1. Startseite
  2. Lokales
  3. Göttingen
  4. Göttingen

Einfach nur eine gute Chefin sein: Gwendolin von der Osten ist Präsidentin der Polizeidirektion Göttingen

KommentareDrucken

Gwendolin von der Osten
Erste Frau an der Spitze der Polizeidirektion Göttingen: Gwendolin von der der Osten übernahm die Position nach der Abberufung von Uwe Lührig am 24. Februar 2021. Sie setzt auf Kommunikation und Austausch. © N. Leunig

Sie hat die Zügel in der Hand: Gwendolin von der Osten ist Polizeipräsidentin in Göttingen. Im Interview spricht sie über Polizeiarbeit, Neuanfänge, den „Tatort“ und die Bahn.

Göttingen – Genau einen Tag lang hatte Gwendolin von der Osten Zeit, sich zu überlegen, ob sie den nächsten Karrieresprung machen und Polizeipräsidentin in Göttingen werden wollte. Nach dem so plötzlichen Aus für Uwe Lührig musste Innenminister Boris Pistorius (SPD) zügig Ersatz finden.

Der Familienrat von der Osten stimmte zu und die dreifache Mutter war frei für Göttingen, wo sie am 24. Februar diesen Posten übernahm. Ein Posten, der es seit Jahrzehnten in sich hat und die Vorgänger – ausnahmslos Männer – extrem forderte, vor allem auch aufgrund des politisch extremen Umfelds.

Polizeipräsidentin in Göttingen: „Familie trägt alles mit“

„Meine Familie trägt alles mit, sie bestärkt und stützt mich – sonst würde es nicht funktionieren“, sagt die 49-Jährige, bei der es, seit sie 2003 den Weg zur Polizei suchte und fand, nur aufwärts ging: Leiterin Kriminaldienst Verden, 2009 dann der Wechsel nach Hannover, Leiterin Ermittlungsdienst auch in der „härtesten Wache der Stadt“, wie die „Bild“ einst schrieb. Später dann Inspektionsleiterin in der Polizeiinspektion Hannover-Mitte.

Viel gelernt hat sie überall. In Hannover sei sie ganz nah dran gewesen „am Leben“. Im Ermittlungsdienst habe sie viel von den „oft sehr erfahrenen Kollegen“ mitgenommen.

Polizeipräsidentin in Göttingen: Unterschiedliche Tätigkeiten für unterschiedliche Menschen

„Es war spannend zu sehen und zu spüren, wie Ermittler denken und ticken. Das sind spezielle Typen“, sagt die Juristin, die seit ihrer Zeit bei der Polizei ohnehin festgestellt hat, dass die sehr unterschiedlichen Tätigkeiten oft auch zu unterschiedliche Typen Menschen passen. „Die Polizei ist ein sehr vielfältiges Arbeitsfeld, mit Entwicklungsmöglichkeiten für unterschiedliche Menschen.“

Was wie ein Werbespruch klingt, ist aus der Erfahrung und Überzeugung heraus gesagt. Die Polizeiarbeit entspreche eben nicht den Klischees, die in Krimis transportiert würden.

„Ich schaue mir durchaus gerne ‘Tatort‘ an, aber so wie im Film läuft unsere Arbeit nicht ab“, schmunzelt von der Osten, die in Göttingen nach gut zwei Monaten bereits „angekommen ist“ und von Kolleginnen und Kollegen offen aufgenommen wurde.

Polizeipräsidentin in Göttingen: Kommunikation sehr wichtig

Unvorbereitet war die gebürtige Braunschweigerin aber nicht: „Ich kenne Uwe Lührig gut, wir haben uns ausgetauscht, er gab mir Infos und ist weiterhin sehr kollegial“, sagt von der Osten, die als Polizeipräsidentin in Göttingen den Laden demnach auch gar nicht umkrempeln muss und will. Das sei nicht nötig. Vieles laufe und solle so weiterlaufen.

