Waldrapp – Navigations­training­ für Zugvögel

In menschlicher Obhut werden Waldrappe großgezogen. Sie lernen, über die Alpen in ihre Winterquartiere zu fliegen.

Waldrapp
Waldrappe wurden vor Jahrhunderten in Europa ausgerottet. Gemeinsam mit dem Tiergarten Schönbrunn in Wien, dem Waldrappteam und anderen Institutionen hilft die Deutsche Wildtier Stiftung bei der Wiederansiedlung der seltenen Vögel und Erforschung ihrer Zugrouten.

Der Waldrapp (Geronticus eremita) war einst eine weit verbreitete Vogelart in Europa, Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel. In Europa wurde die Art bereits im Mittelalter ausgerottet. Im vergangenen Jahrhundert verschwanden auch die Bestände außerhalb Europas, mit Ausnahme zweier Kolonien in Marokko.
Die Weltnaturschutzunion IUCN klassifizierte in ihrer Roten Liste die Art 1994 als „vom Aussterben bedroht“. Aufgrund zahlreicher Artenschutzbemühungen konnte der Status im Jahr 2018 auf „stark gefährdet“ angepasst werden.

Artenschutz konkret

Derzeit laufen zwei Wiederansiedlungsprojekte – beide in Europa. In Andalusien wurde eine ortstreue Population angesiedelt. Das österreichisch-deutsche Waldrappteam gründete eine migrierende Population. Es ist der weltweit erste Versuch, eine kontinental ausgestorbene Zugvogelart wiederanzusiedeln und gleichzeitig ihre Zugtradition wiederzuerwecken. Die Gründervögel beider Wiederansiedlungsprojekte stammen aus Zoos, in denen die Art erfolgreich gezüchtet wird.
Das Kooperationsprojekt der Deutschen Wildtier Stiftung mit dem Tiergarten Schönbrunn umfasst die GPS-Besenderung von Jungvögeln aus der migrierenden Waldrapp-Population und die Vermittlung der gewonnenen Daten an die Öffentlichkeit. Dieses Projekt soll dabei helfen, die Gefahren, die Vögel bedrohen, besser zu bestimmen und damit Schutzmaßnahmen zielgerichteter zu entwickeln.

Aktuelles

Waldrappe im Flug Foto: Conservation and Research
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Eine aktuelle Meldung des Waldrappteam Conservation and Research lässt Ornithologen aufhorchen: Der Großteil der Waldrappe aus den Kolonien des nördli…
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Foto: Waldrappteam Conservation & Research/Schönbrunner Tiergarten
Junge Waldrappe lernen jetzt fliegen
Die Deutsche Wildtier Stiftung unterstützt die bedrohten Vögel erneut mit 40 GPS-Sendern. Bis 2028 soll es in Europa wieder eine wildlebende Populatio…
Zum Artikel vom 11.07.2022

Menschliche Lotsen fliegen voraus – eine kühne Idee

Wiederansiedlung seit 2002

Das österreichisch-deutsche Waldrappteam begann 2002 mit einer Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung des Waldrapps in Mitteleuropa. Es entwickelte eine Methode zur Gründung migrierender Populationen. Dabei werden Küken, die in Zoos geschlüpft sind, mit der Hand aufgezogen und so auf den Menschen geprägt, der sich um sie kümmert. Diese Bezugsperson, der die Jungtiere folgen, fliegt als Copilotin in Ultraleichtflugzeugen voraus und zeigt den Vögeln die Flugroute in ein gemeinsames Überwinterungsgebiet in der Toskana.

Eine neue mitteleuropäische Population entsteht

Erste Erfolge

Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie wurde 2014 mit dem Aufbau einer migrierenden Waldrapp-Population in Mitteleuropa begonnen. Ende 2020 umfasste sie bereits mehr als 150 wildlebende Individuen, aufgeteilt auf vier Brutkolonien, mit einem gemeinsamen Wintergebiet in der südlichen Toskana. Eine aktuelle Analyse des Leibnitz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung definiert die Mindestgröße für eine selbständig überlebensfähige, migrierende Waldrapp-Population in Europa mit 314 Individuen. Es stellte sich heraus, dass die Waldrappe im Alter von zwei bis drei Jahren selbständig in ihre österreichischen oder deutschen Herkunftsgebiete zurückkehren und dort brüten. Sie zeigen ihrem Nachwuchs den Weg nach Süden und etablieren eine neue Zugtradition. Im mehrjährigen Mittel überleben 62 Prozent der Jungvögel das erste Lebensjahr. 83 Prozent der geschlüpften Küken werden flügge (in der Wildkolonie in Marokko sind es nur 47 Prozent).

Fernüberwachung mit GPS

Derzeit sind alle Individuen mit GPS-Sendern ausgestattet. Dies ermöglicht eine Fernüberwachung der gesamten Population. Die Positionen werden in einer projekteigenen Datenbank gespeichert und in der App „Animal Tracker“ veröffentlicht.
Das Fernmonitoring der Population mittels GPS-Sender liefert grundlegende Daten und ermöglicht gezielte Maßnahmen gegen Wilderei und von Menschen verursachte tödliche Hindernisse. Durch GPS-Daten können auch großräumige Bewegungsmuster dokumentiert und wissenschaftlich analysiert werden.
Über die App „Animal Tracker“ begeistern sich immer mehr Naturfreunde für das Projekt. Mit Hilfe der App können Freiwillige im gesamten Projektgebiet bei Bedarf mobilisiert werden, etwa bei Verdacht auf Unfälle oder Wilderei.

