In Deutschland geht es bei Armutsgefährdung in der Regel nicht um existenzielle Armut wie in den Entwicklungsländern, sondern um eine relative Armut, die sich im Verhältnis zum mittleren Einkommen der Gesamtbevölkerung eines Landes ausdrückt. Eine Person gilt nach der EU-Definition der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen EU-SILC als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung). Nach Erstergebnissen von EU-SILC 2022 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15 000 Euro netto im Jahr (1 250 Euro im Monat). Danach waren hierzulande 14,7 % der Bevölkerung von Armut bedroht. Mit 18,3 % lag die Armutsgefährdungsquote für Personen ab 65 Jahren über diesem Durchschnittswert. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für Personen ab 75 Jahren, deren Armutsgefährdungsquote bei 17,9 % lag. Um das Einkommen vollständig zu erfassen, wird das Jahreseinkommen erfragt. Dadurch beziehen sich die Fragen zum Einkommen auf das Vorjahr der Erhebung, in diesem Fall also auf das Jahr 2021.
Ältere Frauen stärker armutsgefährdet als ältere Männer
In Deutschland sind Frauen in allen Altersgruppen stärker armutsgefährdet als Männer. Nach Erstergebnissen von EU-SILC 2022 betrug die Armutsgefährdungsquote bei Frauen in der Bevölkerung 15,4 % und die bei Männern 13,9 %. Mit zunehmendem Alter wird der Unterschied größer. In der Altersgruppe 65+ hatten Frauen eine Armutsgefährdungsquote von 20,3 % während diese bei den Männern 65+ bei 15,9 % lag. Seniorinnen ab 75 Jahre waren zu 20,6 % armutsgefährdet, während bei den Senioren dieser Altersgruppe die Quote 14,2 % betrug.
Die Ursachen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede liegen unter anderem darin, dass Frauen insbesondere ab dem 30. Lebensjahr, aber auch noch im höheren Alter, seltener erwerbstätig sind beziehungsweise weniger verdienen. Dadurch erwerben sie geringere Rentenansprüche beziehungsweise haben sie seltener ein (zusätzliches) Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den späteren Lebensjahren.
Ältere sind seltener von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen als Jüngere
Während für die Armutsgefährdungsquote das Einkommen ausschlaggebend ist, geht es bei der Messung der materiellen und sozialen Entbehrung um Dinge, die zum allgemeinen Lebensstandard gehören, auf die aber aus finanziellen Gründen verzichtet werden muss. Dazu gehört zum Beispiel, ob sich ein Haushalt eine Woche Urlaub im Jahr leisten kann oder eine Person ein Treffen pro Monat mit Freunden, um etwas essen oder trinken zu gehen.
Erhebliche materielle und soziale Entbehrung ist für Seniorinnen und Senioren in Deutschland seltener ein Thema als für jüngere Menschen. Von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung waren im Jahr 2022 durchschnittlich 6,1 % der Bevölkerung in Deutschland betroffen. Bei den 65-Jährigen und Älteren lag der Anteil bei 3,5 %. In der Altersgruppe 75+ betrug der Anteil 2,1 %.
Weiterführende Informationen
Methodische Hinweise:
Bei den Angaben handelt es sich um Ergebnisse der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC). Die Erhebung ist in Deutschland seit dem Erhebungsjahr 2020 als Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert. Aufgrund der mit dieser Integration verbundenen umfangreichen methodischen Änderungen ist ein Vergleich der Ergebnisse ab Erhebungsjahr 2020 mit den Vorjahren nicht möglich. Ausführliche Informationen zu den methodischen Änderungen sowie deren Auswirkungen auf EU-SILC sind auf einer Sonderseite verfügbar.
Damit zwischen dem Ende des Erhebungsjahres und der Ergebnisbereitstellung möglichst wenig Zeit vergeht, werden seit dem Erhebungsjahr 2020 zunächst Erstergebnisse und mit einigem zeitlichen Abstand Endergebnisse veröffentlicht. Bei den hier erwähnten Ergebnissen für 2022 handelt es sich um Erstergebnisse.