Wie normal wird unser Urlaub im Sommer 2022?

Ein Flugzeug startet am San Diego Airport.

Ein Flugzeug startet am San Diego Airport. Wie reisen wir im Sommer 2022?

Bei den Deutschen hat sich Reiselust aufgestaut, mehr als zwei Jahre Corona-Pandemie mit Verboten und Hürden führen zu einem großen Nachholbedarf. Laut einer Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen planen 57 Prozent der Deutschen für 2022 eine Reise – 27 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. „Der Reiseweltmeister Deutschland meldet sich zurück“, kommentierte der wissenschaftliche Leiter Ulrich Reinhardt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Mit Blick auf Corona verbessern sich die Rahmenbedingungen für den Tourismus zusehends. Immer mehr Länder heben umfassende Reiseeinschränkungen auf oder planen dies in absehbarer Zeit zu tun. Vorreiter waren Großbritannien, Skandinavien, Schweiz und Österreich.

Keine Quarantäne mehr nach dem Urlaub

Zudem stuft Deutschland seit dem 3. März kein Land mehr als Hochrisikogebiet ein – damit fielen auch entsprechende Corona-Reisewarnungen. Nicht geimpfte Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer müssen nicht mehr in Quarantäne. Es erfolgt künftig keine Ausweisung mehr von Hochrisikogebieten aufgrund der Verbreitung der Omikron-Variante. Damit will die Bundesregierung vor allem das Reisen für Familien vereinfachen, „da Kinder unter zwölf Jahren oft nicht geimpft sind und sie daher der Quarantäne nicht entgehen können“.

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Gleichzeitig sieht Reiseforscher Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilian-Universität München einen gewissen „Gewöhnungseffekt“ bei den Menschen. Mit der Omikron-Variante lasse die Verunsicherung nach, auch die Einstufung eines Landes als Risikogebiet habe nicht mehr die abschreckende Wirkung wie noch vor einem Jahr.

Krieg in der Ukraine könnte Urlaubslust dämpfen

Doch der Krieg in der Ukraine überschattet die Urlaubslust der Deutschen. „Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wirft einen dunklen Schatten der Unsicherheit“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig. Veranstalter sagen Reisen nach Russland ab, und Reedereien ändern die Routen bei Hochseekreuzfahrten in der Ostsee, um russische Häfen zu vermeiden.

Abzuwarten bleibe, so Fiebig, ob und inwieweit der von Russland begonnene Krieg in den nächsten Wochen zu einer allgemeinen Verunsicherung führen und damit auch Auswirkungen auf das Buchungs- und Reiseverhalten der Bundesbürger haben wird.

Reisebranche ist optimistisch

Bis jetzt sei im Buchungsverhalten keine grundsätzliche Veränderung festzustellen, teilt Tui anlässlich der digital stattfindenden Reisemesse ITB mit. Der Branchenprimus rechnet weiterhin mit einem guten Sommer 2022, die Buchungskurve zeige weiter nach oben.

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Dezember und Januar sind bei den Deutschen traditionell sehr beliebte Monate für Reisebuchungen. Im Gegensatz zum Vorjahr ließ sich dieser Trend 2022 wieder beobachten. „Das Buchungsniveau für den Sommer ist schon sehr hoch – in einzelnen Wochen liegen die Neubuchungen sogar bereits auf dem Vorkrisenniveau von 2019″, bestätigt Fiebig.

40 Prozent der Deutschen planen laut der Stiftung für Zukunftsfragen eine Reise in Europa, das sind 8 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Groß ist dabei vor allem die Sehnsucht nach Sonne und Meer im Sommer: Spanien ist mit 7 Prozent das Wunschziel Nummer eins im Ausland, gefolgt von Italien (5,6 Prozent), Skandinavien (4,3 Prozent) und Griechenland (3,9 Prozent).

„Insbesondere die Klassiker rund ums Mittelmeer sind gefragt und verzeichnen Zuwächse, die sogar über dem Niveau von 2019 liegen“, sagt Stefan Baumert, Vorsitzender der Geschäftsführung von Tui Deutschland. Aufgrund der guten Buchungseingänge zieht der Reiseveranstalter den Saisonstart für Griechenland sogar vor und hebt mit der eigenen Airline Tui fly bereits Anfang April nach Kreta, Rhodos und Kos ab. Insgesamt werden 120 Zusatzflüge im April aufgelegt, wobei 62 Flüge nach Griechenland starten, gefolgt von Mallorca mit 48 Verbindungen.

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Das beliebteste Ziel der Deutschen ist und bleibt aber das eigene Land: 30,6 Prozent der Menschen planen laut der Stiftung für Zukunftsfragen eine Urlaubsreise von mindestens fünf Tagen in Deutschland. Das sind zwar gut 3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, aber immer noch mehr als vor der Pandemie 2019.

Natur und Outdoor seien dabei am beliebtesten, sagt Reiseforscher Schmude. Dieser Trend zeigte sich schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie und habe sich in den vergangenen beiden Jahren manifestiert.

Kommt die Reisenormalität zurück?

Steht der Reisesommer 2022 also ganz im Zeichen der Normalität? Nein, soweit ist es dann doch noch nicht. Nicht nur der Krieg in der Ukraine sorgt für Unsicherheit, auch die Pandemie hat bleibende Spuren hinterlassen. „Corona wird auch das Jahr 2022 beeinflussen. Viele Menschen zeigen sich weiterhin krisenbewusst“, so Ulrich Reinhardt. 22 Prozent seien sich noch unsicher, ob sie reisen werden, 21 Prozent der Befragten wollen auf den Urlaub verzichten. 52 Prozent gaben als Ursache für ihr Zögern die Corona-Pandemie – verbunden mit der Sorge vor einer Stornierung, einer Quarantäne oder einer Infektion – an.