Todesursachen

Illegale Vogeljagd verursachte vor 2014 63 Prozent der Verluste in Italien. Durch gezielte Maßnahmen auf Basis der GPS-Daten und eine umfassende Kampagne konnte diese Rate auf 31 Prozent reduziert werden. Es gelang zudem, einen Täter zu identifizieren und strafrechtlich zu verurteilen.
Stromschlag an ungesicherten Mittelspannungsleitungen ist die Haupttodesursache in Österreich und der Schweiz. Aufgrund der durch das GPS Monitoring belegbaren hohen Verlustrate kam es bereits zur Nachrüstung von Hochrisikomasten in Österreich und der Schweiz. Weitere Maßnahmen sind in Planung.

Die Zukunft: Weitere Kolonien, besserer Schutz

Perspektiven

Ziel des Projekts ist es, die Mindestgröße für eine selbständig überlebensfähige Population bis 2027/28 zu überschreiten, um eine eigenständig migrierende Population zu etablieren. Dies soll insbesondere durch weitere Auswilderungen, die Gründung zusätzlicher Brutkolonien und effizienteren Schutz vor Wilderei und anderen Gefahren erreicht werden.
Auch künftig soll der Großteil der Jungvögel mit GPS-Sendern ausgestattet werden, um die Überlebensrate weiter zu erhöhen und die erfolgreichen Kampagnen gegen illegale Vogeljagd und Stromschlag fortzuführen.

Seit 2021 unterstützen wir das Projekt und finanzieren die Anschaffung von GPS-Sendern für die flüggen Jungvögel, die gemäß der IUCN-Richtlinie ausgewildert werden. Die Besenderung erfolgt durch das erfahrene Waldrappteam Conservation and Research. Die Sender übermitteln mehrmals täglich die Position und werden in einer projekteigenen Datenbank gespeichert.
2023 wurde erstmals eine alternative Flugroute getestet. Statt in das Wintergebiet in der Toskana wurden die Jungvögel nach Andalusien begleitet, um sie dort auszuwildern. In Andalusien wird im Projecto Eremita seit 20 Jahren eine sesshafte Waldrapp-Population aufgebaut. Hintergrund ist, dass die Waldrappe zunehmend Probleme haben, im Herbst die Barriere der Alpen zu überfliegen. Eine neue Zugroute nach Andalusien soll ihnen ermöglichen, ein geeignetes Wintergebiet zu erreichen, ohne durch die Barriere der Alpen daran gehindert zu werden.

Das Projekt zur Wiederansiedlung des Waldrapps in Mitteleuropa ist der weltweit erste Versuch, eine Zugvogelart wieder anzusiedeln und eine neue Zugtradition zu begründen. Die Bedrohung der Zugvögel durch Wilderei, veränderte Landnutzung und Klimawandel nimmt stark zu. Die Erfahrungen aus diesem Projekt können dazu beitragen, auch weitere Zugvogelarten vor dem Aussterben zu bewahren.

Die Bedeutung der Zoologischen Gärten

Unser Projektpartner, der Wiener Tiergarten Schönbrunn zeigt, wie bedeutend Zoos mittlerweile für den Artenschutz geworden sind. Waldrappe werden in vielen Tiergärten erfolgreich vermehrt. In Europa beteiligen sich 91 Zoos, einschließlich des Tiergartens Schönbrunn, am Erhaltungszuchtprogramm. Die Gründertiere beider Waldrapp-Wiederansiedlungsprojekte stammen aus zoologischen Gärten. Im Jahr 2021 war der Tiergarten Schönbrunn bereits zehnmal Schauplatz der Waldrapp-Handaufzucht für das Projekt. Obwohl Waldrappe oftmals als hässliche Vögel tituliert werden, gehören sie in Wien zu den Publikumslieblingen wie der Große Panda, Eisbär und Elefant.

Ansprechperson

Tier des Jahres, Stadtnatur und Vögel

Lea-Carina Mendel

Lea-Carina Mendel

Waldrapp Copyright (c) 2019 Barbara Ash/Shutterstock

Waldrapp

Waldrappe (Geronticus eremita) zählen zu den Ibisvögeln und gehören zu den seltensten Vogelarten der Welt.

Zum Steckbrief
Austernfischer mit Küken / Foto: Mathias_Feldhoff

Küstenvögel – Räuber gefährden die Brut

Auf den Halligen im Wattenmeer fressen Füchse, Marder und Ratten die Gelege vieler Küstenvögel – auch von stark bedrohten Arten. Ein Forschungsprojekt soll Aufschluss darüber geben, wer genau die Räuber sind und welche Bedeutung ihr Treiben hat.

Zum Projekt
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