Große Bedeutung misst sie der Kommunikation bei – intern im Präsidium und mit den Akteuren von Stadt, Feuerwehren, Medien und anderen. „Das Netzwerk ist wichtig. Hier in Göttingen steht es.“

Schwierig werde es, wenn ein Netzwerk Lücken aufweise, so bei der Zusammenarbeit wie bei Großeinsätzen. „Der Aufbau eines Netzwerkes in einer Stadt ist in der Krise sehr schwer.“

Polizeipräsidentin in Göttingen: Wachsende Anforderungen

Das habe ihr die Corona-Krise gezeigt, ebenso, wie die ständigen Änderungen der Corona-Verordnungen auf die tägliche Polizeiarbeit bis zum Streifendienst durchschlagen und verarbeitet werden mussten. „Eine Riesenaufgabe für alle“, sagt von der Osten, die aber auch weiß, wie schwierig das Agieren für die politischen Entscheider ist.

Für die Arbeit der Polizei sieht die Präsidentin wachsende Anforderungen: So verlange die Verlagerung von Präsenzstraftaten in den virtuellen Raum, die Internetkriminalität mehr Flexibilität: „Wir benötigen Experten und müssen sie auch entsprechend bezahlen können.“

Mit der normalen Besoldung habe man keine Chance, diese gesuchten IT-Leute zu bekommen. „Da müssen wir flexibler werden.“

Polizeipräsidentin in Göttingen: Auf Gespräche setzen

Als schwierig bewertet sie das Abwägen zwischen Härte und Zurückhaltung bei Einsätzen, denn es gelte vieles zu beachten: auch andere Kulturen oder Provokationen von politisch Extremen. Das Reden könne viel zur Deeskalation beitragen. Manchmal brauche es aber auch das Durchgreifen, wie bei Straftaten gegen Menschen, so auch der Gewalt gegen Polizisten, „die leider häufiger wird“.

Gwendolin von der Osten hinterfragt vieles, auch innerhalb der Polizeistrukturen, aber auch ihr eigenes Verhalten. Manchmal aber stößt die kommunikative, offene Frau dabei an die Grenzen: „Dann müssen wir auch Stärke zeigen.“

Dennoch: In Göttingen will sie, die dort für manche schon kraft Amtes eine Hass- zumindest aber Reizfigur ist („Das weiß ich natürlich“) auf Gespräche setzen, sich auch mit denen unterhalten, die Polizei als Gegner sehen.

Polizeipräsidentin in Göttingen: Pendeln per ICE

„Mal schauen“, sagt die Polizeipräsidentin, die auch diesbezüglich guter Dinge ist und vor allem eine gute Chefin sein will, in einem großen Laden und mit etwa 2900 Mitarbeitern.

Übrigens: Die Bande zu Hannover bleiben für von der Osten bestehen. „Es war eine Bedingung für die Zusage, weiter mit der Familie in Hannover zu wohnen.“ Das Pendeln per ICE empfindet sie als „sehr einfach“.

Damit erfüllte sie sich sogar einen Traum: „Ich habe mir die Bahncard 100 gekauft, die wollte ich immer haben.“ So komme sie schon ein wenig relaxt zu Hause an. Für weitere Entspannung sorgt das Kochen und gemeinsame Familienessen am Abend. (Thomas Kopietz)

Zur Person

Gwendolin von der Osten (49) wurde in Braunschweig geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist Volljuristin und seit 2003 bei der Polizei in unterschiedlichen Verwendungen tätig, so als Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion Verden Osterholz in der Polizeidirektion Oldenburg, als Leiterin des Kriminal- und Ermittlungsdienst in der Polizeiinspektion Hannover-Mitte, Leiterin des Polizeikommissariats Lahe, Leiterin der Polizeiinspektion Hannover-Mitte. Von Oktober 2019 bis Februar 2021 war sie Referatsleiterin Einsatz und Verkehr im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport.

Auch interessant

Kommentare