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Berateraffäre Von der Leyen löschte alle SMS auf ihrem Diensthandy

In der Affäre um das Diensthandy von Ursula von der Leyen tauchen neue Merkwürdigkeiten auf. Laut Recherchen des Ministeriums löschte die EU-Kommissionschefin auf einem früheren Diensttelefon alle SMS, bevor sie es zurückgab.
Ursula von der Leyen: Keine relevanten SMS auf dem Telefon?

Ursula von der Leyen: Keine relevanten SMS auf dem Telefon?

Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance/dpa

Eigentlich sollte der Montag ein guter Tag für Ursula von der Leyen werden. Vor dem Europäischen Gerichtshof traten die zwölf Kommissarinnen und ihre 15 männlichen Kollegen brav an und legten ihren Amtseid ab. Kommissionschefin von der Leyen sprach anschließend von der großen Verantwortung, die sie und ihre Mitstreiter übernommen hätten. Nun gehe es darum, das Vertrauen der Bürger für die EU-Politik zu gewinnen.

In Berlin wurden fast zeitgleich Informationen bekannt, die für die frühere Verteidigungsministerin noch unangenehm werden könnten. Dabei geht es nicht um die große Politik, vielmehr schickte von der Leyens früheres Ministerium einen umfangreichen Bericht an den Bundestag. Dort versucht ein Untersuchungsausschuss zu klären, wie unter von der Leyen hochdotierte Verträge mit externen Beratern rechtswidrig vergeben wurden und ob die frühere Ministerin damit etwas zu tun hatte.

In dem Bericht kommt von der Leyen nicht gut weg. So schildert das Ministerium detailreich, dass es dem Untersuchungsausschuss für die Aufklärung von Entscheidungsprozessen keinerlei SMS der früheren Ministerin als Beweismittel zur Verfügung stellen kann. Demnach seien Nachrichten eines Blackberry-Diensthandys von der Leyens durch die Unachtsamkeit eines Sachbearbeiters im August 2019 gelöscht worden. Auf einem zweiten Telefon habe von der Leyen selbst alle Nachrichten vernichtet.

Untersuchungsausschuss wurde hingehalten

Der Streit um die SMS-Nachrichten der Ex-Ministerin, die ähnlich wie die Kanzlerin für ihren Hang zur Politik per Textnachricht bekannt ist, dürfte durch den Bericht weiter eskalieren. Seit Juni schon fragen die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss immer wieder nach möglicherweise relevanten SMS-Nachrichten auf dem Diensthandy von der Leyens. Monatelang wurden sie hingehalten, nun erfuhren sie schriftlich, dass letztlich alle SMS von der Leyens unwiederbringlich gelöscht sind.

Der Ablauf der Löschung liest sich obskur. Demnach hatte von der Leyen im Januar 2019 ein neues Krypto-Handy bekommen, da ihre frühere Nummer bei einem großen Datenleak im Internet öffentlich bekannt geworden war. Trotzdem behielt sie zunächst das alte Gerät samt freigeschalteter SIM-Karte, ein Grund wird nicht angegeben. Möglich erscheint, dass von der Leyen abwarten wollte, ob auf der alten Nummer noch wichtige Nachrichten oder Anrufe eingehen.

Richtig merkwürdig wurde es dann im August 2019. Laut dem Bericht holte ein Fahrer des Ministeriums das alte Diensthandy von der Leyens bei ihrer Privatwohnung ab. Entgegen der geltenden Vorschriften, die eine Löschung vor den Augen des Nutzers vorsieht, wurde es ins Ministerium gebracht. Dort aber soll niemand an die Berater-Affäre und die öffentlich bekannte Diskussion um die Minister-SMS gedacht haben. Stattdessen wurden die Daten auf dem Gerät gelöscht.

Das Ministerium argumentiert, der zuständige Sachbearbeiter habe schlicht nicht gewusst, dass die SMS auf dem Ministertelefon relevant für den Ausschuss sein könnten. Stattdessen sei er mit dem Telefon der früheren Befehlshaberin der Bundeswehr wie mit jedem anderen Dienstgerät aus dem Haus umgegangen, habe die Daten gelöscht und zur Vernichtung an die Betreiberfirma zurückgegeben.

Von der Leyen macht sich angreifbar

Auch auf dem zweiten Gerät von der Leyens, das mittlerweile im Ministerium vorliegt, wurde man nicht fündig. So stellten die Techniker in den vergangenen Wochen fest, dass sich auf dem zweiten Gerät "weder im Ordner Geschäftlicher Bereich noch im Ordner SMS Nachrichten und Dateien befinden", so der Bericht. Von der Leyen muss das Gerät selbst komplett von allen SMS-Nachrichten gereinigt haben.

Warum von der Leyen sich so angreifbar macht, ist schwer zu verstehen. Inhaltlich dürften auf dem zweiten Telefon nicht viele für den Ausschuss relevante SMS zu finden gewesen sein. So wusste die Ministerin zu dem Zeitpunkt, als sie das neue Telefon bekam, bereits vom drohenden Untersuchungsausschuss zur Berater-Affäre. Dass sich jedoch gar keine Nachrichten mehr auf dem Diensttelefon finden, dürfte im Ausschuss für neue Mutmaßungen sorgen.

Abseits davon bleiben einige Fragen in dem Bericht offen. So wird in dem Papier geschildert, dass Leitungsebene und auch das Ministerbüro wussten, dass die Diensthandys der alten Führung auf möglicherweise für den Ausschuss relevante SMS untersucht werden mussten. Trotzdem gab ein für die Technik zuständiger Mitarbeiter des Ministerbüros im August 2019 von der Leyens altes Blackberry ohne jede Nachfrage bei den verantwortlichen Ministeriumsbeamten für den Ausschuss zur Löschung frei.

Vorgang ist "erklärungsbedürftig"

Der Mitarbeiter des Ministerbüros ist sich keiner Schuld bewusst. In einer dienstlichen Erklärung schrieb er Ende Dezember 2019, er habe zwar seine eigenen technischen Geräte auf möglicherweise relevante SMS durchsucht. Das Telefon der Ministerin aber habe er "wie bei jeder anderen Rückgabe auch" und "ohne mit jemandem vorher Rücksprache gehalten zu haben" zur Löschung und anschließenden Vernichtung an die IT-Abteilung weitergereicht.

Dass sich die Abgeordneten mit dieser Version zufriedengeben werden, ist unwahrscheinlich. Der Grünenpolitiker Tobias Lindner jedenfalls hält den Vorgang für "erklärungsbedürftig" und nimmt deswegen auch von der Leyens Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Visier. "Wieder einmal ist niemand im Ministerium für irgendetwas verantwortlich", so der Obmann im Ausschuss. Auf ihn wirke es, als bestehe auch unter der neuen Ministerin kein Interesse an echter Aufklärung.

Das Ministerium indes hält den Vorgang für abgeschlossen. So gibt der Bericht die Aussage von Björn Seibert wieder, einem engen Vertrauten von der Leyens, der mit ihr nach Brüssel gegangen ist. Der frühere Chef des Leitungsstabs sagte demnach aus, er habe beide Telefone der Ex-Ministerin vor der Löschung "nach bestem Wissen und Gewissen" überprüft und keine für den Ausschuss relevante SMS gefunden. Aufgrund dieser Aussage besteht für das Ministerium "kein Anlass, weitere Schritte zu unternehmen", so der Bericht.