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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Deutschland demonstriert Anspruch auf Technologieführerschaft

25. November 2022. Europa hat auf der gerade zu Ende gegangenen Ministerratskonferenz der 22 Mitgliedsstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ein überzeugendes Bekenntnis zur Bedeutung der Raumfahrt abgelegt. Die ESA-Mitglieder haben zudem mit einer Investition in Programme und Missionen von rund 17 Mrd. Euro für die nächsten drei Jahre klar gemacht, dass sie willens und in der Lage sind, eine führende Rolle in der weltweiten Raumfahrt zu spielen.

Deutschland steuert größten Teil zum ESA-Budget bei

Als Inhaber eines Raumfahrtunternehmens aus Deutschland freut es mich aber natürlich ganz besonders, dass die Bundesrepublik mit einem Anteil von 4 Mrd. Euro wie schon bei der letzten ESA-Konferenz 2019 mit knapp 21 Prozent den größten Teil zum ESA-Budget beiträgt. Das ist wichtig, weil die Bundesregierung damit einen Anspruch auf Technologieführerschaft demonstriert. Dieser Anspruch ist für den Raumfahrtstandort Deutschland, die Unternehmen der Branche sowie die unzähligen hochqualifizierten Fachkräfte von enormer Bedeutung. Nur wenn Unternehmen aus Deutschland schon früh an experimenteller Forschung und an Technologieerprobung teilhaben, können diese Unternehmen auch bei späteren großen Projekten und Missionen mitspielen. Und nur auf diese Weise bleibt der Standort Deutschland für Spitzenkräfte aus allen Feldern der Hochtechnologie interessant. Mein Dank gilt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann. Beide haben durch ihre Präsenz auf der Konferenz ein starkes Signal gesendet, dass es der deutschen Bundesregierung ernst ist mit dem Bekenntnis zum Raumfahrtstandort Deutschland.

Raumfahrt liefert wichtige strategische Beiträge

Das klare Signal, das von der ESA-Konferenz in Paris ausgegangen ist, hat jedoch auch einen sehr, sehr ernsten Hintergrund: Ob Ukraine-Krieg, Energie- oder Klimakrise – Technologie aus der Raumfahrt bietet für die enormen Herausforderungen unserer Zeit wichtige strategische Beiträge. Raumfahrt ist längst kein Bereich mehr, in dem sich Staaten wie zu Zeiten des Kalten Kriegs Wettkämpfe liefern, wer die leistungsstärksten Raketen bauen kann. Raumfahrt ist ein integraler Bestandteil der Daseinsvorsorge geworden. Die bestehende Satelliteninfrastruktur sorgt dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft effizient und komfortabel funktionieren. Sie liefert Daten im Kampf gegen den Klimawandel und sorgt dafür, dass Abhängigkeit reduziert und Souveränität geschaffen wird.

Letzteres wird vor allem erreicht durch das Programm Secure Connectivity, einer Konstellation von Satelliten, die für sichere und autonome Kommunikation sorgen wird. Vor allem auch dann, wenn durch Krieg oder Sabotage die Verbindungen am Boden gestört oder zerstört sein sollten. Es ist ein sehr wichtiges Signal Deutschlands, das Programm mit 189 Millionen Euro zu unterstützen. Für OHB ist das eine Gelegenheit, sich im Wettbewerb um dieses Projekt zu bewerben. Sehr erfreulich ist auch, dass Deutschland auch die Entwicklung von strategisch wichtigen Schlüsseltechnologien wie Laserkommunikation oder Quantenverschlüsselung in der satellitenbasierten Informationsübertragung unterstützt. Mit diesen Technologien wird Europa künftig sicherer und autonomer handeln können.

Deutschland wird wie schon 2019 seine führende Rolle im operationellen europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus behalten – es beteiligt sich mit rund 185 Millionen Euro und trägt damit 30 Prozent des Budgets. In den kommenden drei Jahren wird es dabei darum gehen, neue Satelliten für Klimaüberwachung und Klimaschutz zu entwickeln oder weiterzuentwickeln. OHB entwickelt aktuell das Programm CO2M, ein Satellitensystem, das Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre erfassen und quantifizieren kann. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch da künftig einen wichtigen Beitrag leisten können, um Wissenschaft und Politik über neu entwickelte und verbesserte Technologien noch fundiertere Daten zu liefern.

Einen sehr starken Eindruck hat Deutschland im Bereich der Exploration, also der Erforschung des Weltraums, hinterlassen. Das reicht von der weiteren Mitfinanzierung der Raumstation ISS bis zur Erkundung von Mond und Mars. Vor allem das Thema Mars ist dabei für uns interessant, war doch OHB im Grunde von Anfang an dabei bei den unterschiedlichen ExoMars-Missionen. Zuletzt musste bekanntlich die Mission ExoMars 2022 wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine abgesagt werden. Ich freue mich sehr, dass die ESA-Staaten nun beschlossen haben, die Mission in einer neuen Konstellation von Partnern wieder anzugehen und 2028 starten zu lassen. OHB hat zu der Mission das Carrier-Modul und wichtige Teile der Analyseeinheit im Marsroboter entwickelt und gebaut. Wir sind entschlossen, auch bei dieser Mission wieder unsere Kompetenz beizusteuern. Und auch bei den beschlossenen Erkundungsmissionen zum Mond wollen wir uns beteiligen. Die ESA hat sich entschieden, den Bau einer eigenen Mondlandefähre in Auftrag zu geben. Die NASA-Mission Artemis 1 und die Begeisterung darum in der Öffentlichkeit zeigt, dass es wieder eine große Sehnsucht gibt, mehr als 50 Jahre nach der letzten Landung auf dem Mond, dorthin zurückzukehren.

Starkes Signal Europas

Insgesamt war die ESA-Ministerratskonferenz insofern besonders, als dass das starke Signal Europas für eine weltweite Führungsrolle in der Raumfahrt nicht unbedingt zu erwarten war. Mich freut es ganz besonders, dass Deutschland dabei als treibende Kraft aufgetreten ist. Denn trotz der enormen Kosten durch Energie- und Klimakrise, trotz der unsicheren wirtschaftlichen Lage wegen der Folgen des Kriegs in der Ukraine, ist durch die Beschlüsse von Paris klar geworden: die Raumfahrt und ihre Technologien sind für eine effiziente Wirtschaft, für Wachstum und Wohlstand, vor allem aber in den kommenden Jahren für Sicherheit und Unabhängigkeit unverzichtbar geworden.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.