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Entscheidungen zu Schulen vertagt Diese Verschärfungen wurden vorerst abgelehnt – könnten aber nächste Woche anstehen

Über neue Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen soll erst später entschieden werden, doch die Forderungen sind damit nicht vom Tisch. Die wichtigsten Maßnahmen und die Kritik daran in der Übersicht.
Maske auf dem Pausenhof: Die Bundesregierung fordert den Mund-Nasen-Schutz für alle Jahrgänge auch im Unterricht

Maske auf dem Pausenhof: Die Bundesregierung fordert den Mund-Nasen-Schutz für alle Jahrgänge auch im Unterricht

Foto: Gregor Fischer / dpa

Die Empörung aufseiten einiger Ministerpräsidenten vor der Schalte mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu möglichen Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen war groß: Das Bundeskanzleramt presche mit Vorschlägen vor. Dabei sei abgesprochen gewesen, die Wirkung des Teil-Shutdowns abzuwarten, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommt. Besonders die Vorschläge für die Schulen sorgten für Verärgerung. Das Thema sei sehr sensibel. Die Mehrheit der Länder wolle aktuell nichts an den Regelungen bei den Schulen ändern, hieß es im Vorfeld der Beratungen.

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Da war die Beschlussvorlage der Bundesregierung, die neue Verschärfungen forderte, aber bereits in der Welt. Die politische Priorität gilt demnach zwar weiter: Schulen und Kitas sollen in der Pandemie grundsätzlich offengehalten werden. Allerdings schickte der Bund nun ein großes Aber hinterher:

  • Die Maskenpflicht soll für Schüler aller Jahrgänge und für Lehrkräfte auch für den Unterricht gelten.

  • Die Klassen sollen entweder in doppelt so großen Räumen unterrichtet werden oder halbiert werden, damit der Abstand eingehalten werden kann.

  • Die Gruppen sollen sich nicht begegnen, weder im Schulgebäude noch im Schulbus.

Die Ministerpräsidenten erreichten vor der Besprechung mit Merkel zwar offenbar eine Änderung der Beschlussvorlage. Entscheidungen sollen demnach erst bei der nächsten Besprechung am 25. November fallen. Für die Vorschläge heißt das: Sie kommen aller Voraussicht nach auf Wiedervorlage.

Maskenpflicht für alle

Die Vorschriften in den Bundesländern sind bisher unterschiedlich: Während in Bayern und Schleswig-Holstein bereits Grundschulkinder im Unterricht Maske tragen müssen, gibt es in Thüringen selbst für die älteren Jahrgänge keine Maskenpflicht im Unterricht. Die meisten Bundesländer schreiben sie zumindest ab Klasse 5 oder 7 vor.

Umstritten ist die Maskenpflicht vor allem für Grundschüler. Neben sachlicher Kritik, dass die Pflicht für die Kleinen unverhältnismäßig sei und den Unterricht erschwere, etwa weil die Mimik fehle, die Verständlichkeit oder die Konzentration leide, gibt es Verschwörungstheoretiker, die allen Fakten zum Trotz von Gesundheitsgefährdung und Todesfällen durch die Maske  berichten.

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, sagte vergangene Woche der »Welt«, grundsätzlich sei für gesunde Kinder ab einem Alter von zwei Jahren kein Gesundheitsrisiko mit einer Mund-Nasen-Bedeckung verbunden. »Die Beschwerden, von denen wir hören, sind ein subjektives Unwohlsein – das wir als Erwachsene auch haben. Aber sie sind nicht gefährlich oder gar lebensbedrohlich.« Dennoch sollten erst Kinder ab sechs Jahren Masken tragen, wenn das epidemiologisch erforderlich sei.

Epidemiologen urteilen in der Frage allerdings ebenfalls uneinheitlich, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass nach wie vor nicht abschließend geklärt ist, welche Rolle Kinder bei der Übertragung des Virus spielen. Zahlen des RKI zum Infektionsgeschehen bei Kindern sind allerdings besorgniserregend. Demnach wurden in der ersten Novemberwoche mehr als 10.400 Corona-Infektionen bei Kindern unter 14 Jahren gemeldet. Anfang September waren es pro Woche noch weniger als 1000 Infektionen.

Die Zahlen bereiten Experten beim RKI Sorgen und könnten mitentscheiden, ob sich Bund und Länder für eine Maskenpflicht an Schulen entscheiden werden. Bisher zögern die Bundesländer. Nur wenige, wie Bayerns Markus Söder, warben im Vorfeld der Besprechung dafür, die Maskenpflicht generell auf Grundschulen auszuweiten. Der Tenor unter den Ministerpräsidenten ist: Erst einmal abwarten und evaluieren, was der Teil-Shutdown sei Anfang November gebracht hat und welche Rolle die Schulen gespielt haben. Die Forderung, die auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bereits wiederholt äußerte, ist damit aber noch nicht vom Tisch.

