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Dunkelfeldstudie zu Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen in Niedersachsen

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, hat heute gemeinsam mit der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt Ergebnisse einer Studie zu häuslicher Gewalt in Niedersachsen vorgestellt. Die Befragung ist Teil der repräsentativen Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes Niedersachsen zu Sicherheit und Kriminalität in Niedersachsen, bei der im vergangenen Jahr 40.000 zufällig ausgewählte Menschen in Niedersachsen ab 16 Jahren anonym befragt wurden. 18.940 Personen (47,4 %) beantworteten die Fragen. In diese Untersuchung wurde eine mit dem Niedersächsischen Sozialministerium erarbeitete Sonderbefragung zu Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen integriert. Das Ziel war, aussagekräftige Daten zum Ausmaß, zu Erscheinungsformen und zu Folgen von Gewalt in Partnerschaften für das Land Niedersachsen zu erhalten.

14.241 Befragte befanden sich im Jahr 2012 in einer Partnerschaft. 7,8 % von ihnen berichteten von Gewalt in einer Paarbeziehung. Die Erscheinungsformen von Gewalt in Paarbeziehungen wurden zwei Hauptgruppen zugeordnet, der psychischen und der körperlichen Gewalt. Innerhalb dieser beiden Gruppen wurden für differenzierte Betrachtungen Untergruppen gebildet, die sich jeweils im Schweregrad der Gewalt unterscheiden:

  • weniger schwere psychische Gewalt (z. B. Demütigung, seelische Verletzung)
  • schwere psychische Gewalt (z. B. Androhung eines körperlichen Angriffs oder mit Waffe)
  • leichte bis schwere körperliche Gewalt (z. B. Schubsen, Treten, Ohrfeigen)
  • sehr schwere körperliche Gewalt (z. B. Verprügeln, mit Waffe verletzen, zu ungewollten sexuellen Handlungen gezwungen).

Tatmerkmale

Mehr als die Hälfte der Opfer (669) erlitt ausschließlich psychische Gewalt. 3,1 % der Befragten war von körperlicher Gewalt betroffen. 44,4 % der Opfer körperlicher Gewalt berichten, dass Alkoholkonsum bei den Taten eine große Rolle spielte, insbesondere sehr schwere körperliche Gewalt erfolgte unter Alkoholeinfluss (69,4 %). Von den Opfern körperlicher Gewalt berichten 39,6 % von Verletzungen, Frauen mit 47,7 % allerdings deutlich häufiger als Männer (26,7 %). Frauen wurden auch sonst häufiger Opfer von Gewalt in der Partnerschaft als Männer (9,4 % vs. 6,1 %). Insbesondere sehr schwere körperlicher Gewalt (0,8 % vs. 0,2 %) richtete sich verstärkt gegen Frauen.

„Jede Form von häuslicher Gewalt ist inakzeptabel, die Opfer bekommen unsere volle Unterstützung“, so Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt. „Jährlich suchen rund 30.000 Frauen und Mädchen in Niedersachsen Schutz und Beratung in Frauenhäusern, bei Gewaltberatungsstellen sowie Interventionsstellen. Diese Studie zeigt – diese Daten sind nur die Spitze des Eisbergs“, so Rundt weiter.

34,6 % der weiblichen und 28 % der männlichen Opfer waren im Jahr 2012 mehrmals von Gewalt in ihrer Paarbeziehung betroffen. „Was mich besonders beunruhigt: Fast die Hälfte der weiblichen Mehrfachopfer (44,8 %) hat mindestens einmal auch sehr schwere Gewalt erlebt. Wir müssen unbedingt weiter nach Wegen suchen, wie wir noch effektiver die Gewaltspirale der häuslichen Gewalt durchbrechen können“, so Innenminister Boris Pistorius.

Jedes fünfte Opfer berichtete von Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags, insbesondere Opfer schwerer psychischer (31,8%) und sehr schwerer körperlicher Gewalt (34,7 %).

Soziodemografische Merkmale

Frauen mit Migrationshintergrund sind deutlich häufiger Opfer geworden als Frauen ohne Migrationshintergrund (13,1 % vs. 8,9 %), am stärksten sind hier die jungen Frauen bis 29 Jahre betroffen (26,8 %). Frauen sind in kleinen Wohnorten eher von Gewalt in der Partnerschaft betroffen als in Großstädten (9,4 % vs. 8,1 %). Sowohl Frauen als auch Männer, die in Haushalten mit Kindern leben, wurden häufiger Opfer von Partnergewalt als solche in Haushalten ohne Kinder (10 % vs. 6,9 %). „Um Kinder und Jugendliche gegen das Miterleben von häuslicher Gewalt besser zu schützen, schreiben wir derzeit fünf Modellprojekte zur Unterstützung von Kindern aus. Kinder leben in einer Atmosphäre der Angst und Demütigung, wenn Eltern einander angreifen. Sie haben keine Chance, frei und gesund aufzuwachsen.
Je früher die Kinder die Chance bekommen, die miterlebte Gewalt zu bewältigen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst später ein gewaltfreies Leben führen“, so Ministerin Rundt.

Hilfesysteme

19 % der befragten Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen scheinen keinen Ausweg aus ihrer Situation zu sehen. Umso schwerer die erlebte Gewalt, desto verbreiteter ist diese Meinung. 37,8 % der Opfer glauben, dass intensive gemeinsame Gespräche und Verhaltensänderungen des Partners oder der Partnerin (28,1 %) weitere Taten verhindern helfen können.

43 % der Opfer (54,4 % der Frauen, 24,6 % der Männer) beziehen Hilfen ein, Gespräche im Freundeskreis (72,4 %) und in der Familie (54,9 %) werden gesucht.

Gewalt in Beziehungen kann umso eher beendet und umso besser verhindert werden, je mehr alle verantwortlichen Einrichtungen und Behörden ihr Handeln aufeinander abstimmen. Die Ergebnisse dieser Studie liefern wertvolle Ergebnisse, um die Maßnahmen der Niedersächsischen Landesregierung passgenauer auszurichten. Innenminister Pistorius sagt: „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache. Der Kampf gegen Gewalt und der Einsatz für die Opfer ist nicht ausschließlich die Aufgabe des Staates, sondern der gesamten Gesellschaft. Was wir brauchen, ist eine Kultur des Hinschauens und den engen Schulterschluss von gesellschaftlichen Akteuren und Sicherheitsbehörden. Wir brauchen noch mehr Zivilcourage von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, damit solche Gewalt nicht zugelassen, sondern der Polizei gemeldet wird.“


Anlage


Presseinformation

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erstellt am:
30.06.2014

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