Die Corona-Pandemie und die Psyche

Corona-Krise und Lockdown-Politik mit negativen Auswirkungen auf die Psyche

24.02.2021 Von Ulrike Propach und Ivana Peric

  • Betroffene, die im Alltag auf vielfältige Unterstützung angewiesen sind, haben durch den Lockdown wichtige Hilfsangebote verloren. Das veranschaulicht das Beispiel Petra K.
  • An Corona Erkrankte leiden unter der Isolation und haben Angst, Mitmenschen anzustecken oder das bereits getan zu haben.
  • Besonders Menschen, die unter Depressionen und anderen psychischen Störungen leiden, haben es gerade sehr schwer. Denn Ängste und Sorgen stehen nun noch mehr im Zentrum ihres Lebens.
  • Neuaufnahme und Fortsetzung von Psychotherapie sind während des Lockdown und bei gestiegenem Bedarf schwieriger geworden, obwohl nun auch Videositzungen erlaubt sind und von den Krankenkassen bezahlt werden.
  • Gerade jetzt zeigt sich, dass die Vergabe von Kassenplätzen dringend reformiert werden muss.
  • Zusätzliche Heilpraktiker*innen für Psychotherapie könnten die Versorgungslücke schließen helfen. Doch Überprüfungen sind fast überall erst in 2022 wieder möglich.
  • Kontaktbeschränkungen aufgrund der Schließungen von Schulen und Kindergärten treffen Kinder und Jugendliche besonders hart und bremsen in vielerlei Hinsicht ihre Entwicklung.
  • Homeoffice ohne Kollegen, ohne eigenes Arbeitszimmer und zusätzlich die Aufgabe des Homeschooling übernehmen zu müssen, das ist vor allem für Mütter sehr belastend.
  • Räumliche Enge oder Arbeitsplatzverlust als Folge der Lockdown-Maßnahmen erhöhen für Frauen und Kinder das Risiko, Opfer von häuslicher Gewalt zu werden.
  • Die offene Diskussion aller Vor- und Nachteile möglicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist ein wichtiges Mittel für die Akzeptanz der Corona-Politik in der Bevölkerung.

Wie wirkt sich die Isolation auf die Psyche aus?

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des COVID-19-Virus zielen vor allem auf die Unterbrechung der Übertragungswege ab. Der staatlich verordnete Lockdown mit der räumlichen und sozialen Distanzierung scheint aus epidemiologischer Sicht unausweichlich zu sein. Das daraus resultierende strikte Herunterfahren aller gesellschaftlicher und vieler scheinbar nicht unmittelbar lebensnotwendiger medizinischer Bereiche zeigt, wie verletzlich und hilflos wir gerade sind. Bereits während des ersten Lockdown im März vergangenen Jahres wiesen Experten darauf hin, dass die Auswirkungen, die die Corona-Maßnahmen auf die Psyche haben können, zu wenig bedacht werden.

Im Jahr 2020 gab es wegen psychischer Erkrankungen auffallend mehr Ausfalltage. Das geht beispielsweise aus dem Pschychreport 20201 der DAK-Gesundheit hervor. Die Ausfalltage erreichten mit rund 265 Fehltagen je 100 Versicherte einen neuen Höchststand.

Die Häufigkeit von schweren Depressionen und Angststörungen hat im Verlauf der Coronapandemie um mehr als 25 Prozent zugenommen, wobei vor allem jüngere Menschen und Frauen besonders betroffen sind.

Auf dieses Ergebnis kam ein Team um Damian Santomauro vom Queensland Centre for Mental Health Research in Brisbane, Australien, das 48 Studien ausgewertet hat. Die Studien wurden vor allem in einkommensstarken Ländern Westeuropas, Nordamerikas, Australiens und Asiens durchgeführt, aus Südamerika und Afrika lagen keine Daten vor. Die Studie versucht jedoch, diese Lücken mit mathematischen Mitteln zu füllen, die sich bereits bei der GBD-Studie („Global Burden of Diseases“) bewährt haben.

Nach der GBD-Studie gehörten Depressionen und Ängste bereits vor der Pandemie zu den 25 Erkrankun­gen mit der größten Krankheitslast. Nach den Modellschätzungen von Santomauro hätten ohne die Pandemie weltweit 193 Millionen Menschen unter schweren depressiven Störungen gelitten. Als Folge der Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen ist die Zahl um 53 Millionen oder 28 Prozent auf 246 Millionen Fälle gestiegen. Von den zusätz­lichen Erkrankungen entfielen 35 Millionen auf Frauen gegenüber 18 Millionen bei Männern.