Viele Reiseveranstalter haben sich auf den Wunsch nach mehr Absicherung eingestellt und setzen neben Hygienekonzepten auf kurzfristig stornierbare Flextarife und Corona-Versicherungen. „Sicherheit hat seit der Pandemie einen ganz neuen Stellenwert“, sagt Ralph Schiller, CEO des Reiseveranstalters FTI, dem RND.

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Das erstrecke sich auch auf die Absicherung im Insolvenzfall: Veranstalter mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr müssen sich seit November 2021 beim Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) gegen eine Pleite absichern. Damit sei das Reisen für Kundinnen und Kunden komplett abgesichert. „Dieses Mehr an Sicherheit führt im Schnitt allerdings durchaus auch zu kleinen Preissteigerungen“, so Schiller.

Wo der Urlaub teurer wird

Gleichzeitig sind vielerorts die Kapazitäten noch nicht wieder voll hochgefahren: Airlines haben in der Pandemie Flugzeuge stillgelegt, Personal entlassen und Strecken gestrichen. Auch in Hotels herrscht Fachkräftemangel, nicht überall werden bereits wieder 100 Prozent der Unterkünfte öffnen. Der Nachfragestau an Urlaubsreisen dürfte zu einem weiteren Kostenfaktor werden – vor allem an beliebten Zielen.

Tui teilte mit, dass auf den griechischen Inseln Kreta, Rhodos, Korfu und Kos bereits die Preise anziehen, teils seien Kontingente für den Sommer sowie Pfingsten schon knapp.

Der Ferienhaussuchmaschine „Holidu“ zufolge sind bereits 70 Prozent der Angebote an der Ostsee ausgebucht. Die hohe Nachfrage nach Ferienwohnungen in Deutschland führe dazu, dass die Preise seit 2019 um 25 Prozent auf durchschnittlich 125 Euro pro Tag gestiegen sind. Die Durchschnittsmieten unterscheiden sich aber je nach Region stark: Besonders teuer ist es auf Sylt mit 190 Euro, die Rhön liegt mit 75 Euro am unteren Ende.

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Auch die Mietwagenpreise haben seit Beginn der Pandemie kontinuierlich angezogen. Zahlreiche Vermieter mussten ihre Flotten infolge der Pandemie minimieren und versuchten zudem, die Verluste im Lockdownjahr 2020 wieder aufzuholen. Laut der Plattform „billiger-mietwagen.de“ lag der Durchschnittspreis europaweit mit rund 40 Euro pro Tag 38 Prozent über dem von 2019.

Günstiger werden die Wagen dieses Jahr nicht, im Gegenteil: „An beliebten Zielen erwarten wir auch 2022 nochmal deutliche Preissteigerungen“, prognostiziert Plattformsprecher Frieder Bechtel. Bereits jetzt lägen die Preise für ein Auto auf Mallorca im Sommer 19 Prozent über denen von 2021 – und sogar 167 Prozent über denen von 2019. Auch auf anderen Inseln wie Sardinien, Sizilien und Korsika werde es teuer, so Bechtel.

Experten: Lieber früh buchen

Höhere Kosten müssen Urlauberinnen und Urlauber vor allem in der Hauptsaison für Reisen in die beliebtesten Gebiete einkalkulieren. Je kurzfristiger gebucht wird, desto teurer können Restplätze werden.

„Wir gehen nicht davon aus, dass es 2022 eine starke Last-Minute-Saison mit vielen Schnäppchen geben wird,“ sagt Christoph Heinzmann, Tourismusexperte bei „Holidaycheck“. „Aufgrund der knapper werdenden Kapazitäten in den Urlaubsregionen werden die Preise über die nächsten Monate wohl noch steigen. Daher ist es sinnvoll, bereits jetzt zu buchen.“ Wer erst kurz vor Abreise buchen möchte, sollte relativ flexibel sein, was Termin, Reiseziel und Unterkunft betrifft.

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Für eine verlässliche Urlaubsplanung sei es wichtig, den Reisenden das Vertrauen mehr und mehr zurückzugeben. DRV-Präsident Fiebig sieht hier die Politik in der Verantwortung: „Nachvollziehbare Regeln mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf sind wichtig – für die Reisenden aber auch für die Unternehmen.“ Das Hin und Her habe im vergangenen Jahr zur Verunsicherung beigetragen und zu wirtschaftlichen Schäden geführt. Als Beispiel nennt Fiebig die kurzfristige Einstufung Portugals als Virusvariantengebiet. „Die Menschen hatten den Eindruck: Von heute auf morgen kann sich alles wieder grundlegend ändern.“ Dies müsse unbedingt vermieden werden.

Wirtschaftlich anstrengendes Jahr

Und bei allem Optimismus: Auf wirtschaftliches Normalniveau werde man auch 2022 noch nicht wieder kommen, so Fiebig. „Der Start ins Jahr war noch relativ schwach – vor allem die Buchungen für Fernreiseziele liegen deutlich unter Vorkrisenniveau.“ 2022 werde damit wirtschaftlich noch ein anstrengendes Jahr für die Branche. 2023, spätestens 2024, rechne man aber wieder mit normalen Verhältnissen.

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