert, mit welcher Geschwindigkeit und Intensität der Wettbewerb am Arbeitsmarkt zunimmt und sich die Entwicklung zum Bewerber*innen-Markt vollzieht. Die Auswirkungen der Arbeiterlosigkeit, von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil als größte Wachstums- und Wohlstandsbremse bezeichnet, stehen dabei erst am Anfang angesichts der demografischen Entwicklung, wonach laut IAB bis 2060 über 16 Millionen Arbeitskräfte wegfallen werden.

Der Unternehmenserfolg hängt stark vom Wettbewerb um die besten Fachkräfte ab

Halten sich Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt die Waage, bedeutet das: Augenhöhe zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. In der Vergangenheit und in Zeiten der Arbeitslosigkeit waren die Unternehmen überwiegend am „längeren Hebel“. Was aber, wenn sich der Markt plötzlich zum Bewerber*innenmarkt wandelt? Der Konkurrenzkampf um die verbleibenden Arbeitskräfte verschärft sich drastisch. Der Anteil der Personalentscheider*innen, die angeben, seit 1 bis 2 Jahren den Wettbewerb um die besten Fachkräfte zu spüren, ist innerhalb der letzten zwei Jahre von 17 % auf 41 % angestiegen. Kaum ein Unternehmen gab im Rahmen der Studie an, die Auswirkungen der Entwicklungen am Arbeitsmarkt nicht zu spüren. Der Anteil schrumpfte um mehr als die Hälfte – und angesichts der aktuellen Nachrichtenlage überraschen selbst noch die 13 %, die dies angeben. Nicht überraschend hingegen ist, dass dieser Wettbewerb um Mitarbeiter*innen in 2022 als größte Herausforderung für den Unternehmenserfolg angegeben wurde, noch vor Energie- und Rohstoffniveaus und der konjunkturellen Entwicklung. Das liegt sicherlich aber auch an der Zielgruppe der Befragung.

Arbeiterlosigkeit ist eine der größten Herausforderungen im Recruiting

Die traditionell größte Herausforderung im Recruiting ist es, geeignete Kandidat*innen zu finden. In 2020 gaben 80 % und in 2022 85 % der Befragten an, dass es für sie schwierig sei, geeignete Kandidat*innen zu finden. Besonders deutlich wird die historische Einmaligkeit der aktuellen Situation bei einem anderen Ergebnis: 2020 war es bereits für gut zwei Drittel der Unternehmen eine wesentliche Herausforderung überhaupt genügend Kandidat*innen zu finden. Dieser Wert schnellt 2022 auf 83 % hoch. Kein Wunder, dass Unternehmen zunehmend auf Quereinsteiger*innen setzen. Folgerichtig geben ca. drei von vier Recruiter*innen den Zeitdruck und die internen Anforderungen an Stellenbesetzungen als nächstgrößere Herausforderungen an. Während die Schwierigkeiten, diese zu meistern, immer größer werden, verhält es sich mit der Bereitstellung von ausreichendem Budget für die Stellenbesetzung umgekehrt. Hier hat sich der Wert sogar minimal verbessert. Ein Anzeichen dafür, dass in den Chefetagen ein Umdenken stattgefunden hat. Noch wichtiger wäre allerdings ein Umdenken auf Ebene der Führungskräfte, die einsehen müssen, dass die Suche nach der sprichwörtlichen ‚eierlegenden Wollmilchsau‘ kein erfolgsversprechendes Zukunftsmodell ist.

Unternehmen müssen zukunftsgerichtet investieren

Angesichts der momentan schwierigen Personallage für Unternehmen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind zukunftsgerichtete Investitionen nötig, die nicht nur die Passung von Stellen und Kandidat*innen optimieren, sondern zugleich die Produktivität steigern.

Mehr zum Thema Produktivität:
Ein Wachstumspfad für mehr Produktivität, Innovation und Beschäftigung (Gutachten des IW mit Stepstone, New Work & Kienbaum)

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Effektive und bewerberfreundliche Recruitingprozesse zu etablieren, bedeutet der Arbeitskräfteknappheit entgegenzusteuern. Wie Stepstone durch eine Befragung zu Jobsuche und Bewerbung in 2020 herausfand, wird ein solcher Prozess immer stärker zu einem Entscheidungsfaktor. Das ist nicht verwunderlich, denn die Menschen haben immer öfter die Wahl zwischen mehreren Angeboten. Nicht zuletzt gewinnen ganzheitliche Employer-Branding-Maßnahmen an Bedeutung, denn die Überzeugung von Kandidat*innen als Erfolgsfaktor für Unternehmen ist der Arbeitskräfteknappheit inbegriffen und wird immer wichtiger. Knapp zwei Drittel der Befragten bestätigen, es sei eine Herausforderung, Kandidat*innen vom eignen Unternehmen zu überzeugen – eine Einschätzung, die über einen Zweijahreszeitraum um 20 % anstieg. Der Aufbau einer starken Unternehmensidentität und Arbeitgebermarke sind der Schlüssel für ein erfolgreicheres Recruiting und die langfristige Bindung von Mitarbeitenden. Gerade jetzt kommt es darauf an, sich als Unternehmen abzuheben und den potenziellen Mitarbeitenden im Gedächtnis zu bleiben.

Über die Studie

Wie stark trifft die Arbeiterlosigkeit die Wirtschaft wirklich? Und welche Veränderungen lassen sich im Zeitverlauf feststellen? Um dies herauszufinden hat Stepstone im September 2022 ca. 700 Personalentscheider*innen zu ihren aktuellen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg befragt. Durchgeführt wurde die Befragung mit dem Marktforschungstool Appinio. Die Ergebnisse wurden verglichen mit den Ergebnissen des Stepstone Report Arbeitgeberattraktivität (2020, Befragung 2019) und der Stepstone Befragung zu Jobsuche und Bewerbung (2020).

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