Ziel der 1992 von der Weltgesundheitsorganisation und der Weltbank ins Leben gerufenen GBD-Studie ist es unter anderem, anhand weltweiter Daten Ursachen für Sterblichkeit und Krankheiten zu ergründen.

Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf neue ungewohnte Situationen wie den Lockdown, das kontrollierte Herunterfahren des öffentlichen Lebens. Betroffene empfinden Quarantänemaßnahmen in der Regel als eine besondere Stresssituation. Viele erleben währenddessen Wutgefühle, Angst, Unruhe, emotionale Erschöpfung, niedergeschlagene Stimmung, Reizbarkeit und Schlafstörungen. Das alles sind Anzeichen für psychischen Stress.
Die negativen Auswirkungen der Isolation sind vielfältig. Neben den bereits genannten Symptomen treten folgende Begleiterscheinungen bereits bei kurzen Quarantäneaufenthalten auf:

  • Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung
  • Verwirrung
  • Verärgerung

Bei einer Isolation, die sich über mehrere Tage erstreckt, erleben die Betroffenen meist:

  • Furcht vor Ansteckung
  • Frustration
  • Langeweile
  • das Gefühl, unzureichend informiert zu sein
  • Angst vor Stigmatisierung
  • finanzielle Verlustängste

Welche Personengruppen potenziell ein höheres Risiko aufweisen, nach einer Quarantäne an psychischen Problemen zu leiden und in welchem Ausmaß sich diese Leiden dann zeigen, ist bislang nicht ausreichend untersucht. Eine repräsentative Studie des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) in Leipzig belegt jedoch, dass sich infolge der COVID-19-Pandemie die psychische Gesundheit von Senioren ab 65 Jahren nur wenig verändert hat. Dagegen neigen aber vor allem jüngere Menschen und insbesondere Frauen eher zu Angststörungen.

Auch liegen Erkenntnisse vor, dass Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten, stärker gefährdet sind, in Folge der Quarantäne kurz- oder mittelfristig psychische Probleme zu entwickeln. Arbeitsverdichtung, Existenznot oder die ständige Angst vor einer Infektion setzen viele Beschäftigte im Gesundheitswesen unter konstanten psychischen Druck. Kopfschmerzen und Schlafmangel sind körperliche Probleme, die auftreten können. Manchen fällt das Abschalten nach dem Arbeitsalltag schwer, sie fühlen sich ständig unter Druck und sind leicht reizbar. Mehrere Langzeitstudien haben bereits bewiesen, dass diese Belastungen auch über Jahre hinweg negative gesundheitliche Folgeerscheinungen mit sich bringen.

Studien zufolge steigt das Risiko der psychischen Belastung ebenfalls, wenn Betroffene zuvor schon an einer psychischen Störung litten und sie sich aufgrund mangelnder Aufklärung während der Isolation nicht ausreichend informiert fühlen. Vermutet wird, dass bei Alleinstehenden Gefühle der Einsamkeit verstärkt werden. Wegen der ohnehin schon bestehenden räumlichen Distanz zu den Mitmenschen ziehen sich mehr Menschen noch weiter zurück. Dieser passive Rückzug kann ein Zeichen für eine depressive Phase sein.

Unterstützungsangebote annehmen

Die meisten Menschen leiden unter der Corona-Krise, weil die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus belastend sind, weil die Angst, sich selbst anzustecken oder für die Ansteckung eines anderen Menschen verantwortlich zu sein, groß ist.

Viele kommen auch schwer damit zurecht, dass sie ihren Eltern oder anderen älteren nahestehenden Menschen nicht wie gewohnt zur Seite stehen können.
Außerdem ist es gerade nicht möglich, vielen Interessen, die das eigene Leben bereichern oder leichter machen, nachzugehen.

Es wurden bereits viele Menschen gegen das Virus geimpft. Die Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckungen werden weiter gelockert, sobald die Inzidenzwerte noch mehr sinken. Höhere Temperaturen werden dazu beitragen, dass zusätzliche Lockerungen möglich werden können.

Unterschiedlichste Hilfemaßnahmen stehen zur Verfügung, so dass sich jeder, der Bedarf hat, unkompliziert und kostenfrei Hilfe suchen kann. Bitte scheuen Sie sich nicht, professionelle Beratung anzunehmen oder eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. In den folgenden Abschnitten haben wir Ihnen wichtige Adressen aufgelistet.

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