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Kinder geben Coronavirus wochenlang weiter

28. August 2020

Neue US-Studien zeigen, dass die Virenlast bei Kindern und Jugendlichen besonders hoch ist und dass sie auch ohne Symptome wochenlang unbewusst Viren verbreiten können. Was bedeutet das für Schulen und Kitas?

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Coronavirus - Wiederaufnahme des Schulbetriebs NRW
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Während in immer mehr Ländern allmählich die Schulen und Kindergärten wieder öffnen, sind einige beunruhigende Studien zur Rolle der Kinder in der Corona-Pandemie veröffentlicht worden. Sie dürften die ohnehin hitzig geführte Debatte über das Ansteckungsrisiko in Schulen und Kindergärten weiter anfachen.

Ärzte des Children's National Hospital in Washington haben herausgefunden, dass infizierte Kinder auch ohne COVID-19-Symptome wochenlang das SARS CoV-2-Virus verbreiten können. Da sie keine oder nur milde Symptome zeigen, könnten sie also unwissend wochenlang Menschen in ihrem Umfeld infizieren.

Zuvor konnten Forschende aus Boston belegen, dass dass Kinder und Jugendliche eine überraschend große Virenlast aufweisen.

Auch asymptomatische Kinder wochenlang infektiös?

Für die neue Studie, die am  28. August 2020 in JAMA Pediatrics online veröffentlicht  wurde, hatten die Medizinerinnen Roberta L. DeBiasi und Meghan Delaney die Daten von 91 Kindern ausgewertet, die in 22 Krankenhäusern in ganz Südkorea beobachtet wurden. "Anders als im amerikanischen Gesundheitssystem bleiben diejenigen, die in Südkorea positiv auf COVID-19 getestet werden, im Krankenhaus, bis sie ihre Infektion überwunden haben, auch wenn sie keine Symptome aufweisen", sagt Dr. DeBiasi. 

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Von Beginn an lernen - diese vernünftige Schulbeginnerin mit Maske hat sich ihre Schultüte verdient Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Laut der Studie entwickelten rund 22% der Kinder keine Symptome, 20% waren anfangs asymptomatisch, entwickelten aber später Symptome, und 58% waren bei ihrem ersten Test symptomatisch. Sehr unterschiedlich war auch die Dauer der Symptome - sie reichte von drei Tagen bis drei Wochen. Ein Fünftel der asymptomatischen Patienten und etwa die Hälfte der symptomatischen Patienten gaben auch nach drei Wochen noch SARS-CoV-2-Viren ab - was aber nicht direkt die Infektiosität widerspiegelt.

Die Autorinnen der Studie räumen ein, dass es nach wie vor sehr viele ungeklärte Fragen hinsichtlich der Rolle von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie gebe und dass ihre Ergebnisse die Debatte weiter befeuern würden.

Größte Virenlast bei den Kleinsten?

Eine überraschend große Virenlast haben Forschende aus Boston vor allem bei Kindern entdeckt. Untersucht wurden die Nasen- und Rachenabstriche von 49 Kindern und Jugendlichen unter 21 Jahren. Laut der Studie wurden bei vielen mehr SARS-CoV-2-Viren im Nasen- und Rachenraum nachgewiesen als bei Erwachsenen, die wegen COVID-19 auf einer Intensivstation behandelt werden mussten. 

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Feiern ohne Abstand und Mundschutz - trotz Alkoholverbot ist die Hamburger Reeperbahn wieder gut gefülltBild: picture-alliance/dpa/F. Bündel

Laut der im Fachblatt The Journal of Pediatrics am 1. August 2020  veröffentlichten Studie fanden sich bei kleineren Kindern gleichzeitig deutlich weniger ACE-2-Rezeptoren als bei Jugendlichen und Erwachsenen. Diese ACE-2-Enyzyme gelten als Eintrittspforte des SARS Cov-2-Virus in die Körperzellen.

Sind Kinder die "Haupttreiber" der Corona-Pandemie?

Seit Beginn der Corona-Pandemie wird zum Teil hitzig über die Rolle der Kinder und Jugendlichen debattiert. Klar ist, dass die auch Kinder und Jugendliche andere Menschen anstecken können. Klar ist inzwischen auch, dass eine Infektion bei vielen Kindern und Jugendlichen keine oder nur milde Symptome hervorruft. Genauso klar ist - auch wenn das zuweilen gerne ausgeblendet wird - dass auch sie an COVID-19 sterben können oder dass eine Infektion langfristige Schädigungen hinterlassen kann.  

Das alles macht Kinder und Jugendliche nicht direkt allesamt zu potentiellen "Superspreadern" oder zu Haupttreibern der SARS-CoV-2-Übertragungen. Aber Kinder und Jugendliche haben durch Schule, Kindergärten, Freundeskreise und Freizeitaktivitäten oftmals viel mehr Sozialkontakte als Erwachsene. Die vergangenen Monate haben vielerorts gezeigt, dass sie - wie viele Erwachsene auch - die gebotenen Abstands- und Hygieneregeln oftmals nicht von sich aus befolgen und eher dazu genötigt werden müssen.

Appelle an die Vernunft verhallten, ein Bewusstsein, nicht nur sich, sondern auch Schwächere in der Gesellschaft zu gefährden, hat sich bei vielen nicht entwickelt.

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Egal! Trotz Coronavirus ist der Goldstrand an der bulgarischen Schwarzmeerküste eine beliebte Partymeile Bild: Imago Images/EST&OST/G. Popescu

Reiserückkehrer, Partys, Veranstaltungen - die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit April. Unter den Infizierten sind besonders viele Jüngere -  das Durchschnittsalter ist auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Corona-Pandemie.

Da die Virenlast bei Kindern und Jugendlichen laut den Studien besonders hoch ist, da sie die Viren wochenlang weitergeben können und durch den oftmals asymptomatischen Verlauf meist gar nichts von ihrer Infektion wissen, könnten sie eben das Infektionsgeschehen doch maßgeblich beeinflussen.

Was bedeutet das für Schulen und Kindergärten?

Mit dem Ende der Sommerferien steigt in vielen Ländern und auch in Deutschland die Zahl der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2. Trotzdem werden Kindergärten, Schulen und Bildungseinrichtungen wieder geöffnet, nicht nur um berufstätige Eltern zu entlasten, sondern vor allem zum Wohl der Kinder.

Maskenpflicht, Abstandhalten, Hygieneregeln und feste Lerngruppen sollen die Ansteckungsgefahr reduzieren. Soweit der Konsens - wie das aber konkret gehandhabt werden soll, auch wie viel Präsenz- und wie viel Online-Unterricht stattfinden soll, bleibt in vielen Ländern Auslegungssache.

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Um mögliche Infektions-Cluster frühzeitig zu erkennen und weitreichende Kindergarten- oder Schulschließungen zu verhindern, müssen infizierte Kinder und Jugendliche auch bei einem asymptomatischen oder milden Verlauf entdeckt und isoliert werden. 

Angesichts der neusten Studien wird sicherlich nicht nur eine regelmäßige Testung von Lehrkräften neu zu bewerten sein. Auch ob nur Schüler mit einer akuten Atemwegsinfektion getestet werden sollten oder ob Schüler viel grundsätzlicher getestet werden müssen, wird in Anbetracht der neuen Studien zu klären sein.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund