Person der Woche

Person der Woche Alexander Blania will mit Worldcoin Menschen verifizieren

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Datenschützer sehen das Projekt sehr kritisch.

Datenschützer sehen das Projekt sehr kritisch.

(Foto: IMAGO/Sylvio Dittrich)

Der deutsche Max-Planck-Student Alexander Blania entwickelt mit ChatGPT-Gründer Sam Altman eine revolutionäre Technologie für eine neue Welt-Währung. Millionenfache Augen-Scans sollen zum ultimativen Identitätsausweis werden. Die einen sind hellauf begeistert, andere entsetzt.

Nicht Palo Alto oder Houston, nicht San Francisco oder New York oder wenigstens Frankfurt: Die neue Weltwährung Worldcoin kommt aus Erlangen an der Regnitz. In der KI- und Fintech-Szene herrscht helle Aufregung, gilt Worldcoin doch derzeit als "heißeste Innovation des Jahres". Wenn künstliche Intelligenz, Datenmassen und Krypto-Geld sich verbandeln, dann werden viele hellhörig. Und diesmal steckt ein 29-jähriger Student aus Franken hinter der vermeintlichen Tech-Revolution.

Alexander Blania hat zusammen mit dem KI-Superstar und Chat-GPT-Erfinder Sam Altman etwas Bizarres entwickelt, das wie aus einem Kinofilm abgepaust wirkt. Es sieht aus, als hätten Hollywood-Aliens eine Stahlkugel mit Auge auf der Erde verloren. Das Ding heißt Orb und kann angeblich Augen von Menschen scannen wie noch kein Gerät zuvor. Die Orbs - inzwischen stehen die ersten Exemplare in 30 Metropolen (in Deutschland sind ein Einkaufszentrum in Berlin und eine Fußgängerzone in München ausgewählt) - erfassen biometrische Daten von Freiwilligen, insbesondere den Iris-Scan, und erstellen damit dann digitale Identitäten. Jeder Gescannte bekommt einen persönlichen Identifikationscode, der angeblich fälschungssicher auf einer dezentralen Blockchain gespeichert wird.

Orbs gelten derzeit als neues Kultobjekt der Techszene. Im Internet kursieren Videos von langen Menschenschlangen vor Orbs-Scanning-Stationen. Demnächst will Blania 50.000 dieser Geräte pro Jahr produzieren, was die Nutzerzahl in die Milliarden bringen könnte. Investoren haben den Gründern inzwischen eine dreistellige Millionensumme gegeben, um die Welt mit Orbs zu fluten.

Die Orbs ermöglichen im Konzept der Entwickler aus Erlangen zwei folgenreiche Dinge. Zum einen schaffen sie für potenziell Millionen von Menschen eine unverwechselbare digitale Identität. Schon jetzt haben sich Hunderttausende Freiwillige die Augen scannen und einen digitalen Pass ausstellen lassen. Damit könnte Worldcoin eine gewaltige Identifizierungs-Plattform für allerlei digitale Geschäfte werden. Wer ein Orbs-Scan hat, braucht womöglich künftig keine Identifikationskontrollen oder Passwörter bei Transaktionen im Internet mehr. Im Zeitalter autonomer KI-Software wird es zudem möglich, zu unterscheiden, wer wirklich ein Mensch ist und wer nur ein Bot. Blania und Altman wollen eine sogenannte "World ID" schaffen, den ultimativen Identitätsnachweis - wie einen unfälschbaren Pass im digitalen Zeitalter.

Kryptowährung als Weltbeglückung

Auch den zweiten Schritt haben Blania und Altman nicht nur konzipiert und entwickelt, er ist bereits Realität: Worldcoin als Kryptowährung. Worldcoins entstehen derzeit dadurch, dass jeder Gescannte als Willkommensgeschenk 25 Worldcoins bekommt, die nun frei gehandelt werden können. Am Ende sollen alle sogar etwas geschenkt bekommen. Blania formuliert das so: "Wir wollten anfangs eine digitale Währung schaffen und jedem Menschen einen Teil davon abgeben. Dafür brauchten wir aber einen Weg, um zu verhindern, dass Kriminelle das System missbrauchen. Unsere Lösung ist der Orb, der biometrische Daten erfasst."