Klassen halbieren oder Raumgröße verdoppeln, Gruppen strikt trennen

Unter Eltern und Lehrerverbänden, aber etwa auch von der SPD-Chefin Saskia Esken wird das Modell schon länger gefordert, am Wochenende sprach sich auch die Bundesschülerkonferenz noch mal dafür aus: Die Klassen sollten geteilt werden  und abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet werden. So empfiehlt es auch das RKI bei zunehmendem Infektionsgeschehen. Dieses Wechselmodell, auch Hybridunterricht genannt, sollte zumindest für ältere Jahrgänge oder leistungsstarke Schülerinnen und Schüler angeboten werden, so Elternvertreter.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder plädierte am Montag im ZDF-»Morgenmagazin« ebenfalls dafür, über alternative Modelle nachzudenken. In vielen Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wird das Vorhaben aber abgelehnt.  

»Solche Vorschläge klingen in der Theorie gut, sind aber in der Praxis kaum umsetzbar«, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel am Wochenende dem SPIEGEL. »Wenn man Klassen teilt, braucht man deutlich mehr Lehrkräfte. Woher sollen die kommen? Und neue Räume haben wir nicht.«

Nordrhein-Westfalens Familienminister Joachim Stamp wies den Vorschlag ebenfalls mangels Personal als nicht umsetzbar zurück. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ministerpräsidenten etwas beschließen, was nur umsetzbar wäre, wenn wir etwa die Hälfte des Unterrichts canceln«, so Stamp.

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Da der Druck nun nicht mehr nur vonseiten der Eltern- und Lehrerschaft wächst, sondern auch von der Bundespolitik, dürften auch diese Forderungen auf Wiedervorlage kommen. Bedenkenswert ist dabei der Vorschlag des Kieler Bildungsforschers und Psychologen Olaf Köller. Er empfiehlt, zumindest ältere Schüler, die nicht mehr betreut werden müssten, komplett digital zu unterrichtet. Nicht nur für ein paar Wochen, sondern langfristig bis Ende März. Damit stünden für die unteren Jahrgänge auch mehr Räume zur Verfügung.

Fraglich ist beim Digitalunterricht allerdings, egal ob im Wechsel oder komplett, ob Schulen, Lehrkräfte und Familien darauf ausreichend vorbereitet sind. Verschiedene Studien haben bestätigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Schulen und der Ausstattung der Schüler und Lehrkräfte hinterherhinkt. Der Digitalpakt und extra wegen der Pandemie bereitgestellte Gelder sollen zwar abhelfen, doch bis die Technik tatsächlich verfügbar ist, braucht es vielerorts Zeit. 

Gruppen strikt trennen, in der Schule genauso wie im Bus

Eltern beklagen die Absurdität schon lange: Während die Kinder in der Schule auf Abstand gehen sollen, quetschen sie sich im Bus wie die Ölsardinen.

Einige Bundesländer haben deswegen Gelder für zusätzliche Busse bereitgestellt, doch das Problem besteht vielerorts fort. Erst Anfang November forderten Verkehrsunternehmen erneut, die Anfangszeiten für den Unterrichtsbeginn zu staffeln, damit Busse und Bahnen leerer werden.

Die Idee funktioniert allerdings nur in Städten mit regelmäßigen Beförderungsangeboten. Auf dem Land fahren Schulbusse meist gar nicht häufig genug, um auf einen späteren Bus auszuweichen.  

Unterricht auch für Schülerinnen und Schüler in Quarantäne

Die letzte Forderung in der ursprünglichen Beschlussvorlage der Bundesregierung sah keine Verschärfung vor, sondern ein Versprechen: Auch Schülerinnen und Schüler, die in Quarantäne sind, haben Anspruch auf Unterricht. Das sehen in der Theorie zwar auch die Bundesländer so, doch in der Praxis kommt es wegen Quarantänemaßnahmen zu Unterrichtsausfällen. 

»Schülerinnen und Schüler, die sich in Quarantäne befinden, haben das Gefühl, sie werden vergessen«, sagte Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, vor der Schalte der Ministerpräsidenten mit Merkel. Daher fordere die Bundesschülerkonferenz Konzepte, die den Lernerfolg auch für diese Schülerinnen und Schüler gewährleisteten.

Laut einem Sprecher der Kultusministerkonferenz befinden sich zurzeit knapp 200.000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Das entspricht rund 1,8 Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Mit dem Coronavirus infiziert haben sich demnach bislang 18.298 (0,17 Prozent). Von den Lehrkräften haben sich 3798 infiziert (0,42 Prozent), von Quarantänemaßnahmen seien aktuell 13.101 (1,46 Prozent) betroffen. 106 Schulen (0,37 Prozent) in Deutschland seien derzeit komplett geschlossen, 4074 Schulen (14 Prozent) teilweise.

Mit Material von dpa/AFP