Forschung Kann man trotz Corona-Impfung andere anstecken?

27. April 2021, 10:39 Uhr

Der Teufel steckt im Detail, so auch in der Aussage, "von zweifach-geimpften Menschen gehe keinerlei Infektionsgefahr mehr aus". Das ist nämlich falsch, wie eine Nachfrage beim Robert-Koch-Institut ergab.

Eine Patientin wird in einer Hausarztpraxis gegen Corona geimpft 3 min
Bildrechte: imago images/Wilhelm Mierendorf

Eine Aussage der Linken-Fraktionschefin im Bundestag Amira Mohamed Ali am 26.04. früh im Radio bei MDR AKTUELL ließ uns in der Redaktion aufhorchen. Sie sagte:

Da wir inzwischen wissen, dass von geimpften Menschen, zumindest von zweifach geimpften Menschen keinerlei Infektionsgefahren ausgehen, geht es gar nicht anders, als dass Grundrechte da unbeschränkt zurückgegeben werden.

Amira Mohamed Ali, Bundestagsabgeordnete, Die Linke

MDR AKTUELL schrieb in einer Meldung:

"Man wisse inzwischen, dass von Menschen, die zweifach gegen das Corona-Virus geimpft worden seien, keinerlei Infektionsgefahr mehr ausgehe.

"Keinerlei Infektionsgefahr" stimmt nicht

Stimmt das aber? Geht von zweifach-geimpften Menschen keinerlei Infektionsgefahr mehr aus? Man hört doch schließlich immer wieder von Menschen, die trotz Impfung an Covid-19 erkranken. Auch steht die Frage im Raum: Wie wirksam sind die Impfungen gegen Mutationen? Die Aussage: Von Menschen, die zweifach geimpft sind, gehe keinerlei Infektionsgefahr mehr aus, ist falsch. Das Problem ist das Wort: "Keinerlei". Die Gefahr das Virus weiterhin zu übertragen, ist zwar reduziert, ganz weg ist sie aber nicht, schreibt das Paul-Ehrlich Institut auf Anfrage von MDR Wissen:

Richtig ist, dass nach bisher vorliegenden Daten, sowohl aus Tierversuchen als auch insbesondere aus Israel, die Viruslast (und damit die Gefahr der Weitergabe von Viren) bei (vollständig) Geimpften zwar geringer ist als bei Ungeimpften. Da aber die Impfung nicht die Infektion verhindert, sondern insbesondere die Erkrankung, ist es möglich, dass vollständig Geimpfte sich infizieren (was durch einen Test nachgewiesen werden könnte), keine Symptome ausbilden und dann möglicherweise das Virus auch weitergeben würden.

Paul-Ehrlich Institut an MDR WISSEN

Eine Impfung soll vor allem schwere Verläufe verhindern. Dass Menschen trotz Impfung erkranken oder die neuartigen Coronaviren weitergeben, ist aber noch möglich, pflichtet Carlos Alberto Guzmán bei. Er leitet die Abteilung "Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie" am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Wir können davon ausgehen, dass wir zu einem bestimmten Grad gegen eine Sars-CoV2-Infektion geschützt sind. Das bedeutet, die Virusmenge, die wir abgeben und auch die Zeit, in der wir möglicherweise Viren verbreiten, werden reduziert sein, aber nicht komplett blockiert.

Carlos Alberto Guzmán

Restrisiko für Corona-Ansteckung bleibt

Es besteht also ein sogenanntes "Restrisiko". Und wie hoch ist dieses Restrisiko? Also die Gefahr andere trotz Impfung anzustecken? Das ist schwer zu sagen. Aktuell fehlen noch Daten und es kommt auf viele Faktoren an. Zum Beispiel mit welchem Mittel geimpft wurde und wie wirksam dieses Mittel gegen welche Virus-Variante war, erklärt Carlos Alberto Guzmán:

Zum Beispiel hat das Mittel Astrazeneca in unterschiedlichen klinischen Studien eine Wirksamkeit von ungefähr 70 Prozent gegen eine symptomatische Erkrankung gezeigt. In Südafrika dagegen lag die Wirksamkeit nur noch bei 22 Prozent.

Carlos Alberto Guzmán

Was ist bei den Corona-Mutationen?

Das heißt im Klartext: Die Gefahr trotz Impfung am Virus zu erkranken oder andere anzustecken, war bei der südafrikanischen Variante trotz Impfung auf einmal deutlich höher. Wie es mit der brasilianischen Variante aussieht, ist noch nicht klar. Aber nicht nur Mutationen und unterschiedliche Impfstoffe machen eine Einschätzung schwer, auch die Zeit: Die Impfungen gibt es noch nicht lange. Guzmán geht davon aus, dass die Wirkung nachlassen wird.

Wir haben aktuell noch keine eindeutigen Beweise dafür, wie lange der Schutz der Impfung anhalten wird, aufgrund von Zeitmangel. Wir wissen aktuell, dass die Impfung nach ungefähr sechs Monaten immer noch schützt. Aber die Studien sind noch nicht abgeschlossen. Sie werden erst in eineinhalb Jahren oder zwei beendet sein.

Carlos Alberto Guzmán

Epidemiologisch spielt das kaum eine Rolle

Aktuell gibt es also noch zu viele Fragezeichen, sagt der Infektionsforscher. Das Robert Koch-Institut wagt dennoch eine Einschätzung. Es kommt zu dem Schluss, dass Geimpfte bei der Verbreitung des neuartigen Coronavirus keine wesentliche Rolle mehr spielen werden.

Aus Public-Health-Sicht erscheint das Risiko einer Virusübertragung durch Impfung in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen.

RKI - Impfen - COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ)

Aber trotzdem: Auch sie müssen sich weiterhin an Abstands- und Hygieneregeln halten. Denn die Gefahr andere anzustecken ist eben doch nicht ganz weg. 

kd

32 Kommentare

MDR-Team am 14.06.2021

2/2
Letztlich hängt es von den für eine Differenzierung angeführten Gründen ab, ob eine gleichheitswidrige Behandlung vorliegt oder nicht. In Bezug auf Ihr Beispiel mit dem Besuch von Lokalitäten heißt das, man differenziert anhand der Ansteckungsgefahr. Alle Menschen, von denen nachweislich nur eine geringe Ansteckungsgefahr ausgeht, haben das Recht Restaurants und Bars zu besuchen. Nachweislich betrifft dies vollständig Geimpfte, Genese und negativ Getestete. Aus diesem Grund liegt keine Ungleichbehandlung im Sinne des GG vor.
https://www.bpb.de/izpb/254385/gleichheit-vor-dem-gesetz

MDR-Team am 14.06.2021

1/2
Hallo Max Mustermann,
unsere Aussage ist eine Tatsache: Es gibt keine Impfpflicht. Sie sagen es doch selber: Es steht Ihnen frei, ob Sie sich impfen lassen oder einen Test machen. Niemand zwingt Sie zum Impfen. Sie haben die Wahl, auf welche Art und Weise Sie die Zugangsberechtigung für diverse Lokalitäten erfüllen.
Das GG schreibt nicht vor, dass alle Menschen gleich sind, in Artikel 3 steht: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das heißt, dass der Staat Menschen gleich behandeln muss und alle Menschen die gleichen Rechte haben. Wann aber liegt eine Ungleichbehandlung vor? Genau genommen gibt es ja gerade nicht zwei völlig gleiche Menschen, alle Menschen unterscheiden sich voneinander. Auch wird es nie zwei völlig gleiche Lebenssachverhalte geben.
Die Vergleichbarkeit hängt immer von bestimmten Gesichtspunkten ab. Mit jeder Regelung eines bestimmten Sachverhalts ist also immer auch eine Differenzierung verbunden.

MaxMustermann0815 am 13.06.2021

@MDR-Wissen-Team: Ihre Aussage ist schlichtweg falsch. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich vor der „Pandemie“, in diverse Lokalitäten (Bars, Restaurants, etc.) nur mit einer vollständigen Impfung eintreten durfte. Falls ich diese aus welchen Gründen auch immer ablehne bleibt nur noch die Option der Testung. Nach dem deutschen Grundgesetz sind alle Menschen gleich (Ob Geimpft oder Ungeimpft). Wieso müssen sich dann geimpfte nicht mehr testen, wenn Sie in die gleiche Lokalität wollen, obwohl diese ja nach wie vor ansteckend sind. Das ist eine zwei Klassen Gesellschaft und nicht vertretbar mit dem Grundgesetz!