Das ganze Setup - von der Augenkugel, die plötzlich überall in Supermärkten Millionen von Menschen zum Iris-Scan animiert, über das Ausstellen eines digitalen "Menschen-Passes" (tatsächlich heißt die Identität "Proof of Humanity") bis zur digitalen Kryptowährung als Weltbeglückung - wirkt wie einem düsteren Science-Fiction-Film entsprungen. Doch Worldcoin ist nicht nur gut finanziert, es findet auch überraschend schnell sein Publikum.

Dabei zeigen sich Datenschützer entsetzt, dass hier millionenfach intime Daten von Retina-Scans gegen ein paar Kryptodollar gesammelt werden, ohne dass man weiß, was damit genau geschehe, wer die Datenhoheit wirklich habe und wie man sie vor Hackern schütze. Will Worldcoin die Daten womöglich weiterverkaufen?

Worldcoin versichert zwar, dass man kein Datenunternehmen sei und dass der Iris-Code nicht mit persönlichen Daten verknüpft sei. Doch der hohe Ton der Gründer, man wolle die Demokratie im digitalen Zeitalter sichern, man wolle der Menschheit Freiheit vor den künstlichen Identitäten schaffen, gar ein digitales Grundeinkommen gönnen, weckt Zweifel. Der Name der Firma "Tools for Humanity" spiegelt den hohen moralischen Ton der Gründer wider. Sie wollen in einer Welt der künstlichen Intelligenzen "dem Mensch-Sein seine Existenz garantieren". "Das Ziel ist einfach: ein globales Finanz- und Identitätsnetzwerk, das auf dem Nachweis der Persönlichkeit basiert", schreibt Altman auf Twitter. Das sei im Zeitalter der KI besonders wichtig.

"Verifizierter Mensch"

Doch schon in der Frühphase des Unternehmens häufen sich kritische Berichte, dass man in armen Ländern Afrikas und Asiens Zehntausende von Retina-Scans unter dubiosen Umständen eingesammelt und den Menschen Hoffnung auf ein digitales Grundeinkommen versprochen habe. Ein entsprechender Bericht der "MIT Technology Review" über ausbeuterische Praktiken und einen entstehenden Schwarzmarkt der Identitäten sorgt für Aufsehen in der Kryptobranche. Der Ethereum-Gründer Vitalik Buterin mahnt in einem Blogeintrag: "Der Orb ist ein Hardware-Gerät und wir haben keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob es korrekt designt wurde und keine Hintertüren hat. Selbst wenn die Software-Layer perfekt und vollständig dezentralisiert ist, hat die WorldCoin Foundation immer noch die Möglichkeit, eine Hintertür in das System einzubauen, die es ihr ermöglicht, beliebig viele gefälschte menschliche Identitäten zu erstellen."

Blania und Altman argumentieren, dass man im KI-Zeitalter, wo demnächst Maschinen die gesamte kommunikative Realität beeinflussen oder gar schaffen werden, die Notwendigkeit bestehe, dass Menschen sich als echte Menschen ausweisen. Wer sich an einem der Orbs von Worldcoin seine Iris scannen lässt, bekommt tatsächlich schon heute einen Werbesticker mit der Aufschrift "verifizierter Mensch". Das Krypto-Fachmedium "Cointelegraph" kommentiert diesen merkwürdigen Vorgang so: "Das Perfide daran ist, dass Worldcoin gegründet wurde, um ebenjene Externalitäten aufzuheben, die das erfolgreiche Schwesterunternehmen OpenAI - der Betreiber des populären KI-Chatbots ChatGPT - erst geschaffen hat. Eine Hand schafft also überhaupt erst ein neues Problem, damit es das andere lösen kann." Blanias Worldcoin wäre dann so etwas wie der Schädlingsbekämpfungsroboter von Altmans ChatGPT. Mit so etwas hat der Bayer durchaus Erfahrung. Vor Jahren gewann er nämlich den zweiten Preis beim "Jugend forscht"-Wettbewerb Bayern mit einem ungewöhnlichen Gerät: einem Borkenkäfer-Überwachungsroboter.

Quelle: ntv.de

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